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Rider

Vinzenz Lüps

Vinzenz Lüps hat so richtig einen an der Waffel. Word! Und was versprechen Menschen, die gegen den Strom schwimmen und jeder Normalität trotzen? Beste Unterhaltung. Ebenfalls Word! Mit dem European Open Dritten und Olympiafinalisten verhält es sich genau so. Seine Person überrascht, seine Gedankengänge verwirren und seine Aktionen provozieren. Vinzenz Lüps fasziniert. Als Snowboarder und als Mensch. Nach einem Monat Neuseeland und zwei Wochen chilenischen Anden haben wir ihn in Santiago de Chile für ein Gespräch festnageln können. München, der Sitz unseres Magazins und idealerweise nur 30 Minuten von Vinzenz’ Daheim gelegen, wäre als Ort des Geschehens ja auch wirklich zu langweilig gewesen. Und Langeweile mag Vinzenz nicht. Erst recht Word!

Vinz, Willkommen zu deinem Interview! Bist du nervös?
Ich habe mir im Vornherein überlegt, was ich denn heute erzählen soll. Aber eigentlich sagt man letztlich doch immer etwas anderes als geplant. Darum werde ich jetzt einfach frei von der Leber plaudern, und bin deswegen auch nicht nervös.

Macht dich überhaupt irgendwas nervös?
Ja, die Liebe.

Wieso denn die Liebe?
Ich glaube, ich bin momentan grad verliebt. Das kommt bei mir nicht sehr oft vor. Normalerweise bin ich auf meinen Reisen ein freier Vogel, und jetzt bin ich plötzlich emotional an daheim gebunden. Das bringt mich etwas aus der Ruhe.

Hast du Angst davor, emotional gebunden zu sein?
Nein, überhaupt nicht. Aber wenn man 365 Tage im Jahr unterwegs ist, fragt man sich manchmal schon, ob und wo sein Herz denn zu Hause ist. Im Moment denke ich sehr oft über solche Dinge nach, es beschäftigt mich halt.

Wer ist Vinzenz Lüps?
Vinzenz Lüps ist ungehalten!

Ungehalten?
Ja ungehalten, weil ich deutsch sprechen darf! Ich bin seit fast zwei Monaten unterwegs. Erst einen Monat Neuseeland mit den Jungs vom Deutschen Verband zum Trainieren, dann zwei Wochen chilenische Berge mit Franzosen und Chilenen vom Scott Freeride Team, und jetzt bin ich seit einer Woche in Santiago de Chile bei einem Freund zum Surfen. Ich habe seit drei Wochen kein deutsch mehr gesprochen, und deswegen benehme ich mich grad so ungehalten. Entschuldigung!

Kein Problem, aber erzähl doch trotzdem mal, wie Vinzenz Lüps sonst noch so ist!
Puh, das würde er selbst gerne wissen… Ich habe so viele verschiedene Seiten, manchmal ist es echt anstrengend mit mir. An einem Tag habe ich diese, am nächsten Tag jene Meinung zu einem Thema. Ich muss mich quasi jeden Tag selbst neu finden. Also frag mich nicht, wer ich bin. Ich bin ständig jemand anderer und habe ständig andere Weltanschauungen. Ich bin so oft unterwegs und lerne so viele Wahrheiten kennen, das geht nicht spurlos an mir vorbei. Diese Wahrheiten prägen mich alle auf ihre eigene Art. Meine Sichtweise kippt ständig, und ich entwickle für jede neue Wahrheit eine neue Seite. So bin ich in Neuseeland letztlich ein anderer Mensch als in Chile, und in Chile wiederum ein anderer als ich in New York sein werde.

Was machst du denn in New York?
Ich fliege nach meinem Surfurlaub hier in Chile mit einem Freund und unseren Videokameras nach New York. Wir wollen diese Stadt mal unter unsere Linsen nehmen. Wer weiss, vielleicht wird ein Kurzfilm daraus. Zudem werde ich in New York Energie und Motivation für die kommende Saison tanken.

Neuseeland, Anden, Santiago de Chile, New York. Bist du Reise- oder Snowboard-Pro?
Snowboarden ist quasi das Transportmittel für meine Reisen, mein Schlüssel zur Welt. Ich muss mir einfach verschneite Plätze suchen, und schon kann ich dort hin fahren, um Land und Kultur kennen zu lernen. Snowboarden ist für mich nicht nur Sport, sondern vor allem auch eine Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln und Neues zu entdecken. Ich bin reisender Snowboard-Pro.

Snowboarden ist für dich also nur Mittel zum Zweck?
Nein, natürlich nicht nur. Der Monat mit dem Deutschen Verband in Neuseeland hatte natürlich nur den Zweck „Snowboarden“ genau wie mein Trip mit Scott in die Chilenischen Berge auch. Aber ich wäre ja selbst dumm, wenn ich in solch interessanten Ländern nur Augen für das hätte, was auch bei mir daheim Alltag ist. Natürlich nutze ich jede Gelegenheit, neben dem Snowboarden gleichzeitig so viel wie möglich zu entdecken. Oh Gott, ich schaff’s grad überhaupt nicht, mich präzise auszudrücken. Hast du verstanden, was ich meine? Verdammt, jetzt denken sich bestimmt wieder alle, dass der Vinz wirres Zeugs redet.

Hab verstanden! Im Bonus des letzt jährigen MMP-Films „That’s all“ erwähnten fast alle in ihren Riderinterviews, dass der Vinz einen an der Waffel hat.
(lacht) Die meinen das ja nicht böse! Die flüchten damit bloss davor, über etwas zu sprechen, was sie nicht verstehen und fassen können. In einer gewissen Weise liegen sie natürlich auch richtig. Schliesslich bin ich in all den Jahren mit der Rolle des schrägen Vogels der Snowboardszene ziemlich gut gefahren.

Mimst du den schrägen Vogel gerne?
Grundsätzlich beobachte ich ja lieber, als beobachtet zu werden. Aber in meiner Rolle als Snowboard-Pro ist das schwer möglich. Deswegen sage ich mir, wenn ich schon beobachtet werde, will ich auch etwas bieten. Ich schminke mir für die Olympischen Spiele die Lippen rot und mache Show.

Was glaubst du, wie du auf Menschen wirkst?
Ich kann mich sehr gut anpassen. Grundsätzlich zeige ich den Leuten immer die Seite, die sie sehen wollen. Hier in Santiago wohne ich bei einer elitären, chilenischen Familie mit Staubwedel, Mucama (chilenische Hausangestellte; Anm. d. Red.) und Gesprächen über Politik und so. Diese Leute hier leben ganz anders als ich, trotzdem passe ich mich an. Ich gebe den Menschen gar nicht all zu viele Möglichkeiten, über mich zu werten, weil ich mich immer so gebe, wie sie mich haben wollen.

Wie, bist du ein Chamäleon?
Ja, ich bin ein Chamäleon. Aber man nennt mich auch „Fisch“!

Wieso denn Fisch?
Weil ich so schwierig greifbar bin.

Was fehlt dem Fisch auf seinen Reisen?
Mir fehlen zwei Dinge. Erstens, dass ich nicht ständig an Projekten arbeiten kann, die nichts mit dem Snwoboardbusiness zu tun haben, denn dazu fehlt mir auf Reisen die Konzentration. Zweitens, die feste Liebe zu einer Frau, denn richtig gebunden sein ist doch nicht dasselbe wie Ficken ohne Liebe – obwohl das manchmal auch ganz gut funktioniert.

Was ist mit deiner Familie und deinen Freunden?
Die geben mir auch auf Reisen den emotionalen Rückhalte, den ich brauche. Was mir echt abgeht, ist zu beobachten, wie sich mein Bruder Luis entwickelt. Ich lerne wahnsinnig viel von ihm, er fordert mich und weist mich auf Dinge hin, die ich selbst noch nicht entdeckt habe. Leider sehe ich ihn viel zu selten. Aber er hat eben ein neues Projekt gestartet und da bin ich natürlich auch dabei. Der Luis hat eine Kleidermarke gegründet, die „Ricon“ heisst (checkt ; Anm. d. Red.). Mit mir zusammen bilden die Zwillinge Fips und Tobi Strauss, der Marco Smolla, einige Djs, eine Band und ein Tänzer das Team dazu. Ich freue mich sehr auf dieses Projekt. Alle, die dabei sind, sind sehr lustige, kreative Köpfe.

Mit „Ponchoshot“ hast du letztes Jahr deinen ersten eigenen Film realisiert. Was reizt dich am Filmemachen?
Ich finde es sehr spannend, Stimmungen, Themen und Eindrücke in einen Ablauf von vielen Bildern zu verpacken. Ich liebe es, Geschichten zu erzählen, und mit meinen Geschichten bei den Menschen Gefühle hervor zu rufen. Mich reizt die Spannung, die ein Film von seiner Entstehung über die Entwicklung bis zur Realisierung mit sich bringt.

Dieses Jahr hast du bei einem Kurzfilmfestival mitgemacht, wie liefs?
Die Leute vom Diessner Kurzfilmfestival wollten einen Beitrag von einem jungen Filmemacher mit Jugendlichen aus der Region. Sie haben einen Kumpel von mir, der Kameramann ist, angefragt und der hat mich wiederum gefragt, ob ich Lust hätte, das Drehbuch zu schreiben. Natürlich war ich motiviert und habe diesem Projekt den vergangenen Frühling und Sommer gewidmet. Jetzt erhalte ich zusammen mit einem Kumpel den Förderpreis des Diessner Kurzfilmfestivals.

Worum geht’s in eurem Film?
Der Film heisst „Just landed“ und erzählt die Geschichte von fünf schwarzen Musikern, die an einem europäischen Strand eine deutsche, falsche Blondine treffen und mit ihr musizieren. Eigentlich geht es um Existenzen und Immigration. Die Inspiration dazu holte ich mir auf meinen Surftrips durch Westeuropa. Manchmal werden da tote Schwarzafrikaner an Land gespült, weil sie die Überfahrt nach Europa nicht geschafft haben. Existenzen können so gefährdet sein, dass Menschen den Tod für eine bessere Welt nicht mehr scheuen. Und diese bessere Welt ist da, wo wir wohnen dürfen. Wir sollten dafür sehr dankbar sein.

Siehst du deine Zukunft im Filmbusiness?
Filmbusiness hört sich so abgegriffen an, so weit weg, so gross. Mich reizt es, zu einem bestimmten Thema mehr zu erarbeiten. Ob ich dies im Film verwirklichen will, weiss ich noch nicht. Aber im Moment ist das Filmemachen meine grosse Leidenschaft.

Was sagst du zu Snowboardfilmen?
Immer wieder schön anzuschauen.

Du warst letzte Saison wieder mit den Isenseven unterwegs.
Ja, aber meine Filmsaison war viel zu kurz! Ich habe zwei ziemlich beschiessene Winter hinter mir. Vorletzte Saison war’s die rechte, und ziemlich genau ein Jahr später habe ich mir die linke Schulter kaputt gemacht. Ich musste zwei Mal hintereinander im Frühling und Sommer pausieren, das sind alles andere als tolle Voraussetzungen zum Filmen. Bei den Isenseven fühle ich mich sehr wohl, obwohl ich auf einen Schlag zum Oldie geworden bin. Noch vor wenigen Jahren war ich selbst Newcomer, und jetzt bin ich plötzlich der Onkel Vinz von all den jungen Fahrern.

Was steht auf deiner Prioritätenliste weiter oben, Filmen oder Contest-Fahren?
Für meinen Werdegang war Contest-Fahren sicherlich wichtiger. Ich habe mich lange nur über Contests definiert. Was das Filmen anbelangt, hatte ich hingegen noch nie einen Winter, bei dem es mir nur darum ging.

Hast du das noch vor? Zum Beispiel mit einer grösseren Produktion?
Mit einer grossen Produktion sicher nicht. Zum einen habe ich keine Sponsoren, die mich dort reinkaufen würden, und zum anderen fällt mir grad keine Produktion ein, in die ich reinpassen würde. Früher war es immer mein Traum gewesen, einmal in einer fetten Produktion zu filmen. Mit der Zeit musste ich mir aber eingestehen, dass ich dort nicht hingehöre. In der kommenden Saison möchte ich dennoch intensiver filmen und fotografieren. Ich plane einen Zurück-Zur-Natur-Winter: wenige Contests, viel Backcountry, und vor allem richtig viel Zeit mit meinen Freunden und Brüdern am Berg. Die sind in den letzten Jahren viel zu kurz gekommen.

Dein letzter Winter wurde von Olympia dominiert. War Turin es wert?
Ich denke schon. Ich glaub, ich würde mir in 20 Jahren einen mega Vorwurf machen, wenn ich diesen halben Winter nicht investiert hätte, um diese verdammten Spiele zu erleben. Ich hab’s hinter mich gebracht und bin zufrieden. Meine Leistung hat gepasst (9. Platz; Anm. d. Red.) und ich bereue nichts!

Was hast du aus Bardonecchia mitgenommen?
Die schöne Erfahrung, dass es plötzlich einfach ist, jemandem, der nichts mit Snowboard am Hut hat, zu erklären, dass man Snowboard-Pro ist. Wenn diese Leute Olympia hören, wissen sie, dass es etwas mit Niveau und Professionalität zu tun hat. Olympia war eine nette kleine Hilfestellung für Leute, die das, was ich tue, sonst nie verstehen würden. Zudem habe ich erfahren, dass sich hinter der Illusion „Olympia“ nicht halb so viel steckt, wie sie verspricht. Unerwartetes, wie man es von den Spielen denken würde, habe ich nicht erlebt.

Olympia ist also doch nur ein weiterer Contest?
Nein natürlich nicht. Ich mime hier nur grad den Coolen und spiele alles runter, weil’s ein halbes Jahr zurück liegt. Ich war sehr konzentriert bei der Sache und wahrscheinlich auch etwas aufgeregt. Natürlich war Olympia Wahnsinn, ein Contest wie kein anderer! Verdammt, schliesslich sind es die Olympischen Spiele, und da will jeder sein Bestes geben.

Aber bloss nicht ohne rote Lippen?
Klar, top seriös geht bei mir gar nicht. Ich muss den Rahmen immer sprengen. Snowboarden soll seine Unabhängigkeit ja auch im Zusammenhang mit Verbänden oder durchstrukturierten Wettkämpfen bewahren. Alles andere würde meiner Denkweise über Snowboarden widersprechen. Es gibt schon genügend Punkte, bei denen wir unsere Wurzeln verleugnen. Diese ganzen Must-Haves, was Kleidung und Coolness angeht, und die Tendenz, die Snowboarden immer konformer machen, sind doch zum Kotzen. Und es sind nicht nur die Lämmer sondern auch die Pros, die sich mehr und mehr anpassen. Snowboarden wie ich es von früher kenne, hat Persönlichkeit und überrascht ständig. Alles andere langweilt mich.

Beziehst du das auf Charaktere oder auch auf den Style der einzelnen Pros?
Nein, nur auf die Einstellung und das Auftreten der Fahrer. Was den Style betrifft, halte ich mich sehr zurück. Ich kann von mir selbst ja auch nicht gerade behaupten, dass ich den Sport auf dieser Ebene pushen würde.

Nicht so bescheiden, für deine 1,90 Meter bist du doch ziemlich stylisch unterwegs!
Danke, es freut mich, wenn ich den Leuten mit meinem Snowboarden Spass bereite. Aber im Ernst, ich habe Snowboarden noch nie gepusht und werde es auch nie tun. Pushen müssen die Krassen, die mit dem Brettgefühl, die Kreativen. Ich kann snowboarden nur erleben.

Wie lange geht’s mit dem Erleben noch weiter?
Das hängt von meinen Sponsoren ab. Momentan bin ich ohne Klamottensponsor unterwegs. Richtig, es ist scheisse, die Länge der Karriere vom Verdienst abhängig zu machen. Aber wenn ich mir meinen Lebensunterhalt damit nicht mehr verdienen kann, fehlt mir zur Professionalität die Motivation. Dann gehe ich lieber auf eine Filmschule.

Okay, dann retten wir zum Schluss deine Karriere doch einfach mit einem Appell an deinen potentiellen, zukünftigen Klamottensponsor!
Liebe Textilindustrie, ich suche einen Klamottensponsor. Ich, dein neuer Teamfahrer, kann gute Ergebnisse an Wettkämpfen rausfahren. Und ich, dein neuer Teamfahrer, gehe mit den besten und nettesten Fotografen und Filmern auf den Berg und produziere Footage, das hoffentlich bald in allen Magazinen dieser Welt zu sehen ist. Interessenten melden sich bitte mit einem handgeschriebenen Brief beim MBM.

Wir werden sie fleissig an dich weiterleiten! Danke für das Interview!

Vinzenz Lüps
Geburtsdatum: 26.02.81
Lebt in: Utting am Ammersee
Sponsoren: Scott, Vans, Nixon

Der Ammersee ist: ein wunderschönes Zuhause
Lässt sich inspirieren von: meinen Mitmenschen
Frauen sind: der Mittelpunkt der männlichen Gedankenwelt
Hat Angst vor: Schulterverletzungen
Filmregisseur zu sein, bedeutet: verdammt cheffig zu sagen, wo’s lang geht
Love and Hate: meine Welt funktioniert nur mit Liebe

Goofy oder Regular: Regular
Stance and Angle: 61 cm, +12; -9
Schuhgrösse: 11

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