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Kommentar | Ist die Natural Selection Tour die Zukunft des Contest-Snowboardens?

Mit der Natural Selection Tour von Travis Rice gab es im letzten Winter ein Contest-Format, das die Snowboard-Contest-Landschaft für immer zu verändern scheint

Foto: Leo Saalfrank

 

Trotz der widrigen Umstände durch die Covid-19-Pandemie kann man ohne Zweifel sagen, dass die Natural Selection Tour bereits im allerersten Jahr ein voller Erfolg war.

MBM Crew Rider Patrik Rauter beschreibt in seinem Kommentar was für ihn die wichtigsten Faktoren für den Erfolg der Natural Selection Tour sind.


Es ist eigentlich unmöglich Snowboarding, in all seinen Facetten in ein einziges legitimes Contest-Format zu pressen. Die Natural Selection Tour wagte diesen Versuch und wurde diesem Anspruch durchaus gerecht. Nur absolute Ausnahme-Fahrer:innen können bei dieser Tour überhaupt bestehen. Das Fahrer:innen-Feld war dementsprechend hochrangig besetzt, vom Slopestyle-Spezialisten bis zum erfahrenen Backcountry-Veteranen und Video-Stars gab sich die gesamte Bandbreite an Riding-Styles (abgesehen von der Urban-Fraktion) die Ehre. Schon die Liste an Ridern, die man im ersten Jahr nicht einladen konnte – Jake Blauvelt, John Jackson, Jake Welch und andere, wäre ein feuchter Traum jedes Contest-Veranstalters gewesen und zeigt den hohen Anspruch der Tour. Für mich auch ein Zeichen dafür wie sehr die Core-Szene hinter dieser Event-Serie steht.

In den Videos sieht es immer kinderleicht aus, wenn die Rider einen Trick nach dem anderen im hüfttiefen Powder stompen und dies nicht selten first-try. Aber jeder Fahrer weiß, dass solche Runs das allerhöchste Level im Snowboarding repräsentieren.



Anders als in einem Snowpark, welcher jeden Tag geshaped wird und in dem die Bedingungen über die ganze Saison relativ konstant bleiben, ändern sich die Umstände im Backcountry ständig. Der Schnee kann sich über Nacht oder oft nur innerhalb weniger Stunden vom fluffigen Powder zu Harscheis oder Sulzschnee verwandeln. Damit ändert sich die Geschwindigkeit, mit welcher man einen Jump anfahren und den Trick landen muss. Im Backcountry muss man für einen Hit oft durch Tiefschnee hiken, was weit aus mehr Kraft erfordert, als bequem im Sessellift zu sitzen, um dann erneut durch den Park zu fahren. Zudem hat man im natürlichen Gelände nur eine begrenzte Anzahl an Versuchen, da irgendwann die Landung komplett zerbombt ist. Es sei denn, man gehört zu den beneidenswert, über talentierten Riege an Ridern, welche auch da noch fette Tricks stompen können, wie dies bspw. Marc Frank Montoya nachgesagt wird. Zusammenfassend kann man sagen: Man muss im Backcountry einfach den Schnee und das Terrain „lesen“ d.h. einschätzen können und wissen, wo der Sweetspot der Landung liegt und im Idealfall noch, welcher Trick dort am passendsten erscheint.

Lustigerweise war es Mr. TRICE himself, welcher einmal in einem Interview das Backcountry-Snowboarding mit Street-Skateboarding verglichen hat. Jetzt wird sich der eine oder andere fragen, wieso er gerade diesen Vergleich zieht? Er führte aus, dass es beim Snowboarding außerhalb des eigentlichen Skigebietes darauf ankommt, das vorhandene Gelände zu interpretieren und dort Tricks zu machen, wo es eigentlich nicht vorgesehen ist. Dabei ist die eigene Vorstellungskraft und Kreativität gefragt, wohingegen in den allermeisten Snowparks die Line- und Obstacle-Wahl vorgegeben ist.

Ein krasses Beispiel für dieses können war der Bs 540 Indy vom Mikkel Bang in seinem Winner-Run der Natural Selection Tour in Alaska. Viele Rider wissen, wie sich ein Bs 540 anfühlt, aber nur die allerbesten Rider sind in der Lage diesen Trick auch innerhalb eines Runs ohne vorgefertigten Kicker und dafür mit einigen Metern Höhenunterschied mehr sauber zu landen und switch in einem sehr steilen Powderhang auszufahren.



Natural Selection Tour 2021 Stop 3 – Tordrillo Mountains in Alaska. | Foto: Tom Monterosso / Red Bull Content Pool

 

Genau darin liegt der Reiz dieser Tour. Es bringt Snowboarding wieder näher an das Publikum. Wenn man heutzutage einen normalen Slopestyle-Run im Fernsehen ansieht und dort jemand einen Triple Cork springt, dann ist man vielleicht vom athletischen Schwierigkeitsgrad beeindruckt, aber bekommt man da wirklich selber Lust Snowboard fahren zu gehen? Derselbe Rider, welcher solche multiplen Corks im Snowpark ohne Probleme hinstellt, wird sich bei dieser Tour nicht unbedingt leicht tun. Man kann jahrelang auf Airbags gewisse Tricks einstudieren, aber um in dieser Natural Selection Tour zu bestehen, braucht es neben unglaublicher Boardkontrolle und Körperbeherrschung sowie einem großen Bag of tricks einfach ein Gefühl für den Schnee und den Flow eines solchen Runs. Diese Erfahrung mussten selbst OlympiasiegerInnen bei dieser Art von Events durchmachen. Die Natural Selection bringt Snowboarden wieder dahin, wo es hingehört und es verlangt selbst von Spitzen Ridern eine persönliche Weiterentwicklung des Könnens ab. Wenn man sich zum Beispiel die Performance eines Mark McMorris von seiner ersten Teilnahme beim Ultranatural bis zu seinem Auftritt bei dieser Tour mitverfolgt hat, dann weiß man, dass es möglich ist, ein (noch) kompletterer Rider zu werden. Normalerweise fühlt es sich – zumindest aus meiner Sicht – irgendwie „komisch“ an von dem oder der Besten im Snowboarding zu reden, aber wer will schon widersprechen, wenn jemand sagt, dass die Gewinner:innen der Natural Selection Tour ohne Frage sich zu den weltbesten SnowboarderInnen zählen können? Prove me wrong.


Natural Selection Tour 2021 Stop 1 – Jackson Hole in Wyoming. Foto: Tim Zimmerman Red Bull Content Pool

 


Diese Contest-Tour bringt Snowboarding weg von dem rein athletisch-akrobatisch geprägtem Wettkampf-Format und zurück zu seinen Wurzeln: Sich gemeinsam mit Freunden bei einer Session auf das nächste Level zu pushen und sich dabei nicht irgendwelchen Regularien oder Normen von Skiverbänden unterwerfen zu müssen.

Gehen wir noch kurz auf den Nachhaltigkeitsfaktor ein: Es lässt sich natürlich darüber streiten, ob es nachhaltig ist, im Sommer Bäume zu fällen und die Natur so weit zu verändern, dass diese noch größere Jumps ermöglichen. Allerdings ist dies ein wahrscheinlich einmaliger Eingriff und im Gegensatz dazu, muss man sich fragen, wie nachhaltig es ist, jeden Tag tausende Liter an Treibstoff zu verbrennen, um künstliche Sprunglandschaften – nichts anderes sind Snowparks – aufzubauen und zu präparieren.

Vielleicht gibt es ja bald in jedem größeren Gebiet eine natural-freestyle Area, welche einmal im Sommer vorbereitet wurde und dann im Winter nie mehr angerührt wird. Träumen wird man ja wohl noch dürfen, oder? Aber wenn man so darüber nachdenkt, eigentlich gibt es doch auf jedem Berg genügend Möglichkeiten sich kreativ auszutoben – sky is the limit.


Mark Mc Morris bei der Natural Selection Tour in Alaska. Foto: Tom Monterosso / Red Bull Content Pool

 


Es bleibt es spannend zu sehen, welche Entwicklung diese Tour in den nächsten Jahren machen wird.

Meiner Meinung nach hat Travis Rice damit die Zukunft des Contest-Snowboardings schon jetzt für immer verändert, ohne dabei die Authentizität und den Lifestyle unserer Community aufs Spiel zu setzen.

Nothing but respect for you Travis und Danke!

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