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Travel Storys

Japan

Japan, das ist Ninja und Geisha, Sushi und Sake, Tamagotchi und Pokemon. Japan, das ist ergiebige Schneefälle und federleichter Powder. Und genau das war’s, das es uns leicht machte, der Heimat für drei Wochen den Rücken zu kehren. Am Boden schlafen, mit Stäbchen essen, Tempel und Spielhallen besuchen, Grünen Tee schlürfen, einfach kein Wort verstehen und Pillows bis zum Abwinken shredden… Kulturschock, wir kommen!

((Text: Björn Hartweger))
Am 10. Januar 2006 ist es soweit. Unser Chor bestehend aus Basti Balser, Filmer Schnipfel und meiner Wenigkeit trifft sich am Flughafen von Innsbruck zum kräftigen Händeschütteln. Von dort aus soll es weiter nach Frankfurt und schliesslich nach Tokio gehen. Teil 2 der Truppe, namentlich sind das Jonte Edvardson, Marco Feichtner und Fotograf Lucci, hatte das Glück, vor Japan bereits China die Ehre erweisen zu dürfen. Bis zur Zusammenkunft der kompletten Crew mussten wir demnach noch bis Tokio warten. Und eigentlich sogar noch etwas länger. Denn da ich es tatsächlich schaffe, meinen Reisepass im Flugzeug von Innsbruck nach Frankfurt zu vergessen, verzögert sich die definitive Vereinigung von Teil 1 und 2 um weitere 24 Stunden. Schnipfel und Basti müssen ohne mich an Board nach Tokio. Guten Flug und auf ein freudiges Wiedersehen ein paar Frankfurt – Tokio-Flüge später!

Mit dem ganzen Filmequipment bepackt machen wir uns einen Tag später auf Entdeckungsreise durch die japanische Millionenmetropole. Unser liebstes Beförderungsmittel: selbstverständlich die U-Bahn. Ohne die Bahn wäre man in Tokio so aufgeschmissen wie in der Wüste ohne Wasser. Selbst Tokios Einwohner scheinen mehr Zeit in den Katakomben der U-Bahn zu verbringen als im eigenen Wohnzimmer. Wie in einen Ameisenhaufen strömen sie aus allen Heeren Eingängen in ihr kollektives Aufenthaltszentrum. Mit ihren gezielten Schritten dafür umso gelangweilteren Blicken überrennen sie verstörte Europäer, die vergebens den undefinierbaren Sound aus irgendwelchen Lautsprechern zu verstehen versuchen. Unsere Sinne sind überflutet, der Kulturschock ist perfekt. Willkommen in Tokio!

Zurück in unserer Absteige machen wir das, was man in Japan nach einem Tag Grossstadtzoo macht: Wir entspannen unsere beanspruchten Glieder in der „Onse“ (japanische für heisse Quelle; Anm. d. Red.). Wo wohl Marco, Jonte und Lucci bleiben? Teil 2 unserer Crew hätte sich doch eigentlich längst in Tokio einfinden und mit uns zusammen planschen sollen. Doch zwischen den Jungs und unser Badepartie liegt bereits eine weitere Flugstrecke. Statt sich zu uns zu gesellen und Tokio zu geniessen, sind die drei bereits nach Sapporo weitergeflogen. Warum denn? Keine Fragen, bitte! Es hat einfach nicht sollen sein. Dann treffen wir uns eben erst auf der Nordinsel Japans!

Für uns geht’s aber erst nochmal dort hin, wo die gesamte Hektik Japans als konzentriertes Paket zusammefliesst. Im öffentlichen Verkehr. Ich hänge mich an die anderen ran. U-Bahn, rein, raus, umsteigen, einchecken, fliegen, landen Gepäck holen. Auto mieten, Navigationsgerät einstellen und nach drei weiteren Stunden endlich in Niseko, dem Ziel unserer Reise, eintrudeln. Tief durchatmen, richtig tief. Wir haben es geschafft! Das, was wir noch vor einer Woche sehnsüchtig auf dem Bildschirm unserer Fernseher beobachtet konnten, umzingelt uns. Vier Meter hohe Schneemauern, Powder bis zum Umfallen und eine Stadt, die im Schneechaos regelrecht versinkt.

Wir wohnen circa fünf Kilometer ausserhalb von Niseko. Unser geräumiges Appartement verfügt über alles, was sich in Japan als Standard definiert. Ein Reiskocher, beheizte Klobrillen, ein Wärmestrahler. Letzterer natürlich nur funktionstüchtig mit dem obligaten Singsang in Sopran 1. Leider wissen auch wir nicht, welcher Depp die Evolution der Heizstrahler soweit vorangetrieben hat, dass diese Dinger singen können. Dafür wissen wir sicher, dass unser werter Kollege erst mit seinem jämmerlichen Gejaule beginnt, wenn sein Tank leer ist und mit Treibstoff aufgefüllt werden will. Dies wiederum ist natürlich immer nur mitten in der Nacht der Fall, was dazu führt, dass die Anzahl der Freunde, die unser Wärmestrahler innerhalb unserer Crew sein Eigen nennen darf, von Nacht zu Nacht kleiner wird. Und dabei wäre es mit ihm so angenehm auszuhalten gewesen, hätte er einfach nur seinen Mund gehalten!

Nichtsdestotrotz packen wir uns einen Tag später in unser Auto und begeben uns auf die Suche nach den lang ersehnten Pillows. In Japan dürfte das ja wohl nicht weiter zum Problem werden, könnte man meinen. Schliesslich ist alles, was uns umgibt, ob jetzt links, rechts, unten oder oben, tiefer, weisser Powder. Aber wer blickt schon hinter die „dezenten“ Schneemassen? Auf Gut Glück klettern wir mal da mal dort über die weissen Wände und vergewissern uns, dass sich keine Schmankerl hinter dem Sichtschutz verbergen. Nicht all zu weit von unserer Base entfernt werden wir dann trotzdem fündig. Drei Lawinensperren. Tief verschneit natürlich. Wir ziehen die ersten Lines durch die japanischen Bumps, und plötzlich verhallt das Surren des Wärmestrahlers in ganz weiter Ferne. Wir wissen wieder, wieso wir hier sind, und warum wir snowboarden so lieben.

Daheim im Appartement erwartet uns Yato mit köstlicher japanischer Küche. Nicht, dass wir uns mittlerweile einen Koch leisten können, aber da sich Yato, der eigentlich unser Guide hätte sein sollen, kurz vor unsere Ankunft in Japan verletzt hat, nehmen wir ihn gerne als Koch in unsere Crew auf. Fast wie bei Mama! Schade nur, um die versäumten Stunden, die wir mit ihm am Berg hätten verbringen können.

Es hätte ein Tag wie jeder andere werden sollen. Beim Aufbruch zur täglichen Spotsuche zumindest ahnen wir noch nichts. Doch als wir nach vergeblichem Rumirren durch Schnee, Schnee und noch mehr Schnee plötzlich auf ein verlassenes Hotel stossen, merken wir, dass die langwierige Suche nicht umsonst gewesen sein kann. Vorsichtig begeben wir uns ins Innere des heruntergekommenen Baus. Mit weichen Knien erkunden wir Zimmer für Zimmer. Keiner will zuerst rein. Schliesslich haben wir alle herzlich wenig Lust darauf, etwas zu entdecken, was man lieber nicht entdecken will. Und eine Leiche hätte einfach nur allzu gut zum Ambiente dieses Gebäudes gepasst. Wir stossen auf feinsäuberlich zusammengefaltete Morgenmäntel eingekleidet in Spinnweben. Teeschalen schmücken den Boden und scheinen darauf zu warten, aufgefüllt zu werden. Doch weit und breit keine Menschenseele, die Grünen Tee in die Schalen hätte giessen können. Im Gegenteil, alles Reale scheint von einer Sekunde auf die andere aus diesem Hotel geflüchtet zu sein. In der Küche herrscht Chaos. Besteck, Dosen und Teller über den Boden verteilt. Selbst eine Bratpfanne rostet auf dem zwangsläufig ausrangierten Gasherd vor sich hin. In der Rezeption übersähen Gästekarten den schimmeligen Boden, und in den Schränken dahinter hängen immer noch die Uniformen der ehemaligen Angestellten. In einer Kiste finden wir fein säuberlich verpackte Aufnäher. „Lubedence“. Der edle Schriftzug verrät uns den Namen des Geisterhotels, und dass es wohl schon bessere Zeiten gesehen haben muss. Wir verlassen das Hotel, bevor uns die Dunkelheit in diesem schummerigen Ort einholt. Wie sehr uns der Besuch dieses Gebäudes geprägt hat, dafür spricht wohl der Titel unseres neuen Films…

Noch am selben Abend bekommen wir Besuch von J.T.. Er soll für die restliche Zeit unser Guide sein. J.T. ist seit je her ein treuer Begleiter der Pirates in Japan. Auch der Teil unserer Truppe, der ihn noch nicht kannte, freundet sich schnell mit dem ruhigen Japaner an. Schliesslich hat er seine Frau zurück gelassen und sich in seinen Pickup gesetzt, nur um zwölf Stunden später bei uns zu sein und uns mit einer hausgemachten Misou-Suppe zu beglücken. Zugegeben, wir merken während seiner Kochversuche schnell, wer normalerweise Herr in J.T.’s Küche ist. Die Zutaten für die Suppe in der einen, den Telefonhörer mit seiner Frau am anderen Ende der Leitung in der anderen Hand. Lauch, Tofu und Algen vermischen sich mit den Tipps aus der Telefonmuschel zu einer der besten Misou-Suppen, die wir je geschlürft haben. Danke an J.T…. und an seine Frau natürlich!

Unser nächstes kulinarisches Abenteuer heisst – wie könnte es in Japan auch anders sein – Sushi! Wir kehren Schneesturm und Pillowwahnsinn für einen Tag den Rücken und gönnen uns einen Abstecher ans Meer. Otaru ist das Ziel unserer Reise und beschert uns mehr oder weniger mediterrane Stunden am Ozean mitten im Winter! Die Wellen an Otarus Strand machen unmittelbar Lust auf Surfen. Und stellt euch vor, mit diesem Gedanken sind wir nicht die einzigen. Einige hundert Meter der Küste entlang treffen wir auf die ersten Nerds. Wir stehen im knietiefen Schnee in Snowboardoutfit, die Wollmütze fast bis zur durchgefrorenen, roten Nase runter gezogen und beobachten die paar Verrückten in Wetsuit. Glück gehabt, dass wir zum Snowboarden und Essen nach Japan gekommen sind! Denn das Tolle an dem eiskalten Wasser in Otaru ist, dass es uns mit Sushi bewirtet, das so frisch ist, man könnte fast meinen, die Fische wollen direkt wieder aus dem Reis hüpfen! Das Förderband beginnt zu rollen und wir geniessen Japans kulinarischer Exportschlager, bis die Tellertürme fast zu kollabieren drohen.

Zurück in Niseko vergeht die Zeit zwischen heissen Quellen und Powderturns wie im Flug. Bald essen wir mit J.T., Yato und seinen Mitbewohnern ein letztes Mal eine Ramen (japanischen Nudelsuppe; Anm. d. Red.), und schon wollen unsere Boardbags wieder gepackt werden. Doch damit eröffnen sich einmal mehr Probleme, die Snowboardtrips ja sonst schon zur Genüge mit sich bringen. Unser Gepäck passt nicht ins Auto. Marco, Jonte und Lucci müssen sich ein letztes Mal mit den Öffentlichen Verkehrsmittel in Japan anfreunden, um nach Sapporo zu gelangen. Wir verabschieden uns von Hausherren und Guides, setzen uns ins Auto und lassen uns von unserem Navigationsgerät nach Sapporo führen. Nach einer Nacht im Hotel fliegen wir zurück nach Tokio, wo sich unsere Crew wieder in zwei Teile spaltet. Für Marco und Jonte geht’s direkt zurück nach Hause. Basti, Schnipfel, Lucci und ich bleiben noch vier Tage in der Hauptstadt, um mit Gunjo, einem japanischen Breakdancer, einige Shots in den Kasten zu bekommen. Ihr wollt euren offenen Mund ebenfalls auf Gunjos Rechnung schreiben lassen? Checkt das Breakdance-Footage in unseren Movies!

Eigentlich schade, gerade jetzt, wo ich mich an grünen Tee, Stäbchen und den Klang der fremden Worte gewöhnt hätte, steht auch für uns der Aufbruch in die Heimat vor der Tür. Zu tiefst traurig über unsere bevorstehende Abreise stürzen wir uns ins Tokioer Nachtleben und hauen so massiv auf den Putz, dass aus der vermeintlich letzten, unsere vorletzte Nacht auf japanischem Boden wird. Zwei bis drei Sake zu viel, und unser Flieger hebt ohne uns gen Europa ab… Dageblieben sind wir trotzdem nicht. Aber auch nachdem wir uns einen Tag später rechtzeitig zum Check-In einfinden, bleibt unser einziger Wunsch, dieses Land so bald als möglich wieder besuchen zu dürfen.

INFOS
Flug: ANA (All Nippon Airways) fliegt ab München oder Innsbruck über Frankfurt nach Tokio. Von dort aus nehmt ihr einen Innlandflug nach Sapporo

Telefon: Am Flughafen in Tokio könnt ihr zu fairen Preisen PDC-konforme Mobiltelefone ausleihen. Glaubt mir, früher oder später seid ihr dankbar dafür

Geldautomat: Haltet nach „Postoffices“ Ausschau. Dort könnt ihr normal mit EC-Karte Geld abheben

Mietauto: Bucht euer Auto am besten schon vor eurem Abflug. Ihr erspart euch so viel unnötigen Stress in Sapporo

Wohnen: In Niseko gibt es einen Haufen preiswerter Lodges. Die meisten Besitzer sprechen Englisch. Checkt das World Wide Web!

Essen: Neben den etwas teureren Sushi oder Korean Barbeque Restaurants, könnt ihr euch in zahlreichen Nudel- und Suppen-Geschäften ab 5,- Euro den Bauch voll schlagen

Tipp: Falls das Wetter tagsüber nicht richtig will, hebt eure Kräfte bis zum Abend auf. Von 17.00 bis 21.00 Uhr könnt ihr die Pillows neben der Piste im Flutlicht shredden und den Tag anschliessend in einer der unzähligen „Onsen“ ausklingen lassen

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