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Travel Storys

Antarctica

Die meisten Menschen haben Träume. Mein Traum war es mit dem Snowboard die Antarktis zu erkunden. Beinahe zwei Jahre ist es jetzt her, dass ich einen Trip in die Antarktis geplant hatte. In diesen zwei Jahren ging vieles schief, doch im November 2009 war es dann endlich so weit und ich war auf dem Weg Richtung Südpol. Ich hatte meine Kameras, Xavier De Le Rue und Jeremy Jones mit dabei. Ich lebte meinen Traum.

06.11.
Endlich war es so weit! Die „Clipper Adventurer“ glitt durchs Meer auf dem Weg zur Antarktischen Halbinsel. 18 lange Monate hatte ich auf diesen Augenblick gewartet. Ich war schon vor einem Jahr für diese Reise bereit gewesen, doch das Schiff hatte einen Schaden erlitten und der Trip musste abgesagt werden. Jetzt, da wir aus dem Hafen von Ushuaia in Argentinien ausliefen, fühlte es sich wie ein Sieg an. Die Tatsache, dass wir den Beagle-Kanal hinunterfuhren, also wirklich auf der Reise waren, versetzte uns in eine ausgelassene und beinahe euphorische Stimmung. Wir waren auf dem Trip unseres Lebens!

07.11.
Im Laufe der Nacht passierten wir Kap Hoorn und befanden uns auf offener See. Die Drake-Passage ist eine der stürmischsten Wasserstrassen der Welt. Die Wellen erreichen oftmals eine Höhe von zehn, teilweise sogar 15 Metern! Wir hatten jedoch Glück, der Seegang betrug lediglich drei bis fünf Meter. Trotz des vergleichsweise geringen Wellengangs schaukelte das Schiff schwer hin und her. Die Kombüse hatte hohe Einbussen beim Geschirr zu verzeichnen, auch den Passagieren erging es nicht viel besser. Einige wenige erschienen zum Frühstück, nur um auf dem Absatz kehrtzumachen und wieder in ihren Kabinen zu verschwinden. Xavier hatte es ebenfalls übel erwischt. Er fand heraus, dass der beste Weg, um mit der Seekrankheit umzugehen, darin bestand, regungslos auf dem Bett zu liegen. Filme zu schauen sowie ungezählte Male den Magen zu entleeren, mehr war nicht drin für Mr. De Le Rue an diesem Tag. Ich weiss nicht, ob es an den Pillen gegen die Seekrankheit lag oder an der Seekrankheit selbst, die meisten Passagiere waren ausserordentlich still und es gab nicht viele lächelnde Gesichter zu sehen.

08.11.
Unser Produzent hing über der Reling und übernahm die Rolle des Seekranken, so dass Xavier zusammen mit Jeremy ein paar Interviews auf der Brücke geben konnte. Später ging ich gemeinsam mit Xavier in den kleinen Fitness-Raum. Eine halbe Stunde Spinning reichte aus, um uns ordentlich ins Schwitzen zu bringen. Kurz bevor wir unsere Trainingseinheit abschliessen konnten, machte der Kapitän die Durchsage, dass steuerbord Wale gesichtet worden seien. Jeder rannte mit der Kamera in der Hand an Deck, um ein paar Schnappschüsse zu machen. Als wir uns später zum Dinner trafen, machten alle wieder einen gesünderen Eindruck, die Seekrankheit schien vergessen. Ein paar Biere zusammen mit Xavier und Jeremy waren der perfekte Weg, um eine gute Atmosphäre zwischen den Fahrern und der Filmcrew zu schaffen. Was für ein Dream Team! Mit Xavier und Jeremy hatten wir zwei der besten Freerider am Start, gute Leute hinter den Kameras und sogar der Produzent und Regisseur von „Relentless“ war dabei.

09.11.
An diesem Morgen wurde ich von der Stimme des Kapitäns geweckt: „Hallo, hier spricht der Kapitän. Wir haben soeben die Antarktis erreicht.“ Ein überwältigender Anblick erwartete uns, als wir an Deck kamen: blauer Himmel, grosse Berge und gewaltige Gletscher. Jeremy scannte bereits das Gebiet auf der Suche nach Lines. Es gab so viele Möglichkeiten, zugleich aber erschwerten die riesigen Gletscher den Zugang.

Eine Stunde später ankerten wir mit unserem Zodiac an einer Stelle namens Ciervo Cove. Die atemberaubende Bucht war von 2.000 Meter hohen Bergen umrundet. Aus der Ferne sah der Berg, den wir uns ausgesucht hatten, wirklich gut aus. Je näher wir jedoch kamen, desto schroffer und abschüssiger wurde er. Also weiter suchen!

Unser erster Run war dann jedoch ein grossartiger Warm-up. Die Schneebedingungen auf der 45 Grad steilen Abfahrt waren nicht perfekt, aber es machte riesigen Spass, Jeremy und Xavier dabei zuzuschauen, wie sie jeden einzelnen Turn in der Antarktis genossen. Später am Nachmittag fuhren sie mehrere kleine Lines, die jedoch mehr für die Kameras als für sie selbst gedacht waren. Ich war glücklich. Aus Sicht der Fotografen und Kameraleute war dieser erste Tag ein grosser Erfolg, viel erfolgreicher, als wir erwartet hatten.

10.11.
Über Nacht waren wir durch den Neumayer-Kanal Richtung Wiencke- und Anvers-Insel gefahren. Die Sicht war sogar noch besser als am ersten Tag. Alle Runs waren von mächtigen Gletschern umgeben, die den Zugang zu einigen von ihnen unmöglich machten. Jeremy und Xavier hatten sich ein spezielles Face auf der Anvers-Insel ausgeschaut. Der Anstieg auf das 450 Meter hohe Face nahm anderthalb Stunden in Anspruch. Als die Jungs den Gipfel erreichten, bemerkten sie, dass der Run viel steiler war, als sie vermutet hatten. Das steilste Stück war 60 Grad steil, der einfachste Part hatte immer noch rund 55 Grad. Das Licht verschwand schnell, Jones und De Le Rue machten so schnell, wie sie konnten. Sie wussten, wie wichtig das Licht für die Filmer und Fotografen war. Jeremy droppte als Erster in den sonnigen Hang und zog seine Big Ass Turns in den Schnee. Wenn man J.J. so zuschaute, wäre man nie auf den Gedanken gekommen, dass er einen 60 Grad steilen Hang hinab fuhr. Als sie danach ihre smoothen Lines im antarktischen Schnee betrachteten, meinten sie nur: „Ein unglaublicher Run!“

Noch während wir unser Equipment verpackten, bekamen wir über Funk schlechte Nachrichten zu hören. Einer der amerikanischen Passagiere war in eine Gletscherspalte gestürzt und hatte sich beide Beine gebrochen. Wir wurden gebeten, so schnell wie möglich zum Schiff zurückzukehren. Zum Glück hatten wir ein paar gute Shots in den Kasten bekommen, denn nun war es natürlich wichtiger, dass sich um den Verletzten gekümmert wurde. Später fanden wir heraus, dass er okay war, jedoch so schnell wie möglich zur ärztlichen Behandlung in ein Krankenhaus gebracht werden musste. Das Schiff nahm Kurs auf eine brasilianische Forschungsstation, wo am nächsten Tag ein Flugzeug den Patienten mitnehmen sollte. Auf der einen Seite war es ziemlich beschissen, dass wir am nächsten Tag nicht vor dem späten Nachmittag zum
Fahren und Shooten kommen würden, auf der anderen Seite war es eine gute Möglichkeit, ein wenig zu entspannen und ein Bier zu geniessen.

11.11.
Es war gegen 18 Uhr, die Sonne ging schon langsam unter und wir sassen im Zodiac und checkten einige Couloirs ab, die auf der Livingstone-Insel zur Half Moon Bay hinabführten. Kurz vor 21 Uhr sass ich auf halber Höhe des Couloirs und wartete darauf, dass die Fahrer sowie die Filmcrew startklar waren. Leider trat uns die Natur kräftig in den Hintern, wir waren zu langsam und verpassten das Sonnenlicht. Nachdem Jeremy und Xavier das 50 Grad steile Couloir hinunter„geflogen“ waren, waren wir an der Reihe, uns wieder sicher nach unten zu bringen. Der Untergrund war leicht vereist, ich fühlte mich mit meinem schweren Kamerarucksack in der Bindung nicht allzu wohl. Zum Glück hatte ich meine Eisaxt dabei, allein diese in der Hand zu halten half mir, mich ein wenig zu entspannen. Das war bisher unsere erste wirkliche Enttäuschung auf unserem Trip. Wenn dir nur sechs Tage in der Antarktis zur Verfügung stehen, willst du keinen davon verschwenden. Schon gar nicht, wenn das Wetter gut ist.

12.11.
Was zur Hölle war denn das? Der Blick vom Frühstückstisch aus dem Fenster bot einen ungewohnten Anblick: wolkenverhangener Himmel statt Blue Bird.

Die Wolken hingen aber nicht allzu tief, so dass wir uns entschieden, die Boards in das Zodiac zu packen und loszuziehen. Nach einer Stunde Suchen fanden wir diese abschüssigen und engen Couloirs, die bis ans Meer führten. Die Fahrer waren ziemlich gestoked, wir waren wieder „back in business.“ Nach einem Aufstieg, für den wir Steigeisen und Eisäxte zur Hilfe nehmen mussten, fuhren Xavier und Jeremy einige Runs. Der Ausblick von dort oben mit dem offenen Meer im Hintergrund war atemberaubend. Livingstone Island zeigte sich uns an diesem Morgen von der schönsten Seite. Kurz vor dem Mittagessen fuhren
wir noch einen Run auf die andere Seite hinab, wo sich hunderte von Pinguinen und einige Robben tummelten. Es war ein grossartiges Gefühl, die Abfahrten keine fünf Meter von diesen erstaunlichen Geschöpfen entfernt zu beenden.

Am Nachmittag zogen wieder Wolken auf. Unbeeindruckt davon entschieden wir uns für einen weiteren Hike, um noch einige Close-ups und Porträts zu machen. Bis wir auf dem Gipfel ankamen, war der Himmel endgültig zugezogen. Mittlerweile war auch Wind aufgekommen, der uns fast vom Gipfel fegte – es war Zeit, auf die „Clipper Adventurer“ zurückzukehren für ein weiteres grandioses Dinner. Auf dem Rückweg wollte Xavier diese eine kurze, steile Line fahren. Glücklicherweise blieb ich hinter ihm und shootete ihn auf seinem Nachhauseweg. Ein grossartiger Tag, der mit diesem wirklich schönen Schwarz-Weiss-Shot gekrönt wurde!

Später am Abend schlürften wir noch ein paar Bier an der Bar. Unser Barkeeper Burke, ein ziemlich cooler Dude aus Venezuela, empfahl uns ein Beagle, ein Bier, das es in verschiedenen Geschmacksrichtungen gibt: dunkel, Ale, rot… Seit jenem Abend ist Beagle mein neues Lieblingsbier!

13.11.
Während die Jungs in das Zodiac sprangen, machte ich einige Aufnahmen von ihnen. Mein Plan war es, an Bord zu bleiben, um die erste Line des Tages vom Schiff aus zu shooten. Mit meiner 600-Millimeter-Linse hatte ich den perfekten Winkel zu dem Face, das 500 bis 700 Meter vom Schiff entfernt war. Xavier liess sich unterhalb von dem Face, das direkt am Meer lag, absetzen. Alles ging gut, bis Jeremy über Funk durchgab: „Wir brauchen ein Zodiac, das uns abholt!“ Gewaltige Eisstücke brachen ab und stürzten ins Meer. Zum Glück waren die Jungs zehn Meter von der Abbruchstelle entfernt. Das war ein deutliches Zeichen – wir beschlossen, es an diesem Morgen langsam angehen zu lassen. Wir begnügten uns mit ein paar Interviews und Porträts neben einer Weddellrobben-Familie.

Während wir unser Gourmet-Lunch genossen, fuhr das Schiff weiter zur nächsten Bucht vor King-George Island. Es wurde wärmer und das Terrain sah nicht so verlockend aus wie in den ersten Tagen. Vielleicht wurden wir auch einfach nur müde, bei mir jedenfalls war es so. Wir hikten ein paar hundert Meter, um ein paar Couloirs zu shooten. An diesem Nachmittag fing ich nichts Besonderes mit meiner Kamera ein, lediglich einige durchschnittliche Shots, die unter anderen Umständen wirklich aussergewöhnlich gewesen wären. Jedoch hatten wir bisher so viel Glück mit dem Wetter und dem Schnee gehabt, dass ich langsam anfing, ein wenig wählerisch zu werden.

Abends war es dann Zeit für die „Weisse Party“, bei der sich jeder in einen weissen Dress schmeissen musste. Obwohl wir noch einen Tag übrig hatten, war jeder aus der Crew am Start. Ich glaube, White Russian war der Drink des Abends. Ich war fix und fertig, dennoch versuchte ich, wenigstens ein bisschen zu feiern. Kurz nach Mitternacht gab ich auf und fiel ins Bett. Die anderen liessen es noch ordentlich krachen. Xavier war der Letzte, was ihm am nächsten Tag zu schaffen machen sollte.

14.11.
Blue Bird, Frühstück um 6:30 Uhr und sogar Xavier war nach der langen Party am Vorabend mit dabei. Der Schnee sah nicht besonders gut aus, zum grössten Teil verweht und hart. Wir gingen los und gaben unser Bestes, um das noch fehlende Filmmaterial zu bekommen. Nach einer Viertelstunde wurde uns klar, dass der Schnee oben wirklich schlecht war. Anstatt
noch höher zu steigen, blieben wir nahe am Meeresspiegel. Hier konnten wir einige kurze und abschüssige Lines shooten. Nach ein paar Warm-up-Runs wollte Xavier einen extrem steilen Run fahren. Der Einstieg war jedoch ziemlich eisig, so dass Jeremy ihn am Seil hinunterlassen musste. „Der beste Weg, um einen Hang-over loszuwerden..!“, sagte Xavier nach diesem Run. Es war definitiv sein steilster auf diesem Trip, mehr als 65 Grad, so seine Schätzung.

Das war so ziemlich die letzte Line auf diesem Trip. Es war an der Zeit, die Kameras einzupacken, zum Schiff zurückzukehren und Richtung Ushuaia aufzubrechen. Bevor ich in das Zodiac stieg, hob ich einen Brocken Eis vom Boden. Es war wie eine Art Ritual, als ich das Eis in den Mund steckte. Ich war müde, aber extrem gestoked. Dies war der Trip meines Lebens.

15.11.
Die Drake-Passage war wirklich ruhig. Der Seegang betrug nur wenige Meter und die Fahrt war daher entspannt. Burke hatte alle Hände voll zu tun hinter seinem Tresen, die Leute orderten Drinks am laufenden Band. Es war Zeit zu relaxen und unsere erfolgreiche Reise zur Antarktischen Halbinsel zu feiern.

16.11.
Wir erreichten Kap Hoorn, wo schon so viele Schiffe an den Klippen zerschellt waren. Das Meer war immer noch ruhig und ich begann fast, einen grossen Sturm zu vermissen, der das Ende unseres Trips noch dramatischer gemacht hätte. Als wir uns dem Beagle-Kanal näherten, gingen wir vor Anker und verbrachten die letzte Nacht auf dem Schiff mit gutem Essen und Drinks.

17.11.
Wir erreichten den Hafen von Ushuaia früh am Morgen. Es war Zeit, sich von der „Clipper Adventurer“ zu verabschieden. Ich weiss nicht, ob ich jemals wieder in der Lage sein werde, einen solchen Trip zu erleben. Nach der Enttäuschung im letzten Jahr war dies der perfekte Weg, die Antarktis zu erfahren bzw. zu befahren. Es war an der Zeit, nach Europa zurückzukehren.

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