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Travel Storys

Mt. Baker

Spontane Unternehmungen liegen mir. Und diese Reise fällt definitiv unter die Kategorie „sehr spontane Unternehmung“! Ein Trip in die USA oder nach Kanada schwebte mir schon seit geraumer Zeit vor. Da der März von schlechtem Wetter und unsinnigen Aktionen im Schnee geprägt war, fühlte ich ein starkes Verlangen nach einem guten Abschluss der Wintersaison 2008. Ich hängte mich also hinters Telefon und startete eine Rundrufaktion, um herauszufinden, wer die beste Idee für ein Shooting hatte. Nach einem kurzen Gespräch mit Völkl-Fahrer Alex Schmaltz und Daryl Hefti von Yeahh Film Productions stand fest, dass ich eine Reise zum Mt. Baker im amerikanischen Bundesstaat Washington organisieren sollte. Und das in nur zwei Wochen.

Ankunft
Unglaublich, was man unter Zeitdruck und mit der entsprechenden Motivation alles erreichen kann! In nur einer Woche schaffte ich es, von diversen Sponsoren der teilnehmenden Fahrer ein Reisebudget aufzustellen, welches mir diesen Trip überhaupt erst ermöglichte. Der Flug an die nordamerikanische Westküste und ein Aufenthalt von drei Wochen waren hiermit gesichert.

Unsere kleine Crew bestand aus Alex Schmaltz, Tonton Holland, Julien Haricot, Arthur Longo und dem Filmer Daryl Hefti, die alle schon eine Woche früher geflogen waren und vor Ort bereits Unterkunft und Mietwagen organisiert hatten. Eine Woche später sass auch ich im Jumbo nach Vancouver. Hier stellt sich die berechtigte Frage „Warum Vancouver und nicht Seattle – Mt. Baker liegt doch in den USA und nicht in Kanada?“. Mein Plan war aber, zehn Tage in Mt. Baker mit dieser Crew und danach noch mit einer weiteren Crew zehn Tage im kanadischen Squamish zu shooten. Deswegen war Vancouver die beste Ausgangsposition für meine Tour, weil ich mit dem Auto von Vancouver genauso lang nach Baker unterwegs war wie von Seattle.

Als ich nach anderthalb Stunden Autofahrt endlich in Mt. Baker ankam, war meine 22-stündige Reise fürs Erste beendet und ich konnte endlich das kleine Blockhaus beziehen, das für den Rest des Aufenthalts als Unterkunft dienen sollte. Es war bereits spät am Abend und der Rest der Crew lag nur deswegen schon im Bett, weil für den nächsten Tag hervorragendes Wetter vorhergesagt war, was für diese Region sehr untypisch ist.

Tag 1: der perfekte Tag
Ein süsslicher Kaffeeduft und ein lautes „Bluebird!“ rissen mich aus meinem unruhigen Schlaf. Es erinnerte mich an meine Zeit beim Bundesheer, wo man mit einem knackigen „Tagwache!“ geweckt wird. Der gravierende Unterschied: Hier freute ich mich aufs Aufstehen. Als ich am Vortag angekommen war, war es bereits dunkel, dementsprechend geschockt war ich nun über den Anblick der schneelosen Landschaft.

Mit dem Auto machten wir uns auf den halbstündigen Weg Richtung Mt. Baker. Von Minute zu Minute änderte sich meine Schockstarre in Hochstimmung. Wir starteten bei null Schnee und wurden am Parkplatz der „White Salmon Lodge“ aus fünf Meter hohen Schneewänden ausgespuckt, die sich neben der Serpentinenstrasse auftürmten. Nicht einmal in Japan hatte ich solche Wälle aus Schnee zu Gesicht bekommen.

Wir schrieben Anfang April und das Gebiet war unter der Woche wegen Umweltauflagen geschlossen und öffnete nur am Wochenende seine Pforten. Wir kamen also nicht um einen Hike herum, falls wir das schöne Wetter und die Massen an Schnee ausnutzen wollten. Wir hatten das Glück, bereits nach einem 20-minütigen Aufstieg eine geeignete Landung für einen Kicker zu finden, was an diesem Tag nicht selbstverständlich war. Ein Dutzend anderer Snowboard-Crews tat es uns gleich und stapfte zu Fuss mit aufgeschnallten Boards von Spot zu Spot. Für uns sollte mein erster Tag am Mt. Baker der beste des gesamten Aufenthalts werden.

Nach sorgfältiger Prüfung und Abschätzung der Schneelage packten wir unsere Schaufeln aus und begannen mit dem Projekt „Mega-Kicker“. Nach drei Stunden Schufterei unserer sechsköpfigen Mannschaft waren die Jungs bereit, den Sprung anzutesten, der die Ausmasse eines ausgewachsenen Park-Kickers angenommen hatte.

Nach einigen Speed Checks stellte sich heraus, dass wir einen perfekten Hit mit einem perfekten In-Run gebaut hatten, dessen Landung ebenfalls an pure Perfektion grenzte – fast schon zu perfekt! Dazu wurden wir den ganzen Tag von Bluebird beglückt. Was will man mehr?! Ach ja, perfekt gelandete Tricks zum Beispiel als Sahnehäubchen. Und so startete eine Session, wie ich sie noch nie im Backcountry erlebt hatte!

Jeder von uns holte sich seinen Shot. Daryl und ich waren uns einig, dass dies die beste und produktivste Session der gesamten Saison war. Am Ende des Tages hat ten Alex, Tonton, Julien und Arthur mindestens jeweils zehn Sprünge auf ihrer Liste abgehakt, also hatte dieser eine Kicker mehr als 40 Jumps und 40 Landungen überstanden. Und das im Backcountry! Erst als die Beine durch die ständigen Hikes ihren Dienst versagten, war Schluss mit lustig.

Tag 2: das Nadelöhr
Wir waren alle ausgelaugt von der gestrigen Session und das Wetter spielte auch nicht mehr ganz so gut mit. Deswegen genossen wir am nächsten Morgen erst mal ein ausführliches amerikanisches Frühstück. Da wir am Vortag diesen perfekten Spot gefunden hatten und uns natürlich in der näheren Umgebung nach weiteren geeigneten und unverspurten Landungen umgeschaut hatten, wussten wir genau, was unsere nächste Mission sein würde: exakt derselbe Spot! Gleich neben unserer zerbombten Landung wartete noch ein jungfräuliches Schneefeld. Das einzige, wenn auch interessante Problem an diesem Flecken waren die Tannen, welche hier und da in der Landung standen.

Keiner von uns wollte mehr schaufeln als nötig, also bauten wir nur einen kleinen Jump mit einem grossen Kick, der unsere Fahrer in entsprechende Höhen katapultieren sollte. Das Problem bei solchen Woos ist nur, dass es durch die Kompression sehr schwierig ist, kontrolliert abzuspringen. Dazu kam noch das Nadelöhr zwischen den Tannen, durch das die Jungs springen mussten und das gerade mal zwei Board-Längen breit war.

Daryl bezog mit seiner 16-Millimeter-Kamera Position an einem der Bäume und ich stellte mich an das Ende der Landung, weil die Rider in Höhe der Baumkrone durch das Nadelöhr fliegen würden und es von meinem Standort aus noch massiver wirkte. Alex war der Motivierteste an diesem Tag und hikte diesen Kicker gut und gerne über zehnmal. Sein Fülle an Tricks fing bei Frontside 180’s an und endete mit einem sauber gestandenen Frontside 720°.

Und das jedes Mal haarscharf an einer schmerzhaften Berührung mit einem der Nadelbäume vorbei. Ein unglaubliches Feingefühl und eine Ausdauer hat der Schmaltz, Respekt! Der ein oder andere Streifschuss liess sich allerdings nicht vermeiden. Immer wenn einer der Jungs zu weit nach rechts oder links flog – und da war wirklich nicht viel Platz –, wurde ein Baum um ein paar Nadeln, Zweige oder gar Äste erleichtert.

Tag 3: grüne Hölle statt Schneewüste
Am nächsten Morgen prasselte vor unserer Haustür der Regen in Strömen runter. Dennoch wollten wir auf den Berg, denn die Temperaturen waren viel versprechend und wir rechneten mit Neuschnee. Keiner wusste aber zuverlässig, wie viel oder wie stark es schneien würde. Am Parkplatz der „Salmon Lodge“ mussten wir feststellen, dass von Neuschnee nicht die Rede sein konnte und uns ein aufkommender Sturm einen Strich durch die Rechnung machen würde. Nachdem wir über eine Stunde im Auto auf bessere Bedingungen gewartet hatten, gaben wir die Hoffnung auf und machten uns auf den Weg zurück zu unserer Blockhütte.

Auf dem Weg nach Hause stach mir dieses satte Grün ins Auge und erst bei näherem Hinsehen erkannten wir diese abgefahrenen moosbewachsenen Bäume am Strassenrand. Wir kamen uns vor wie im tiefsten Regenwald! Dieser surreal wirkende Flecken Erde bot sich perfekt für Natur- und Lifestyle-Fotos an. Meine Devise lautet schliesslich „One shot a day“ und ich hatte mir fest vorgenommen, sie zu erfüllen. Tonton und Alex liessen sich dann auch spontan zu einem Photoshooting im „Urwald“ überreden.

Ab Tag 4: Musik, Steaks und Bier
Wieder dieses warme Regenwetter, ein schlechtes Zeichen. Weil wir keine Lust hatten, wieder eine dröge Stunde im Auto zu schmoren, um dann garantiert enttäuscht zu werden, beschlossen wir, einen gemütlichen Shopping- und Internet-Tag einzulegen. Das mit dem Internet mussten wir dann aber erst mal verschieben, weil sich herausstellte, dass das Worldwide Web noch nicht in jeden Winkel der Erde Einzug gehalten hatte. Nach einer mehr oder minder erfolglosen Shopping-Tour wollten wir zumindest am Abend die Vorzüge dieser Einöde geniessen. Dazu bot sich das lokale Steak- und Burger-Restaurant an, in dem just an diesem Abend eine geniale Bluegrass-Band den Gaumenschmaus musikalisch untermalte.

Die Country-Klänge versetzten uns in eine Zeit zurück, als statt röhrender V8-Pick-ups noch Planwagen und Pferdegespänne das Strassenbild bestimmten. Die alten Holzvertäfelungen und die westernartige Einrichtung erweckten fast den Eindruck, als würde jede Sekunde Billy the Kid durch die Tür treten.

Die nächsten Tage blieben unverändert. Der ausbleibende Schnee und das warme Klima trugen nicht gerade zur Verbesserung der Schneeverhältnisse am Mt. Baker bei. Das Gebiet war am Wochenende zwar geöffnet, wodurch man mit den Liften noch weiter ins Gelände vordringen konnte, allerdings war die Hölle los und jede unberührte Stelle wurde sofort von Locals zu ihrem Eigentum deklariert. Ein Method Drop von Tonton war das Höchste der Gefühle.

So ist das halt in dieser Region, man kann sich echt glücklich schätzen, wenn man einen schönen Tag erwischt. Erwähnenswert sind noch die letzten beiden Tage. Ich musste unbedingt noch ein paar Aufnahmen in den Kasten bringen und übte deswegen ein wenig Druck aus.

Wir konnten auf einige ansehnliche Kicker- und Backcountry-Shots stolz sein, aber bei einer guten Story darf der eine oder andere Jib-Shot nicht fehlen. Schon vom ersten Tag an faszinierten mich die massiven Schneewände neben der Bergstrasse, die wir täglich auf dem Weg zum Gebiet passierten. So suchten wir einen geeigneten Spot für einen Wallride, was sich als nicht so einfach herausstellte. Von einer natürlichen Anfahrt mal abgesehen gab es auch nicht viele Plätze, wo man sicher hätte landen können.

Wir wurden nach einigem Suchen doch fündig, nur mussten wir einen Strassenabschnitt von circa 100 Metern präparieren, um eine reibungslose Tow-in-Aktion durchziehen zu können. Der kleine Kicker vor der Wall manövrierte Alex und Tonton auf gute vier Meter über der Strasse. Die Jungs fanden einigen Spass an dem Obstacle, obwohl die Landung mehr als dürftig war. Und ein Drop aus vier Metern ins Flat verzeiht kein Knie so gerne.

Der letzte Tag zeigte sich wechselhaft, aber es war genug Motivation da, um die Jungs noch mal aus der Reserve zu locken. Sie wollten das Road Gap ein zweites Mal angreifen, welches sie vor meiner Ankunft schon angerissen hatten. Damals wurden sie allerdings durch schlechtes Wetter vertrieben. Leider ergab die Inspektion der Landung, dass sie diesen zweiten Versuch ebenfalls abblasen mussten: Der Schneefall der vergangenen Tage hatte die Landung zu sehr abgeflacht und jeder Versuch wäre einem Bombeneinschlag gleichgekommen. Aber just ein paar Meter die Strasse weiter fanden wir einen idealen Spot, an dem Tonton und Alex den Asphalt doch noch per Kicker überqueren könnten, ohne sich die Knie hinter die Ohren zu biegen. Der einzig gestandene Versuch, ein klassischer Frontside-3er, ging wiederum an Alex, zugleich unser Abschiedsgruss. Was wäre auch ein Mt.-Baker-Trip ohne den obligatorischen Road Gap Shot?!

Good-bye
Nach zehn Tagen Mt. Baker trennten sich unsere Wege. Tonton, Arthur, Julien und Daryl reisten wieder zurück nach Europa, Alex und ich trafen uns mit der anderen Crew in Squamish, um dort für weitere zehn Tage auf den Putz zu hauen. Aber das ist eine andere Geschichte…

Wer einen Trip nach Mt. Baker plant, der sollte seine Reise für die Hauptsaison buchen. In der Nebensaison, sprich im Frühjahr, gibt es zwar in Hike-Distanz extrem coole Spots, aber per Lift lässt sich das Gebiet immer noch am besten erforschen.

Was mir besonders in Erinnerung geblieben ist, sind die Vögel. Die leben hier nicht auf Bäumen, sondern tummeln sich zu Scharen auf der Strasse und reagieren unglaublich langsam. Obwohl wir vorsichtig gefahren sind, haben wir sicher ein Dutzend Vögel überfahren. Mir ist es so vorgekommen, als würden sie uns gar nicht bemerken. Wir haben einen Local gefragt, was es mit den Vögeln denn auf sich hätte, und er meinte, dass die Regierung nicht wie üblich Salz streuen, sondern irgendein anderes Zeug verteilen würde, um die Strassen zu enteisen.

Und darauf scheinen die Vögel voll abzufahren und werden stoned…

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