Als Magazin ist es unsere Aufgabe, über Ereignisse und Persönlichkeiten zu berichten, und das schon fast seit zwei Jahrzehnten. Selbstdarstellung gehört nicht zu unseren Aufgaben, doch heute machen wir eine Ausnahme und öffnen das Archiv unseres MBM-Auges, das seit einem Jahrzehnt überwieged die europäische Snowboard-Szene beobachtet. Mit dem Nebenjob während des Zivildienstes als „Mädchen für alles“ nahm die Geschichte ihren Lauf. Heute ist der Bursche, der damals nicht mal wusste, was den Unterschied zwischen RGB- und CMYK-Farben darstellt, unsere Cheffe. In den letzten zehn Jahren hat er auf seinen Reisen im Auftrag des MBM mit Sicherheit mehr gesehen und erlebt, als viele andere in ihrem ganzen Leben sehen und erleben werden. Immer mit dabei: seine Kamera. Auf den folgenden Seiten lädt euch Basti Gogl zum zehnjährigen Fotojubiläum zum Bildergucken ein und plaudert dazu aus dem Nähkästchen.
MBM 84 FEB 2002
R: Vinzenz Lüps; Tr: Inverted Fs 720° Melon; Loc: Berninapass/CH
Zu verrückt, um Snowboarder zu sein, das beschreibt Vinz wohl am besten. In meinen Augen war er der talentierteste deutsche Snowboarder seiner Zeit. Er war nicht nur ein Ausnahmetalent auf dem Brett, sondern vor allem eine Ausnahmeerscheinung in seinem Wesen. Unsere gemeinsamen Diskussionen, seine wirren Gedankengänge und seine teils durchgeknallte Attitüde liessen unsere gemeinsamen Trips zu unglaublich schrägen Filmen werden. Leider zeigte das Beispiel Vinzenz Lüps, dass Snowboarder in ihrer gepflegten Individualität am Ende vom Lied doch eher Stereotypen sind. Vinz war einfach zu viel für Snowboarden und schoss sich leider durch seine Persönlichkeit in der Szene ins Abseits. 2007 entschwand er fast schon über Nacht aus dem Snowboard-Geschehen. Diese Sequenz entstand im Frühjahr 2002 im Rahmen eines Pässe-Trips am Berninapass. Mit dem Trick kassierte Vinz nicht nur das MBM-Cover, sondern auch das beigelegte Poster der gleichen Ausgabe.
MBM 112 OKT 2005
R: Markus Keller, Stephan Maurer, Roman Marti, Diego Koch; Loc: Narvik/N
Es gibt Momente im Leben, über die man einfach lieber lachen als sich ärgern sollte. Genau solch ein Moment, der kalte zweieinhalb Stunden dauerte, war die Geburt dieses Fotos. Als wir diesen Bergrücken vom Betrachterpunkt aus sahen, wollten wir die Aufnahme machen. Es waren keine Spuren im Schnee zu sehen, weshalb wir das Gefälle nicht einschätzen konnten. Die vier Jungs machten sich also auf den Weg, während Filmer Humbi von MMP und ich auf dem Gipfel warteten. Der Wind fegte die Kälte durch unsere Klamotten und liess das Warten zur echten Herausforderung für uns werden. Kurz vor dem Gefriertod bauten Humbi und ich einen Mini-Shred auf dem Gipfel und sprangen One-footer und sonstigen Schabernack, um zu überleben. Endlich, nach zweieinhalb Stunden hatte das Warten ein Ende und die Jungs tauchten am Gegenhang auf. Per Walkie-Talkie erreichte uns die Botschaft, dass der Rücken so flach wäre, dass sich das Filmen nicht lohnen würde. Und tatsächlich, die vier Schweizer krochen nach dem Drop-in den Berg hinunter, so dass ich tatsächlich genug Zeit hatte, mein Objektiv während der Straight Line zu wechseln. Zum Glück waren wir ein Haufen Chaoten, die über sich selber lachen konnten! Das Foto wurde nicht nur im MBM abgebildet, sondern auch in anderen europäischen und amerikanischen Magazinen.
MBM 85 MRZ 2002
R: Thomas „Beckna“ Eberharter; Tr: Spray; Loc: Furtschellas/CH
Dieser Spot in Furtschellas war Liebe auf den ersten Blick! Ich sah diesen Felsrücken in der Abendsonne rötlich schimmern und konnte nicht eher von dannen ziehen, bevor ich nicht einen Spray an diesem Spot fotografiert hätte. Beckna, die alte Berggams, strappte sich das Board unter die Füsse und verabschiedete sich mit einem „Dudeldidö!“ per Straight Line in Richtung Felsrücken. Er bretterte mit mächtig viel Speed in die Sonne, um einen fetten Spray setzen zu können. Beim Übergang auf den Rücken übersah er aber die Bodenwelle und wurde ausgehebelt. Beckna rettete irgendwie die Situation und zog per Tail Wheelie den Spray durch den Schnee. Trotz der misslungenen Aktion liebe ich dieses Foto. Jedes Mal wenn ich zurück in Furtschellas bin und der Schnee passt, muss ich einen Spray auf diesem Felsrücken fotografieren. Weitere Fahrer, die ebenfalls von der Bodenwelle vor dem Felsrücken überrascht wurden, sind Steve Gruber und Stephan Maurer.
MBM 116 FEB 2006
R: Gigi Rüf; Tr: Bs Air; Loc: Diedamskopf/A
Was kann man über Gigi sagen, was noch nicht gesagt wurde? Vielleicht, dass Gigi die perfekte Mischung aus „Engelchen links und Teufelchen rechts“ ist. Auf der einen Seite ist er freundlich, hilfsbereit, clever und in puncto Snowboarden ein absoluter Workaholic, auf der anderen ist Gigi ein riesiges Schlitzohr, das ständig seine Grenzen und oft auch die der anderen neu auslotet. Zudem hat er, wie wir alle wissen, einen der besten Styles des Planeten für sich gepachtet. Diese Komponenten gepaart mit Gigis brillanten Riding-Skills und seinem Gefühl für den Berg lassen den Vorarlberger zu einer absoluten Ausnahmeerscheinung auf dem Brett werden. Das Schönste an Gigi ist jedoch, dass er trotz seines Erfolgs immer noch der Alte geblieben ist. Was mir aber viel mehr Freude bereitet, als über Gigi zu sprechen, ist, einfach die Klappe zu halten und ihm beim Shredden zuzusehen.
MBM 100 FEB 2004
R: Nicolas Müller; Tr: Bs Air; Loc: Flumserberg/CH
Diese Story begann mit einem Bs Air und endet mit einem. Bei diesem Trick trennt sich einfach die Spreu vom Weizen und die wahren Brett-Ästheten kristallisieren sich heraus. Einer, der diesen Trick beherrscht wie fast kein Zweiter, ist Nico Müller. Das Foto entstand am Ende eines langen und vor allem erfolgreichen Tages im Backcountry von Flumserberg. Wir bauten und hitteten drei Kicker und schossen noch einige Natural Jumps. Nico und Beckna hatten schon ihr wohl verdientes Essen und Trinken aus den Rucksäcken zum Feierabend gezogen, als Gian Simmen mit der Idee für die Corner daherkam. Im letzten Abendlicht schossen sich die Herren dann aus der Transition und – wie sollte es anders sein? – der Müller holte mal wieder mit einem Bs Air ein Cover! Aber diesmal nicht irgend ein Cover, sondern das der Jubiläumsausgabe MBM #100.
MBM 134 FEB 2OO8
R: Lukas Goller; Tr: Bs Tail Bonk; Loc: Las Leñas/ARG
Ein Bild mit Seltenheitscharakter. Lukas Goller, bekannt für stylishe No-hand Tricks und Fs Spins im Powder, musste sich den widrigen Schneebedingungen im argentinischen Winter 2007 beugen. Anstatt den Trip für gescheitert zu erklären, liess sich der Südtiroler Evergreen auf Neues ein. Direkt hinter unserem Apartment stand dieses Fussballtor und gab uns an diesem Schlechtwettertag einen Steilpass. Lukas’ Plan: den Anfahrtsschneehaufen runter und den Takeoff hoch, dann abspringen und mal schauen, was passiert… Er muss in seinem früheren Leben eine Katze gewesen sein, denn genau wie im Powder landete der neugeborene Jibber seine Tricks über das Tor ständig auf seinen Füssen.
MBM 116 FEB 2006
R: Lukas Draxl; Tr: Ollie to Inverted Fs 540° off; Loc: Riksgränsen/S
Es gibt Destinationen, die Jahr für Jahr von Snowboard-Crews bereist werden. Zu diesen gehört zum Beispiel Alaska, von wo wir alljährlich mit den unglaublichen Lines versorgt werden, oder eben Riksgränsen, das für seine Step-down- und Step-up-Kicker bekannt ist. Als ich im Frühjahr 2005 gemeinsam mit den Pirates nach Riks reiste, schien der Trip ganz klassisch nach Riks-Art zu verlaufen: In die Pampa sledden, Step-ups und Step-downs bauen und springen, danach zurück ins Hotel fahren, schlafen und am nächsten Tag das gleiche Spiel von vorne. Doch eines Tages blieben wir an diesem Fels inmitten eines zugefrorenen Sees stehen. Wir waren uns alle einig, dass die Idee mit der Butterbox auf dem Fels gleichermassen grossartig wie bescheuert war. Da wir wohl alle ein wenig bescheuert (im Positiven) waren, machten wir uns an den aufwändigen Aufbau. Per Anhänger am Sled karrten wir in siebenstündiger Schaufelei den Schnee auf den Fels und bauten parallel den Kicker auf das blanke Eis. Das Bauwerk funktionierte tatsächlich am nächsten Tag und die Aufnahmen lösten im Folgewinter einen regelrechten Butterbox-Boom in Europa aus.
MBM 149 JAN 2010
R: Stephan Maurer; Tr: Inverted Fs 360° Stalefish Tailbone; Loc: Portillo/CL
Not macht erfinderisch! Einer, mit dem ich diese Redewendung unzählige Male unterschreiben konnte, ist Stephan Maurer. Schlechtes Wetter, falsche Schneeverhältnisse usw. Liessen uns nicht selten an den Rand unserer Freundschaft schlittern. Aber wir schafften jedes Mal die Kehrtwende und retteten meist mit kreativen Ideen die Situation. In einer Beziehung springt man am Ende eines Streits oft gemeinsam in die Kiste, „Mu“ sprang lieber über irgendwelche aus der Not heraus kreierten Dinger, während ich ihn dabei fotografierte. In Portillo 2009 war es mal wieder so weit. An diesem Tag war alles s… und unsere Stimmung war mindestens so wolkenverhangen wie der Himmel über Portillo. Während die anderen Fahrer dem Berg den Rücken zukehrten, rauften „Mu“ und ich uns zusammen und bauten in mehrstündiger Arbeit dieses Kicker-Landungs-Konstrukt, von dem wir keine Ahnung hatten, ob es überhaupt funktionierte. Einmal mehr zahlten sich unser Erfindergeist und das Zähnezusammenbeissen aus und wir brachten am Ende ein Cover mit vom Berg.
MBM 117 MRZ/APR 2006
R: Christian „Hitsch“ Haller, Stephan „Mu“ Maurer; Tr: Rock to Fakie vs. Fs Layback, Loc: Les Deux Alpes/F
Sommer, Sonne und Gletscher-Snowboarden lassen die Herzen aller Freestyler höher schlagen. Im Sommer 2005 war ich zum Burton Camp nach Les Deux Alpes eingeladen und freute mich auf die bevorstehenden Tage mit dem ganzen Team. Leider war der Schnee schon so slushy, dass Snowboarden unmöglich erschien. Um nicht umsonst angereist zu sein, brauchten wir einen Plan B. Nach einer kurzen Ideen findungsphase mit „Hitsch“ und „Mu“ machten wir uns gemeinsam auf den Weg zur Pipe und versuchten, einen Double der anderen Art zu fotografieren. Das Ergebnis liess nicht lange auf sich warten und konnte sich zudem wirklich sehen lassen. Für mich ist das Foto ein guter Beweis dafür, dass die ganze Höher-weiter-„Spin to win“-Mentalität am Grundgedanken von Snowboarden, dem Spass, ein Stück weit vorbeigeht. Wir hatten während des Shootings viel Spass, Verletzungen waren ausgeschlossen und das Ergebnis sorgte bei vielen Leuten für Staunen.
MBM 153 FEB 2009
R: Alex Fischer; Tr: Fs Nosepick Fs Grab; Loc: Sölden/A
Hinter diesem Bild steht eine Geschichte, die fast so unmöglich klingt wie der Name der Story, für die ich das Foto schoss! Alte Kollegen von mir gründeten irgendwann eine Park-Shape-Firma. Soweit ich mich entsinnen kann, fotografierte ich für sie sogar ihr erstes Photo-Shooting nach der Firmengründung, damals ebenfalls in Sölden. Wie auch immer, die Jungs wollten mich unbedingt zum Park-Shooten bewegen, um ihr Business weiter anzukurbeln, was allerdings so schwierig ist, wie einen Klaustrophobiker in einen Fahrstuhl zu stecken, da ich Park-Fotografie nicht wirklich mag. Um den Jungs nicht vor den Kopf zu stossen, wollte ich mit einer List meinen Kopf aus der Schlinge ziehen und erzählte ihnen von der Idee der „Mission Impossible“. Die Kurzfassung des Projekts lautete wie folgt: viele Maschinenstunden, grosse Schnee bewegungen und viel Arbeit für Obstacles, die es so noch nicht gegeben hatte. Ich war mir sicher, dass die Jungs meine Idee nicht so toll finden würden und damit dann auch das Thema Park-Shooting vom Tisch wäre. War’s aber nicht, im Gegenteil. Jürgen und Jan gingen auf meine wahnsinnige Idee ein und ich musste in den Park…. Ob nun Wahnsinn oder Next Level, ich muss gestehen, dass bei den vier angesetzten Shootings für die „Mission Impossible“ einige wirklich schöne Fotos entstanden. In meinen Augen räumte Alex Fischer mit diesem stylishen Frontside Nosepick das Foto der Geschichte ab.
Mehr Fotos aus der MBM-Laufbahn von Basti Gogl findet ihr in unserer Gallery.
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