Wenn sich der Schnee nach und nach in höhere Lagen verabschiedet und das Freibad seine Pforten öffnet, werden die Snowboardhosen gegen Surfshorts getauscht. Es sei denn man ist Snowboardprofi, dann ist Sommerpause ein Fremdwort. Viele Sponsoren organisieren in der heissen Jahreszeit für ihre Fahrer eigene Fotosessions, um den Teamgeist zu fördern und für die nächste Saison Bildmaterial für Kataloge, Werbungen und PR Zwecke zu produzieren. Auch Burton hat Anfang Mai ihr Team für ein Shooting im italienischen Livigno zusammengetrommelt. Hier ein Einblick in das Daily Business von Teammanagern, Fotografen und Profisnowboardern!
Anfangs hatten wir die Zusammenarbeit für das Fotoshoot mit einem Gebiet in Skandinavien geplant, aber Snowboarden hält sich selten an Pläne, das wäre gegen seine Natur! Wegen Schneemangels mussten wir zehn Tage vor dem Termin einsehen, dass der Shoot nicht wie geplant zustande kommen konnte. Was nun? Es blieben zwei Möglichkeiten: Entweder die Session absagen oder kurzfristig ein anderes Wintersportgebiet davon überzeugen, eine Horde Snowboarder für eine Woche aufzunehmen.
Den Kopf in den Sand zu stecken war noch nie eine Option. Deshalb fuhr ich gerade mal acht Tage vor dem geplanten ersten Shootingtag zu einem Treffen mit den Verantwortlichen nach Livigno, um herauszufinden ob sie spontan genug wären, die Sache für uns durchzuziehen und unser Teamshoot zu retten! Immerhin sollten Tourismusverband und Bergbahnen nicht nur die Unterkunft ermöglichen, sondern im bereits geschlossenen Parkgelände auch einen eigens für das Shooting entworfenen Kicker zusammenschieben.
Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, einen Booter nach den Wünschen der Teamfahrer zu bauen und ihnen eine Woche Zeit zu geben, das Teil zu shredden was das Zeug hält. Ich hatte viel mit Stephan „Mu“ Maurer im Vorfeld darüber geredet, wie für ihn der perfekte Kicker aussehen würde. Da Mu ein kleiner Snowboard-Wissenschaftler und kluger Kopf ist, der sich viel mit Obstacles aller Art auseinandersetzt, wollten wir ihm die Regie über den Kicker überlassen. Ich würde nur die Interessen der Fotografen vertreten, sicherstellen dass der Kicker auch gross genug aussehen und die Location gutes Licht und Panorama bieten würde.
Glücklicherweise sind alle Verantwortlichen der Mottolino Bergbahnen in Livigno snowboardbegeistert, sie glauben an unseren Sport und sind offen für ausgefallene und neue Ideen. Zudem bieten sie einen richtig guten Park und stecken viel Schweiss, Zeit und Geld ins Snowboarden – das macht sie zum perfekten Partner für Burton. Beiden Seiten wurde schnell klar, dass wir am selben Strick ziehen, und so stand dem Fotoshoot nichts mehr im Weg. It´s on when it´s on! Es werden die Teamfahrer angerufen, denn jetzt müssen schnell Reisen organisiert, Flüge gebucht und Lehrer davon überzeugt werden, dass in dieser Woche mal wieder Snowboarden wichtiger ist als Mathe und Deutsch.
Die meisten Brands organisieren für ihr Team mehrere solcher Fotoshoots im Jahr. Zu den beliebtesten Destinationen gehört zum einen Skandinavien im Frühling, weil sich dort zu dieser Jahreszeit lange Shredtage mit sehr schönem Licht ergeben – perfekt für Fotos! Zum anderen zieht es viele Crews im August nach Neuseeland, nicht nur weil dann in der südlichen Hemisphäre tiefster Winter herrscht, sondern auch weil das Timing perfekt passt, um mit den allerneusten Samples der nächstjährigen Kollektionen Fotos für die Kataloge zu schiessen.
Während die Fahrer bei Katalogshoots unter einem gewisser Druck stehen, die geforderten Bilder zu produzieren, und somit sehr produktiv gearbeitet werden muss, hat man bei Fotoshoots, die rein auf Action bezogen sind, die Möglichkeit, sich nur auf die Wünsche der Fahrer zu konzentrieren. Es geht darum den Teamspirit zu fördern, viel zu Shredden und junge Fahrer einzubinden, damit sie sich mit den etablierten Teamridern messen und von ihnen profitieren können.
Um sicher zu gehen, dass das Setup auch wirklich unseren Vorstellungen entsprechen würde, fuhr ich schliesslich zusammen mit Mu zwei Tage früher nach Livigno, um gemeinsam mit den Pistenbullyfahrern tonnenweise Schnee auf einen Haufen zu schieben. Obwohl wir mit unserem Fotoshoot ihre Saison auf die Schnelle um fünf Tage verlängert hatten, was nach einer langen Saison Pisten präparieren keine angenehme Sache ist, waren die Raupenfahrer unglaublich motiviert. Wenn Mu nachmittags um Vier in den Sinn kam, dass der Table doch noch drei Meter höher sein sollte, wurden da noch drei Meter Schnee draufgeschoben. Und wenn ich dann vorsichtig fragte, ob es möglich sei, das Gap noch zwei Meter tiefer auszugraben, dann grinste Bullyfahrer Mirko nur und gab in gebrochenem Deutsch zurück: „Hundert Meter, kein Problem!“
Als dann mit Marko Grilc, Sani Alibabic, Chris Sörman und Sami Saarenpää, unterstützt von Gary Greenshields, Fips Strauss, Kevin Backstrom und Giorgio Ciancaleoni, der Rest der Euroshreds in Livigno eintraf, waren wir mit den Arbeiten am Kicker beinahe fertig – es fehlte nur noch ein wenig Finetuning an der Landung am folgenden Morgen. Wir waren sehr froh darüber, dass trotz der kurzen Vorbereitungszeit bis jetzt alles wie am Schnürchen lief – sogar Wettervorhersage liess für die gesamte Zeit des Shoots Sonne auf dem Programm stehen!
Umso grösser die Ernüchterung, als am folgenden Tag nach den ersten Versuchen klar wurde, dass der Kicker noch einmal einen aufwändigen Reshape benötigen würde. Die Höhe des Tables stimmte im Verhältnis zum Absprung nicht überein, und auch die Landung musste ein zweites Mal bearbeitet werden, was wegen der nassen Schneebedingungen ein schwieriges Unterfangen war! Und das alles nachdem wir seit zwei langen Tagen am Shapen gewesen waren und die Crew aufgeregt wartete… Dabei hat alles so gut ausgeschaut!
Entsprechend am Boden war die Stimmung, als wir beim Abendessen sassen. Falls der Sulzschnee über Nacht nicht genügend anzieht, würde es dann überhaupt möglich sein, die Landung mit den schweren Maschinen zu bearbeiten? Denn auch wenn die Pistenraupe an der Winde hängt; sobald sie zu tief einsinkt und die Ketten auch nur kurz durchdrehen, reisst sie sofort tiefe Löcher in die Landung. Und die sind nur schwer wieder zu füllen, ohne die gesamte Landung zu verwüsten. Und was wäre wenn auch unsere zweite Einschätzung falsch ist? Würde der Kicker nach dem Reshape überhaupt funktionieren?
Leider gibt es im Laufe einer Saison viele Situationen, in denen nicht alles so klappt wie man es sich vorstellt. Oft sind alle Bemühungen umsonst, wenn zum Beispiel der stundenlang geschaufelte Powderkicker nicht aufgeht oder sich das Wetter verschlechtert und die ganze Arbeit im Nebel verschwindet. Misserfolge gehören ebenfalls zum Daily Business eines Snowboardpros.
Aber glücklicherweise war in unserem Fall nicht alles umsonst, hatten wir doch die Unterstützung der Shapercrew unter der Leitung von Nino, die sich nicht zu schade war, am nächsten Morgen noch früher als sonst aufzustehen, um den gesamten Table und die Landung auf ein Weiteres mit drei Maschinen gleichzeitig zu bearbeiten! Die Nacht war klar und entsprechend kalt, und da die Shaper in aller Herrgottsfrühe am Berg waren, hatten sie genug Zeit die Landung anzupassen, bevor der Schnee von der Sonne aufgeweicht wird.
Der Aufwand sollte sich lohnen. Nachdem der Kicker in neuer Form dastand und einige erste Hits gesprungen waren, war klar, dass die Flugbahn nun nicht nur aufging, sondern dass auf die Jungs, wie von Mu geplant, bei sehr viel Airtime eine perfekte Landung erwartete. Es war schon Nachmittag und der Schnee super slushy als die erste Session eingeläutet wurde. Trotzdem flogen uns die Jungs nach wenigen Versuchen mit Nines und Tens um die Ohren! Leider wurde der nasse Schnee Sami Saarenpää bei einem Frontside Ten Versuch zum Verhängnis, er verdrehte sich den Fuss und musste sich den Rest der Tage statt Snowboarden seiner Sommerbräune widmen. Er tat das dann auch mit solcher Hingabe, dass er gegen Ende der Woche dem braungebranntesten Finnen aller Zeiten, Heikki Sorsa, Konkurrenz machte!
Nach dem Vorfall mit Sami beliessen wir es bei einer kurzen ersten Session. Doch alle ausser Sami waren überglücklich über das Setup für die nächsten Tage.
Und als Mu sich am darauf folgenden Vormittag mit einem Double Backflip aufwärmte, war klar, dass wir Zeugen einiger Sessions mit Snowboarden auf höchstem Level werden würden! Schliesslich fuhr das gesamte Team den Kicker in den kommenden Tagen in Grund und Boden. Während unser Filmer Cepten die Tricks digital bannte und Euro Teammanager Hasi Runde um Runde die Fahrer mit dem Sled von der Landung zum Inrun chauffierte, und dabei das Riding unserer Schützlinge unter die Lupe nahm, fotografierten Marcel Lämmerhirt, Adam Moran und ich die Action aus fünf verschiedenen Winkeln gleichzeitig.
Tens und Twelves in alle Richtungen, One-foot Airs von Sani, und Mu’s nur ganz knapp nicht rausgefahrener Frontside Ten Double Cork waren die technischen Highlights des Shoots. Aber genauso wichtig war, dass die Fahrer gemeinsam shredden und sich pushen konnten, und auch die Young Guns wie Kevin Backström und Giorgio Ciancaleoni zusammen mit den alteingesessenen des Teams ihr Limit pushen konnten.
Und das Beste daran ist, dass alle einfach nur eine gute Zeit zusammen hatten. Denn mal ehrlich – einen guten Powdertag natürlich ausgenommen – wann macht shredden soviel Spass wie bei einer Session an einem guten Kicker im Sonnenschein mit den Buddys? Das sind definitiv die guten Tage im Daily Business des Snowboardpros! Wir haben viel gelacht, das steht fest, und sobald sich jemand eine Pause gönnen wollte und sich in die Sonne legte, um an seiner Bräune zu „arbeiten“, konnte man sicher sein, dass er mit einer satten Ladung Slush abgeschossen wurde!
So vergingen die verbleibenden Tage wie im Flug, und als nach der letzten Session die Beine müde, die Gesichter braungebrannt und die Speicherkarten randvoll mit Fotos waren, machten sich alle wieder auf und davon in die verschiedensten Himmelsrichtungen. Die einen nach Hause um die Schulbank zu drücken, die Meisten aber ab auf die Gletscher oder Richtung Norden für weitere lange Shootingtage mit ihren Filmcrews unter Skandinavischem Himmel. Daily Business eben…
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