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Rider

Kevin Pearce

Shaun White zu schlagen, darum ginge es ihm nicht. Ganz so speziell sei das doch nun auch wieder nicht. Wer solche Aussagen macht, könnte man im Normalfall schliessen, ist ein hochnäsiges Arschloch und sollte sich dringend gegen chronische Selbstüberschätzung behandeln lassen. Im Normalfall. Kommen die Worte aber in einem wohl gepflegten Ostküstenakzent aus dem Mund eines gewissen Kevin Pearce daher, geht der Normalfall flöten. Denn mit Kevin sitzt man dem einzigen aktiven Snowboardpro gegenüber, der im Jahre der Ratte das Zeug hatte, Shaun White das Wasser zu reichen. Dass ihm ein Sieg über Shaun fast ganz egal ist, nehmen wir Kevin zwar nicht wirklich ab, sein bescheidenes „Mein Run zu sticken war mir viel mehr wert“ finden wir dennoch irgendwie sympathisch. Genauso wie seine Grabs auch bei dreifachen Spins, seine tadellosen Ostküsten-Manieren und seine Blicke auf die Brüste von Playboy-Playmates während dem Posieren auf dem roten Teppich. Der amtierende TTR-Champ für euch im Interview.

((Interview: Eliane Boner))
Kevin, was macht das Leben in Neuseeland?
Nicht all zu viel. Ich bin seit drei Wochen hier und war gerade mal 3 Tage snowboarden. Der Winter hier ist ziemlich schlecht, und bis jetzt brachte noch kein Sturm besseren Schnee. Wir wollten eigentlich im Backcountry shooten, aber bei dem Schnee ist das schlicht unmöglich.

Mit wem bist du unterwegs?
Ich bin einer Crew von Burton hier, um für den 2010-Katalog zu shooten. Ich bin im Moment mit Mikkel Bang und Danny Davis unterwegs. Die letzten Tage waren wir surfen. Das war 1000 Mal besser als Snowboarden. Wir haben grad ziemlich die Nase voll von Neuseeland und fahren wahrscheinlich morgen für die Australien Open nach Australien.

Der erste Contest deiner Saison?
Oh nein, der kann noch auf sich warten lassen. Ich bin letzte Saison so viele Contests gefahren, dass ich im Moment noch nicht wirklich scharf darauf bin. Wir fahren da eher zum Chillen hin und lassen den Rest auf uns zukommen. Vielleicht packt es uns am Ende ja doch noch, und wir fahren mit.

Hattest du überhaupt Zeit, dich von der letztjährigen Saison zu erholen? Die war ja doch ziemlich intensiv für dich.
Auf jeden Fall! Ich war einige Zeit daheim bei meiner Familie und meinen Freunden in Vermont. Das tat gut, mein altes Umfeld daheim holt mich immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Dazu war ich noch zum Surfen in Mexiko und natürlich in meinem neuen Daheim Kalifornien – surfen und die Sonne geniessen. Das muss reichen, um genügend Energie für die neue Saison zu generieren.

Lass uns die letzte Saison hier nochmals aufrollen. Hattest du eine Vorahnung, dass dies für dich die beste Saison bis anhin werden könnte?
Gespürt habe ich es nicht. Aber ich habe mich auf jeden Fall gut gefühlt. Ich war zu Saisonbeginn oft mit meinen Freunden der Frends-Crew unterwegs. Wir fuhren Liftrun für Liftrun und hatten Spass. Das half mir, entspannt zu bleiben und relaxet auf die Saison zu blicken.

Du hast in mehreren Interviews erwähnt, dass der Air&Style einer deiner schönsten Siege war. Was war so speziell daran?
Ich glaube jeder, der je bei einem Air&Style in München dabei war, weiss, wie wahnsinnig toll die Stimmung in diesem Stadion ist. Dies als Fahrer zu erleben, ist ein unbeschreibliches Gefühl. Der Air&Style war für mich zudem seit je her ein ganz spezieller Contest. Ich habe als Kid immer zu den Jungs hoch geschaut, die damals noch in Österreich mitfahren durften. Dann plötzlich war ich selbst dabei und gewann auch noch. Dazu kam das hohe Niveau. Ich stand in München oben an der Rampe und konnte zum Teil meinen Augen nicht trauen, was die Leute in den Schnee setzten. Am Ende war aber doch ich derjenige, der für seine Tricks am meisten Punkte bekam. Definitiv ein schönes Kompliment.

Ein schönes Kompliment haben dir die Judges auch bei den BEO in Laax gegeben. Du hast dort zum ersten Mal überhaupt Shaun auf den 2. Platz verwiesen.
Das war ganz nett. Doch eigentlich ging es mir nicht darum, Shaun zu schlagen, sondern vielmehr darum, diesen Run, der mir schon länger Schwierigkeiten bereitet hatte, nach unten zu bringen.

Ach komm, du kannst uns nicht erzählen, Shaun zu schlagen, wäre nicht speziell gewesen.
[lacht] Okay, zugegeben, etwas speziell war es schon. Aber dennoch, dieser Run an den BEO war einer der besten Piperuns meines Lebens. Die Freude darüber war so gross, dass der Triumph über Shaun White zweitrangig blieb. Schliesslich sollte es im Leben ja auch nicht nur darum gehen, Shaun White zu schlagen [lacht].

Nach den BEO ging’s direkt an die X-Games, wo zwei weitere Medaillen auf dich warteten.
Das war ziemlich fett. Ich weiss nicht, wie viel die X-Games bei euch in Europa bedeuten, aber bei uns in den Staaten sind sie der Event schlechthin. Jeder in den USA empfängt ESPN und schaut sich die Games im Fernsehen an. An solch einem Contest vorne mit dabei zu sein, ist schon ziemlich geil.

Die nächsten Contestgewinne kamen für dich am Air&Style in Innsbruck und zur Arctic Challenge in Norwegen. War es überhaupt noch etwas besonderes, schon wieder zu gewinnen?
Auf jeden Fall. Ich hoffe nicht, dass es für mich irgendwann normal und unspektakulär werden könnte, Contests zu gewinnen. Der Air&Style in Innsbruck war ziemlich cool, weil die Österreicher waren so gehypt, ihren Event wieder daheim zu haben. Die Arctic Challenge, das ist Terjes Contest. Den zu gewinnen, ist stets eine ganz grosse Ehre. Dieses Jahr war das Niveau erneut enorm hoch. Es war eine tolle Bestätigung für mich war, das Feld anzuführen.

Du erwähnst Terje immer wieder als dein grösstes Idol. Wieso genau er und nicht sonst ein Big Name aus vergangener Zeit?
Ich weiss nicht genau, womit das angefangen hat. Ich glaube mein grosser Bruder Adam war früher schon ein ziemlich eingefleischter Terje-Fan. Wie man das als Kids so macht, kopierte ich wohl einfach alles, was mein Bruder cool fand, und so ergab sich das dann. Er ist einfach unglaublich. Ich meine, wie alt ist er jetzt? Und doch reicht er noch jedem von uns Jungfüchsen locker das Wasser.

Du warst mit ihm vor einem Jahr in Grönland. Wie war es, plötzlich mit deinem grössten Vorbild zu snowboarden?
Ich bin ja schon fast verwöhnt, was Trips mit Terje angehen. Grönland war für mich bereits der zweite. Dennoch war es überaus speziell, an seiner Seite zu snowboarden. Mit Terje unterwegs zu sein, ist ein in real gewordener Bubentraum, den ich nie zu träumen wagte.

Noch einmal zum Saisonrückblick: Die US Open in deiner Heimat Vermont, der Tag deiner TTR-Krönung.
Das war ein sehr spezieller Tag. Bis zum Schluss war nicht klar, wer den Titel nun wirklich holen würde und die Spannung war extrem. Meine ganze Familie und meine Freunde aus Vermont waren da. Sie alle fieberten mit und freuten sich mit mir, als ich am Ende die TTR-Trophäe entgegen nehmen durfte.

In deinem Siegerinterview auf der TTR-Website treten am Ende zwei deiner Onkel auf. Inwiefern ist deine Familie in der Snowboardszene verankert?
Die Wurzeln gehen zurück in die Anfänge, als Jake Burton die ersten Boards auf den Markt brachte. Meine Onkel waren da mit dabei. Ich bin aber der erste der Familie, der es zu einer Pro-Karriere geschafft hat. Durch ihren Background in der Snowboardszene ist meine Familie natürlich doppelt so stolz auf mich und unterstützt mich, wo sie kann.

Die Freude über den TTR-Titel war am Ende dann aber doch etwas zu früh. Wann hast du erfahren, dass dir Shaun White den TTR-Titel noch streitig machen könnte?
Kurz bevor er in die Schweiz zum alles entscheidenden Snickers Classic geflogen ist. Es kam für alle ziemlich überraschend. Auch die verantwortlichen der TTR waren sich dieser Lücke in ihrem Rechensystem nicht bewusst. Ich war darauf genauso wenig vorbereitet wie sie und war am Anfang ziemlich geschockt. Auf der anderen Seite sagte ich mir selbst aber, dass ich eine Wahnsinnssaison hingelegt hatte und mehr für mich so oder so nicht drin gelegen wäre. Ich versuchte mich einfach damit abzufinden, dass es nicht hätte sein sollen mit dem Titel, ich mit meiner Leistung aber trotzdem zufrieden sein konnte.

Am Ende konntest du Titel und Geld behalten. Fühlt es sich nach wie vor wie ein Titel an und sprichst du überhaupt noch mit Shaun?
[lacht] Wir reden noch miteinander, wenn wir wirklich müssen… Nein, natürlich spreche ich noch mit ihm. Wir sind immer noch Freunde. Wie du sagst, ich durfte Titel und Geld behalten. Es gibt für mich kein Grund, auf ihn wütend zu sein. Und ja, es fühlt sich nach wie vor wie ein Titel an!

Hat es letzte Saison Momente gegeben, wo dir der ganze Tour-Stress über den Kopf wuchs?
Ich hatte einen kleinen Zusammenbruch nach der Arctic Challenge. Ich kam von Japan nach Norwegen und hätte danach direkt nach Japan zu den Nippon Open zurückfliegen sollen. Das wurde mir aber einfach zu viel und ich sagte den Contest ab. Es gab einige Stimmen, die das nicht verstehen konnten. Aber meine innere Stimme sagte mir klar, dass ich eine Pause brauchte. Das ist die einzige Stimme, auf die man in solchen Momenten hören sollte.

Hast du irgendein Geheimrezept, das dich durch strenge Winter bringt? Meditation, Doping, was auch immer?
[lacht] Mit Meditation und Doping habe ich es bis jetzt noch nicht probiert. Vielleicht wären sie einen Versuch wert… Ich probiere mich gesund zu ernähren, genügend Schlaf zu bekommen und meinem Körper dann Pausen zu geben, wenn er danach verlangt.

Und natürlich niemals zu feiern, richtig?
Nimmer und nie, richtig [lacht]!

Du warst diese Saison das erste Jahr mit Absinthe Films unterwegs. Erzähl!
Ich hätte zwar eigentlich gerne mehr Zeit zum Filmen gehabt, alles in allem war es aber eine gute Saison. Ich bin das erste Mal wirklich dazu gekommen, im Backcountry zu shooten. Darüber hinaus durfte ich mit Leuten wie Wolle Nyvelt, Nicolas Müller oder Gigi Rüf in Alaska filmen. Von ihrem Wissen profitieren zu können, war für mich sehr viel wert.

Was dürfen wir von deinem Part erwarten?
Ich bin im Moment noch so ahnungslos wie ihr. Ich habe bis jetzt noch kein Footage gesehen und habe keine Ahnung, was die Jungs gerade zusammenschnipseln. Nächste Woche [Anfang September, Anm. d. Red.] feiert „Ready“ in Salt Lake City seine Weltpremiere. Leider kann ich selbst nicht dabei sein, aber zumindest wissen bis dann ein paar andere, wie gut oder schlecht mein Videopart ist.

Du warst für den ESPY Award, einer der wichtigsten amerikanischen Sport-Awards, nominiert und durftest an der Verleihung über den roten Teppich spazieren. Einige nette Hollywood-Bekanntschaften gemacht?
Ja, ich konnte beim Posen auf dem roten Teppich Kendra Wilkinson [Playboy-Playmate aus der TV-Serie „Girls of the Playboy Mansion“] im Arm halten und ihr auf ihre Brüste starren. Die waren ziemlich deftig [lacht]. Im Übrigen war ich aber nur ein Hilfloser Nobody inmitten all der Celebritys aus Hollywood. Ich war ganz froh, dass Gretchen Bleiler, die ebenfalls für einen Award nominiert war, auch da war. Mit ihr konnte ich mich über das ganze Rote-Teppich-Gehabe der Leute lustig machen. Es war eine lustige Erfahrung. Aber definitiv nicht etwas, was sich für mich jeden Tag wiederholen müsste.

Dann hast du dir also nicht wegen dem ganzen Hollywood-Zirkus ein Haus in Südkalifornien gekauft?
Definitiv nicht. Ich habe meine Zelte aus zwei Gründen in Carlsbad aufgeschlagen: Zum einen, weil es nahe bei vielen Flughäfen liegt und zum anderen, weil ich im Sommer ganz gerne surfe. Südkalifornien ist zwar nicht Vermont, aber ich mag es dennoch ganz gerne.

Vermisst du die Ostküste?
Gewisse Dinge fehlen mir schon. Die Leute an der Ostküste zum Beispiel sind viel freundlicher und zuvorkommender. Auf der anderen Seite kann das Leben an der Ostküste richtig langweilig werden. In Kalifornien hingegen ist immer etwas los. So oder so, mein Herz wird immer mehr für Vermont und die Ostküste schlagen.

Was glaubst du, hätte dir die Ostküste zum Leben gebracht, wenn sie nicht einen Snowboardpro aus dir gemacht hätte?
Keine Ahnung! Ich hatte die Schule damals ziemlich satt und wusste, dass ich auf keinen Fall aufs College gehen wollte. Snowboarden lief für mich ziemlich gut, ich hatte Spass dabei und ich wollte es einfach probieren. Ich machte mir nie wirklich Gedanken, was ich anderes hätte tun können ausser zu snowboarden. Auch heute habe ich keinen Plan, was ich nach meiner Pro-Karriere machen soll. Nur eines ist sicher, ich werde niemals zurück in die Schule gehen.

Wenn ihr die Frends-Crew weiterhin so pusht, könntest du vielleicht früher oder später CEO der Frends werden.
Bei uns läuft’s ganz gut im Moment. Unsere Website ist reich besucht, die Leute nehmen uns als Crew war, wir hatten im Sommer eine Session im High Cascade Camp in Mount Hood, verschiedene Magazine schalten Geschichten über uns und so weiter und so weiter. Ach ja, MBM-Leser, besucht unsere Website .

Apropos High Cascade, was ist mit dem Mädel aus dem Video eurer Website passiert, dem ihr einen Voku-Hila geschnitten habt? Habt ihr Probleme mit ihren Eltern gekriegt?
[lacht] Tja, die musste ziemlich unten durch. Doch das ist das Camp-Leben, da musst du mit Verlusten rechnen. So was haben wir dann auch den Eltern erzählt, und die konnten damit leben.

Wie steht’s eigentlich um eure Freundschaft, wenn wir einen Blick in die Zukunft wagen? Bei den Frends sind einige Olympia-Anwerter dabei, wie viele blaue Augen wird euch die Vorausscheidung auf Vancouver 2010 bringen?
Kein einziges. Wir von der Frends-Crew sind Freunde, keine Konkurrenten. Wir prügeln uns höchstens zum Spass, bestimmt nicht wegen den Olympischen Spielen in Vancouver. Ich glaube eher, dass uns die amerikanischen Trials noch enger zusammenschweissen werden.

Welch weise Worte. Danke für das Interview und alles Gute!

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