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André Höflich, Chris Gollhofer, Mölltaler Gletscher

Travel Storys

Ein feuchtfröhlicher Wochenendtrip mit André Höflich

Seit Beginn der Corona-Pandemie hat Deutschlands bester Snowboarder André Höflich keinen Fuß mehr in den Schnee gesetzt. Mit Wurfzelt, Weinflaschen und Müslischalen ausgerüstet, sind wir gemeinsam losgezogen, um das zu ändern.

Text und Bilder: Chris Gollhofer

Wenn ein Snowboard-Profi wie André Höflich fast ein halbes Jahr lang nicht in den Schnee kann, ist das ungefähr so, als müsste Rocco Siffredi monatelange Keuschheit geloben. Wie groß sein Verlangen nach einer Session ist, kann ich mir kaum vorstellen, als ich ihn zuhause abhole, um zum Mölltaler Gletscher zu fahren. Schließlich hat die Corona-Pandemie nicht nur die Saison des 23-Jährigen vorzeitig beendet, sondern auch seine Reisepläne auf die Südhalbkugel durchkreuzt.

Falls jemand André immer noch nicht auf dem Schirm haben sollte – nur so viel: Er ist momentan der erfolgreichste und wahrscheinlich auch beste Snowboarder Deutschlands. Mit seinen 23 Jahren liegt er aktuell auf Platz fünf im World-Cup-Ranking, fuhr die letzte Saison in jedem World-Cup-Finale mit und startete bereits bei den X Games. Und obwohl er besonders für die Pipe bekannt ist, kann der Allgäuer (Exil-lebend in Berchtesgaden) weit mehr, als nur die Transitions dieser Welt hoch- und runterfahren. Am Mölltaler Gletscher, wo man eine Pipe vergebens sucht, wird er das mehr als nur unter Beweis stellen. Aber dazu später mehr.

„Ich habe keine Existenzängste.“

 

Auf dem Weg zum Summer Shred spreche ich ihn auf die kommende Contest-Saison an und die vielen Fragezeichen wegen der Corona-Pandemie. „Ich habe keine Existenzängste.“, sagt André. Natürlich mache er sich Gedanken, wie es weitergeht, aber seine Sponsoren würden ihm viel Vertrauen schenken. „Aktuell bin ich auch noch in der Sportfördergruppe der Bundeswehr, was mir finanziell ebenfalls den Rücken freihält“, verrät der Youngster, der trotz der Verbandstruktur seinen ganz eigenen Weg als Profi geht. Spontan-Trips wie dieser zeigen das nur zu gut.

Am Campingplatz angekommen, stelle ich direkt fest, dass Herr Höflich nicht nur Pro-Snowboarder, sondern auch noch Pro-Camper ist. Fully equipped! Das Zwei-Mann-Wurfzelt, die Doppel-Luftmatratze und die bequemsten Campingstühle ever (mit zwei Bierhaltern und Kopfkissen) beeindrucken mich schon schwer. Lediglich beim Camping-Geschirr ist noch etwas Luft nach oben. Da muss nämlich ein Steinkrug als Müslischale herhalten.

Vielversprechend sehen auch die Bedingungen für die erste Session aus. Ein paar Wolken – nichts Wildes – und nur eine Handvoll Autos auf dem Parkplatz. Yessa! Oben auf dem Gletscher ändert sich das Bild leider: Whiteout, Fuck! Die Sicht reicht mit Goodwill für 40 bis 60 Meter. Zum Shooten nicht unbedingt ideal.

Doch das Schöne daran ist, wenn man mit motivierten Leuten unterwegs ist, dass sie immer eine Lösung finden. Und André ist da keine Ausnahme. Schnell eine Schaufel und Shapetool organisiert, bauen wir uns einen Sidehit. Auf die Frage, wo er einen errichten will, antwortet er: „Ich hab da hinten so ein Beton-Ding gesehen, das will ich gapen.“ Okay, dann los.

Einer schaufelt den Kicker, der andere die Landung. Eine gute Stunde später steht alles. Inzwischen ist auch die Parkshape-Crew an unserem Sidehit angekommen und schaut gespannt zu, was wir dort vorhaben. Nach den ersten Versuchen kann ich folgendes Fazit ziehen: Der Kicker poppt, die Landung ist nicht zu kurz und Andrés Methods massiv. Auf unsere Aufforderung, dass die Shapecrew doch gern mitshredden soll, kommt aber nur ein verhaltenes „Ahh no, thanks. We’re fine. We rather just enjoy watching you“.

Je leerer die Flasche, desto deeper der Talk.

Zurück auf dem Campingplatz gibt es zum Abendbrot eine Flasche Wein. Für jeden, versteht sich. Und wer kennt es nicht: Je leerer die Flasche, desto deeper der Talk. So bekomme ich aber auch die Möglichkeit, mehr über Andrés Vergangenheit, seine Vorstellungen und Träume zu erfahren. Klar ist Snowboarden dabei das dominante Thema, aber auch ein Snowboard-Profi sehnt sich nach Zeit mit seinen Freunden, Familie und einer Beziehung. Und das alles unter einen Hut zu bekommen, ist keine leichte Übung.

„Ich hätte schon gerne eine Freundin, aber Snowboarden steht bei mir aktuell an erster Stelle“, verrät André. „Das heißt, sie müsste wohl immer hinten anstehen. Zudem bin ich teilweise echt lange weg. Acht Wochen am Stück sind da keine Seltenheit. Da kann ich es auch verstehen, wenn ein Mädel darauf keine Lust hat.“

Ich: „Wie ist es eigentlich in Contest-Situationen? Bist du da immer noch nervös? Ich meine, Contest fahren ist ja nicht nur Leistung abrufen, du musst ja auch mental voll da sein.“

André: „Da sprichst du mir voll aus der Seele. Ich war lange Zeit bei Wettkämpfen mega-nervös und hab auch regelmäßig nicht abgeliefert. Das war auch schon als Kind so, als ich viele Go-Kart-Rennen gefahren bin. Irgendwann habe ich dann Nicola Thost angerufen und sie gefragt, ob sie mit mir an dem Thema arbeiten kann. Zusammen haben wir dann einen ganzen Sommer an meinen Blockaden gearbeitet, sodass ich nicht nur meine physischen sondern vor allem auch meine psychischen Leistungen on point abrufen kann.“

Leicht verkatert geht’s am nächsten Morgen um 7 Uhr wieder los. Frühstück, Katzenwäsche, Zelt abbauen und ab auf’n Berg. Oben angekommen, erwartet uns wieder einmal eine einzige Suppe. Nachdem es auch mittags nicht besser wird, muss ein Alternativplan her – und der heißt: Bier.


Und auch an Tag drei ist es wie verhext. Überall sind Wolken, nur heute zur Abwechslung mal etwas Regen statt Schnee. Heute ist unser letzter Tag und wir haben sage und schreibe einen einzigen Shot im Kasten. Aber scheinbar hat irgendwer einen guten Draht nach oben, denn pünktlich zum Mittag lockern sich die Wolken so sehr, das wir vom Restaurant aus die Obstacles im Park erkennen können. Jetzt wird gearbeitet! Bis hierher kannte auch ich André eigentlich nur in der Pipe, aber ich muss sagen, dass er im Railgame eine gehörige Portion Style mit an den Start bringt.

Dennoch müssen wir einen kleinen Notplan schmieden: Heimfahren und kaum Bilder in der Tasche haben oder noch einen Tag bleiben und hoffen, dass der Himmel aufzieht.
Variante zwei, wir bleiben. Als wir am Abend mit der Shapecrew am Lagerfeuer sitzen und über uns plötzlich ein wunderschöner Sternenhimmel inklusive Milchstraße zu sehen ist, wissen wir beide, dass morgen endlich gute Bedingungen sein werden. Doch bis dahin gilt es, erstmal auszutrinken. Schließlich soll sonst das Wetter schlecht werden, sagt man. Oder nicht?

„Die Superpipe in Laax ist meine Lieblings-Pipe. Und das Finale bei Nacht ist einfach gigantisch..“

Ich: „Wie war das eigentlich, bei den Laax Open im Finale zu stehen?“

André: „Es war der Hammer. Es war mein größtes Ziel für die Saison. Die Superpipe in Laax ist meine Lieblings-Pipe. Und das Finale bei Nacht ist einfach gigantisch. Wenn ich oben am Start stehe und tausende Augenpaare nur auf mich gerichtet sind und vor mir die perfekt geshapte Pipe wartet, ist das ein ganz besonderer Moment.“

Ich: „Hast du eigentlich auch ein Ritual oder so für Contests?“

André: „Ja schon. Ein paar Minuten bevor ich dran bin, höre ich einen Song in Dauerschleife. Einfach nur, um gute Laune zu bekommen. Wenn ich dann dran bin, schalte ich einen Metal-Song ein und bei einer ganz bestimmten Stelle im Lied, droppe ich dann rein.“

Yes, Bluebird! Mit der zweiten Bahn geht’s hoch und zielstrebig schnappen wir uns eine Schaufel und Shapetool, scouten ein paar Sidehits. Da der Mölltaler Gletscher an vielen Stellen einer Mondlandschaft gleicht, ist es auch nicht sonderlich schwer, einen geeigneten Spot auszumachen.

Noch bevor wir zu schaufeln anfangen, drückt André mir einen seiner Airpods in die Hand. „Dann können wir zusammen Musik hören.“ Keine zwei Minuten später dasselbe Spiel mit der Sonnencreme. Auf meine Anmerkung hin, dass er sich gut um seine Gesellschaft kümmere, erwidert er „teamwork makes the dream work“. In solchen Momenten merkt man, dass André Höflich trotz seines aktuellen Erfolgs mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben ist.

Nach kurzem Speed-Check gehts dann auch direkt ans Shooten. Millerflip und Taildrag, als wäre es nichts. In Sachen Style braucht sich der Wahl-Berchtesgadener außerhalb der Pipe nun wirklich nicht zu verstecken. So kommt es, dass gerade einmal 30 Minuten später die Sidehit-Shots im Kasten sind.

„Was hältst du davon, wenn du deinen Kamerarucksack hoch in den Spint bringst und wir zusammen ne Runde shredden?“ Da hätte ich extrem Bock drauf. Aber noch mehr Lust habe ich, einfach aus dem „Off“ zu shooten. Ohne Plan, ohne Druck und ohne dass André weiß, wo ich gerade stehe. Und ja, der Cork BS 7 sitzt, first try.

Zurück im Tal, packen wir unsere Sachen, inklusive Wurfzelt und der Doppel-LuMa und machen uns auf den Heimweg nach Berchtesgaden. Da angekommen gibt’s dann noch einen Kaffee in der Casa del Höflich, bevor ich weiter zurück ins Allgäu fahre. André ist eben nicht nur ein geiler Shredder und bescheidener Typ, sondern – Achtung, schlechter Wortwitz – einfach Höflich.

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