Dass unsere Welt langsam aber sicher den Bach runtergeht, ist kein Geheimnis. Die Antwort darauf muss nicht unbedingt lauten, in Birkenstock-Sandalen und mit Jute-Säcken durch die Gegend zu laufen. Auf dein (Konsum-)Verhalten kommt es an. Ein grüner Anstrich gehört mittlerweile zum guten Ton für jede Firma, die was auf ihr Image gibt. Mit Bambus, Kokosnussschalen, einheimischen Hölzern und wasserbasierten Farbstoffen wird munter herumexperimentiert, und ja, auch Jute ist zurück! Ob letztlich nur PR-Gag oder doch wahrer Sinneswandel sei dahingestellt – dir gibt es jedenfalls die Wahl, beim Snowboard-Kauf auf Öko zu setzen. Ein Überblick über aktuelle Ansätze verschiedener Snowboard-Brands.
Snowboarden ist nicht gerade der umweltfreundichste Sport. Viele Rider fahren mit dem Auto ins Wintersportgebiet und nutzen Liftanlagen, die Unmengen an Energie verschlingen und zum Teil auf eigens gerodeten Waldstücken gestellt wurden. Andererseits stellt das Geniessen der Natur einen zentralen Aspekt unseres Sports dar. Und wer Powder liebt, ist geradezu abhängig von Frau Holles Wohlwollen, sprich, von tiefen Temperaturen mit viel Niederschlag.
Dass plötzlich alle Snowboarder zu Tourenfahrern werden, die zudem noch mit dem Fahrrad anreisen, ist kaum zu erwarten. Dennoch tut sich was in der Branche. Viele Brands haben verstanden, dass sie Verantwortung für die Auswirkungen ihrer Produktionsprozesse tragen – und dass sich das Bemühen, dieser Verantwortung nachzukommen, auch immer besser verkaufen lässt.
Wer sich mit der Frage nach einer nachhaltigen Produktionsweise befasst, merkt schnell, dass dies keine einfache Geschichte ist. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft: Es soll nur so viel gerodet werden, wie im gleichen Zeitraum nachwachsen kann. Im übertragenen Sinne heisst dies, die zur Verfügung stehenden Ressourcen für die kommenden Generationen zu erhalten.
Was bei Bäumen einfach fassbar ist, stellt bei hoch komplexen und global vernetzten Produktionsprozessen eine echte Herausforderung dar. Sinn macht nur eine ganzheitliche Betrachtung, die den gesamten Zyklus von der Gewinnung der Rohmaterialien über deren Transport und Verarbeitung bis hin zum Endprodukt, dessen Benutzung und anschliessender Entsorgung miteinbezieht. Entscheidend dabei ist auch die „graue Energie“. Damit wird der Energieaufwand bezeichnet, den man dem Endprodukt nicht direkt ansieht, der aber etwa im Transportaufwand oder den Verpackungsmaterialien steckt. Die Berechnung der „grauen Energie“ kann niemals exakt erfolgen, sondern ist eine Frage der Abgrenzung. Logischerweise muss das verbrauchte Benzin eines Last- wagens miteinbezogen werden – aber was ist mit der Abnutzung der Reifen oder dem Verschleiss der Strasse etc.?
Wichtiger als diese technischen Probleme beim Vergleich von alternativen Produktionsmitteln ist die Feststellung, dass sich unweigerlich Widersprüche ergeben. Ist ein Holz, das schnell nachwächst, aber über hunderte Kilometer transportiert werden muss, umweltfreundlicher, als der im eigenen Garten gefällte Baum, der dann 50 Jahre zum Nachwachsen braucht, sich dafür aber vielleicht mit einem weniger giftigen Leim verkleben lässt? Eine zusätzliche Schwierigkeit für viele Snowboard-Brands ist, dass die wenigsten tatsächlich selbst produzieren. Auf einen Hersteller in Vietnam oder China Einfluss zu nehmen und dessen dutzende von Zulieferern zu überprüfen ist natürlich um einiges schwieriger, als im eigenen Laden aufzuräumen.
Fakt ist, dass es keine einfache Aufgabe ist, die Ansprüche an die Qualität des Produkts sowie an eine ökologisch und sozial verantwortliche Produktionsweise zu einem angemessenen Preis unter einen Hut zu bringen. Sicher ist aber eins: Vor lauter Komplexität den Kopf in den Sand zu stecken ist keine Lösung des Problems. Auch wenn wir erst am Anfang einer Entwicklung stehen, verfolgen einige Vorreiter bereits kreative und viel versprechende Ansätze.
Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben hat sich auch der Skate- und Snowboard-Hersteller Arbor. „Ein komplett ,grünes‘ Produkt herzustellen ist heute noch nicht möglich“, sagt Bob Carlson, einer der Gründer der Brand, „aber wir versuchen, Schritte in diese Richtung zu unternehmen.“ Ein Aspekt davon ist, dass laut Bob mindestens fünf Prozent des Gewinns an Umweltschutzorganisationen gespendet werden. Durch die Unterstützung eines Aufforstungsprojekts auf Hawaii zum Beispiel soll unter dem Strich eine negative CO2-Bilanz erreicht werden.
„Arbor verarbeitet hauptsächlich regenerative und nachhaltige Werkstoffe, welche extrem haltbar und lebendig sind“, erklärt Gregor Common, Chef von Arbor Europe, den Ansatz bei der Produktion. Gemäss Arbors online abrufbarer „Green List“ verwendet die Firma ausschliesslich Holz aus nachhaltiger Bewirtschaftung, ausserdem Bambus für Top-Sheets und zur Verstärkung von Kernen, während Kork als Vibrationsdämpfer zwischen den Laminatschichten dient. Die Bases bestehen zum Teil aus recycletem Belagsmaterial.
Einen interessanten Ansatz verfolgt auch das junge kalifornische Kleider-Label Bond. Jedes einzelne Produkt besteht fast vollständig aus Recycling-Material, von den wieder verwerteten Knöpfen bis hin zu den Fasern aus Kokosnussschalen. Reissverschlüsse, Farbstoffe und die wasserdichten Beschichtungen stellen bei den meisten Textilien das einzige Neumaterial dar.
Das Ziel von Bond fasst dessen Gründer Dan McNamara so zusammen: „Früher kam Öko meistens im Hippie-Look daher. Wir machen Kleider für Leute, die ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit haben, dabei aber nicht den Style opfern wollen.“ Nicht zu vermeiden seien dabei nach wie vor Umweltbelastungen durch den Energieaufwand bei Produktion und Transporten. Bond zahlt für jeden zurückgelegten Kilometer einen Betrag an den Carbon Fund. Durch dessen Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien und Aufforstung kann der verbleibende CO2- Ausstoss kompensiert werden, womit die Firma als Ganzes CO2-neutral produziert.
Auch die Big Names im Snowboard-Business haben die Zeichen der Zeit erkannt. „Uns ist klar: Burton stellt eine grosse Anzahl von Produkten her, die wir auch noch verschicken; wir fliegen mit Flugzeugen um die Welt und fahren mit dem Auto zur Arbeit“, sagt Jake, der Boss himself. Wichtig sei aber, einen Anfang zu machen, denn das komme den Ridern heute, morgen und in 100 Jahren zugute.
Burton setzt bei den Produkten des „Green Mountain Project“ auf eine nachhaltige Produktionsweise. Die 2007 eingeführte Linie wurde benannt nach dem Beinamen des US-Bundesstaats Vermont „Green Mountain State“ und inspiriert vom damaligen Burton-Rider Nicolas Müller. Sie umfasst Boards, Bindungen und Bekleidung vom Boot bis zum Beanie.
Schwerpunkt ist die Verwendung von Recycling-Material. Die technische Outerwear zum Beispiel besteht zu 40 bis 100 Prozent aus wieder verwertetem Polyester und wird mit einer speziell entwickelten, umweltfreundlichen Oberflächenbehandlung imprägniert. Die Boots aus der „GMP“-Linie sind PVC-frei und bestehen ebenfalls zu einem Grossteil aus recycletem Material, während bei den Boards FSC-zertifiziertes Holz, Kanten aus Recycling-Stahl und ein Top-Sheet ganz ohne schädliche Lacke zum Einsatz kommen.
Zur bereits 25-jährigen amerikanischen Snowboad-Manufaktur Mervin gehören Brands wie Lib Tech und Gnu. „EnvironMENTAL“ ist der Name einer Abteilung, die sich exklusiv mit nachhaltiger Pro- duktionsweisen befasst. Mitbegründer Pete Saari meint dazu: „Wir waren schon grün, als das Thema nur Hippies interessierte.“
Bei Mervin produzierte Snowboards erhalten ein Top-Sheet aus einem Bio-Plastik, das aus Rizinussamen hergestellt wird, und die Sidewalls be-stehen aus einem auf Soja basierenden Polymer. Lacke und Druckfarben für die Graphics sind wasserbasiert und die Boards werden mit organischen Epoxidharzen verklebt. Die Kerne sind aus Holz von schnell wachsenden Bäumen gefertigt und sogar die Holz-Anschnitte können zusammengesteckt werden, während die Holzspäne als Kompost-Zusatz enden.
Der Ansatz von Mervin umfasst nicht nur die verwendeten Materialien, sondern auch das Fabrikgelände und die Verarbeitungsprozesse. Dank des Verzichts auf Giftstoffe im Produktionsprozess sind die Abfallprodukte recyclebar. Gereinigt werden die Fabrikhallen mit wasserbasierten Lösungsmitteln, geheizt wird mit Raps-Biodiesel.
Die Schweizer Outerwear-Brand Zimtstern hat sich für die Zusammenarbeit mit der externen Zertifizierungsstelle Bluesign entschieden. Das Label durchleuchtet die ganze Produktionskette auf Basis der EHS-Kriterien (Environment, Health, Safety). Bluesign deckt zurzeit rund 600 für die Kleiderproduktion relevante Substanzen ab und unterteilt diese in blaue und graue sowie in nicht erlaubte Stoffe. Während blau taxierte Substanzen unproblematisch sind, dürfen die grauen nur dann zum Einsatz kommen, wenn keine umweltfreundlichere Technologie zur Verfügung steht. Damit ein Produkt das Bluesign-Label erhält, müssen sowohl alle verwendeten Rohstoffe den hohen Kriterien entsprechen als auch der Produktionsprozess überwacht und bezüglich Umweltverträglichkeit optimiert werden.
Erstmals präsentierte Zimtstern für den Winter 2008/09 eine entsprechend zertifizierte Linie. Inzwischen ist man einen grossen Schritt weitergekommen: „Ich bin stolz darauf, dass wir für den kommenden Winter 90 Prozent unserer Outerwear nach dem Bluesign-Standard haben zertifizieren lassen können“, sagt Thomas Meyer, Besitzer und CEO von Zimtstern.
Zwei weitere Board-Hersteller, die mit Innovationen im nachhaltigen Bereich auf sich aufmerksam gemacht haben, sind Salomon und Atomic. Das Freeride-Board „Sick Stick“ von Salomon gewann den Volvo EcoDesign Award und setzt voll auf Bambus, die am schnellsten wachsende Pflanze mit ausgezeichneten Eigenschaften für den Board-Bau. Kern und Seitenwangen bestehen aus Bambus und in jedem Board ersetzen 400 Gramm dieses Holzes die Menge von 600 Gramm Plastik, Kunstharz und Fiberglass. Das Board soll nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch robuster sein als herkömmliche Konstruktionen. Ausgeliefert wird das Teil in einer PVC-freien Hülle, die – Überraschung – ebenfalls aus Bambus besteht.
Einen Preis gewonnen hat auch das Split-Board „Poacher Premium Renu“ von Atomic und zwar den ISPO Eco Responsibility Award. Genau wie die Freestyle-Variante „Alibi Renu“ besteht das Board zu fast 50 Prozent aus erneuerbaren Materialien, etwa einem Pappelholzkern und speziell verleimtem Eschenholz-Schichten. Jute- Lagen ersetzen einen Teil des Fiberglases, wodurch noch Gewicht eingespart wird. Die Anbringung des Designs erfolgt mit einem wasserbasierten Decklack. Das Atomic-Werk im österreichischen Altenmarkt wird übrigens mit Hackschnitzeln beheizt, was die CO2-Emissionen im Vergleich mit einer Ölheizung stark reduziert.
Den gleichen Preis wie Atomic hat auch Völkl eingeheimst, allerdings für einen aus einheimischem Holz hergestellten Tourenski mit einer Lauffläche, die zu 100 Prozent aus wieder verwerteten Belagsresten besteht.
Die angeführten Beispiele zeigen: In der Snowboard-Branche geht einiges in Sachen Nachhaltigkeit. Zwar retten wir mit ein paar Brettern aus Bambus und Jacken aus recycleten PET-Flaschen noch nicht die Welt und es bleibt ein weiter Weg, bis wir unsere Westen „grün“ gewaschen haben, aber ein Anfang ist gemacht.
Stellt sich noch die Frage, ob all diese Bemühungen auf einem wahren Sinneswandel in der Branche beruhen oder lediglich Ausdruck der heutigen Image-Anforderungen sind. Eine allgemein gültige Antwort darauf lässt sich nicht geben, was aber auch gar nicht so relevant ist. Wichtiger ist, dass der Ball nun bei dir liegt: Denn auch der grünste Snowboard-Produzent kann nicht umweltfreundlich produzieren, wenn die Kunden seinen Mehraufwand nicht zu zahlen bereit sind. Andererseits kommt auch der geldgierigste Manager nicht um eine ökologische Herstellungsweise herum, wenn der Markt dies verlangt.
Und der Markt, das sind wir! Schlussendlich sind es unsere Kaufentscheide, die den Brands die Richtung aufzeigen, in die sie gehen müssen.
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