Wenn drei der höchsten Berge der Schweiz zusammenkommen, die sowohl den längsten Gletscher Europas speisen als auch die berüchtigste Kletterwand der Welt stellen, dann befindet man sich im wohl gewaltigsten Bühnenbild der Alpen. Ein Blick hinter die Kulisse der Jungfrauregion.
Welch majestätische Szenerie sie da vor sich haben, das wissen die meisten (asiatischen) Touristen, wenn sie im Schatten von Eiger, Mönch und Jungfrau ihre Fotoapparate zücken. Sie sehen die „unbekletterbare“ Eiger-Nordwand, fahren auf den höchstgelegenen Bahnhof der Welt und knipsen den Aletschgletscher. Was sie dabei jedoch nicht erahnen, ist die Vielseitigkeit des Geländes im Gebiet rundherum. Die Hänge zwischen Grindelwald, Mürren und Lauterbrunnen sind so sanft geschwungen, dass man sie fast schon mit Wolken verwechselt.
Träger der These ist das Gebiet rund um die Kleine Scheidegg. Unter- wie oberhalb vom Rangierbahnhof der Zahnradbahn – von hier geht es hoch zum „Top of Europe“ – lohnen sich lauter kleine Abstecher in die ausgedehnten Hügel zum Powdern. In diesem mittleren Teil des Resorts liegt die Priorität auf Allround und Entschleunigung – im Gegensatz zu den Couloirs am rechten Flügel. Vielleicht liegt es an der Geschichte der Schilthorn-Bergstation – James Bond sprengte sie „im Auftrag ihrer Majestät“ filmreif vom Berg – aber alles was sich unter dem Panoramarestaurant befindet lässt sich fraglos als couragiert bezeichnen.
Dagegen ist die linke Flanke bei Grindelwald die Spaßseite des Gebiets. Auf der Firstalm eignen sich die weiten, weichen Hänge zwischen Schreckfeld, dem Sessellift Grindel und der Mittelstation Bort ideal für Pistenjibs, schnelle Bonks am Rande oder Minitricks durch Minicanyons. Hier gibt es keinen bestimmten Style; man shreddet einfach alles, was sich auf direkter Falllinie durch Zufall so finden lässt. Step-ups, Gaps: hier ist eben alles Freestyle. Bis man am Bärgelegg Lift schließlich am Park rauskommt.
Der White Elements Pro Park selbst liegt schon weit über Durchschnitt („danke dass sie mit White-Elements geflogen sind“), mit der Pipe schießt die Jungfrauregion dann endgültig den Vogel ab: dieses Monster ist nicht nur eine der größten Europas, sondern auch eine der fotogensten. Jeder Snowboard-Fotograf sollte schon mindestens ein Bild im Portfolio führen, auf dem die zerklüfteten, vergletscherten Felswände der Eiger-Nordwand im Hintergrund thronen. Das ist ganz großes Alpentennis.
Ein Vergnügen, dem man nicht entgehen darf, ist das Nachtrodeln am Kleinen Scheidegg. Von der Bergstation jubelt man mit manchmal mehr, manchmal weniger Beleuchtung durch die Prärie – inklusive Tiefschneepassagen mit teils heftigem Gefälle! Wer an der Endstation Alpiglen noch auf dem Schlitten sitzt, kann sofort zum Feiern ins Mescalero nach Grindelwald durchstarten. Der Rest tankt sich erstmal bei Käsefondue und Kirschwasser wieder auf, bevor er sich langsam aus dem Bühnenbild entfernt. „Die ganze Welt ist ein Theater“ sprach Shakespeare einst. Man könnte meinen, ihm wären diese Wörter zwischen Eiger, Mönch und Jungfrau eingefallen.
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