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Rider

Torstein Horgmo

Die X Games zu gewinnen? Das sei wohl Glück gewesen. Die Nominierung für den Transworld Riders Poll? Die verstehe er noch immer nicht. In seiner ersten Saison bei Standard Films den letzten Part abzuräumen? Nun ja, das sei schon eine grosse Sache. Torstein Horgmo redet nicht gerne über sich selbst. Er weigert sich gar, sich zu beschreiben, zu rühmen, seine Palmares aufzulisten. Seine Erfolge seien nicht so spektakulär. Sein Können ja doch nicht wirklich erwähnenswert.

Dass er zum Saisonauftakt die Konkurrenz an den Australian Open mit 16 Punkten hinter sich liess , blendet er aus und sein zweiter Platz am Stylewars, das sei ja doch nur ein zweiter Platz. Beim 21-jährigen Norweger wird Understatement zum Programm. Wo uns andere mit Selbstgefälligkeiten überhäufen, lässt er Taten sprechen. Eigentlich eine ziemlich willkommene Abwechslung in einer Athletenrunde voller Selbstdarsteller. Torstein Horgmo im Interview über die Hirnlosigkeit, sich den Rücken zu brechen, X-Games-Gold als reine Glückssache und den Grund, wieso er sich selbst noch immer zu den Amateuren unseres Sports zählt.

Torstein, wie viele Smørrebrød hast du heute schon verdrückt?
Noch kein einziges. Da habt ihr es mit euren Klischees. Wir essen hier oben gar nicht so viele Smørrebrød, wie ihr glaubt.

Was wäre beispielsweise ein norwegisches Nationalgericht? Burritos à la Horgmo? Die sind ja angeblich weltberühmt…
[lacht] Burritos mit Fisch wäre vielleicht typisch norwegisch. Wir essen ziemlich viel Fisch hier oben. Was meine Burritos angeht, die mache ich ganz klassisch nach mexikanischer Art.

Wie kommt es überhaupt, dass du so gut kochen kannst?
Wer behauptet das?

Thomas Harstad. Wir glauben ihm noch nicht so ganz, sind aber ganz offen, was Beweise in Form von Dinner-Einladungen angehen…
[lacht] Ich schaue mal, was sich machen lässt… Was das Talent zum Kochen angeht, meine Mutter ist Chefköchin, also liegt es vielleicht an meinen Genen. Auf jeden Fall hat sie uns Kinder schon früh gelehrt, wie wichtig frische und gesunde Mahlzeiten sind. Gerade wenn man so viel unterwegs ist wie ich, neigt man leicht dazu, sich einfach mal eine Pizza in den Ofen zu schieben. Dank meiner Erziehung bevorzuge ich es nun, so oft wie möglich auch unterwegs selbst zu kochen, an-
-statt auf Fastfood auszuweichen.

Du kommst aus Trondheim, einer Stadt, in der solche Absurditäten wie Fahrradlifte existieren…
[lacht] Tatsächlich. Ich muss dich aber enttäuschen, ich habe das Ding noch nie benutzt. Ich weiss nicht einmal, ob es überhaupt noch in Betrieb ist. Wenn du mich fragst, ist es das Sinnloseste, was die Welt je gesehen hat. So oder so finde ich die Vorstellung ziemlich lustig, sich auf dem Fahrrad sitzend von einem Lift ziehen zu lassen… also, wenn das überhaupt so funktioniert. Ich habe keine Ahnung, ob man da sitzt, nebenherläuft oder was auch immer. Oh, Mann, das ist wohl gerade ziemlich schlechte Werbung für Trondheim…

Wenn wir schon dabei sind: Was ist eigentlich an dem Klischee dran, dass alle Leute aus Trondheim Schnauzer, Vokuhila, weisse Sportsocken und zu enge Jeans tragen?
Dreht sich dieses Interview denn nur um Klischees..? Leider muss ich zugeben, dass an diesem etwas dran ist. Da gibt’s echt eine Menge alter, komischer Kauze in Trondheims Strassen, die sich den ganzen Tag Snus unter die Lippen stopfen, ihre Schnauzer lang ziehen und ihre Vokuhilas bürsten. Weisse Sportsocken und schäbige Lederjacke inklusive, versteht sich…

Hattest du einen Vokuhila als Kind?
Hey, geht’s noch? Natürlich nicht! [lacht] Ich kam glücklicherweise ein paar Generationen zu spät auf die Welt. Heute sind es nur noch ein paar alte Rocker, die denen in Oslo unten Gründe geben, schlecht über Trondheim zu reden.

Neben dir kommt mit Kjersti Buaas eine zweite Snowboard-Grösse aus Trondheim. War sie früher so was wie deine Snowboard-Mama?
Ehrlich gesagt habe ich sie erst kennen gelernt, als ich selbst anfing, an internationalen Contests zu starten. Ich erinnere mich aber, wie die Leute hinter ihrem Rücken getuschelt haben, wenn sie ab und zu mal wieder auf Trondheims Hausberg fahren war. Sie ist der Star der Stadt, jeder kennt sie. Für mich war sie eine Art Vorbild. Dank Kjersti Buaas wusste ich, dass man es ganz nach oben schaffen kann, auch wenn man aus Trondheim kommt.

Wer hat dich zum Snowboarden gebracht?
Ich fuhr seit jeher Ski, und als Snowboarden aufkam, wollte ich natürlich zu den Coolen gehören. Mein älterer Cousin bekam bald darauf sein erstes Brett. Für mich war er eine Art grosser Bruder; ich wollte alles, was er hatte. Der Weihnachtsmann muss meinen Wunsch erhört haben: Nächstes Weihnachten bekam ich mein erstes eigenes Snowboard.

Und dann, wie war der erste Tag? Ein Naturtalent von Beginn an?
Der erste Tag auf diesem Brett war ein Highlight. Ich glaube, halb Trondheim hatte zu diesen Weihnachten ein Snowboard geschenkt bekommen. Mein Heimlift war voll mit Anfängern. Ein paar ältere Jungs hatten einen Kicker gebaut, und ob–wohl ich noch keine Turns machen konnte, wollte ich den unbedingt springen. Air Time und blaue Flecken am ersten Tag also… es war super!

Die blauen Flecken brachten dir zu Gymnasiumszeiten einen Studienplatz in der Sportschule in Geilo ein.
Eine super Zeit! Die meisten norwegischen Snowboarder waren da. Ich bin mit 16 Jahren nach Geilo gezogen, um von einer Schulleitung zu profitieren, die Verständnis für alle Trips zu Contests und für Fehlzeiten hat. In Geilo hast du zwar nicht wirklich jemanden, der dir beibringt zu snowboarden, man lässt dir aber Zeit, um selbst zu trainieren oder zu Contests zu fahren. Ansonsten läuft alles wie auf einer normalen Schule. Die haben da auch nicht so was wie ein Internat bei der Schule mit dabei. Man mietet sich stattdessen alleine oder zusammen mit Freunden eine Wohnung. Ich wohnte mit einem Freund aus meiner Klasse zusammen.

Zwei 16-Jährige in einer eigenen Wohnung? Klingt nach einem Haufen Ärger!
Das war es auch. Wann immer meine Mutter vorbeikam, führte sie eines dieser Mutter-Sohn-Gespräche über Ordnung, Verantwortung und so weiter. Und es änderte sich doch nichts. Verzeih mir, Mama!

Einige konkrete Dummheiten, die ihr angestellt habt?
Wir waren eigentlich ganz nette Kids, zumindest nach aussen… Und dies hatten wir auch nur der Tatsache zu verdanken, dass Geilo ein verdammt kleines Kaff ist, in dem sich Dummheiten ziemlich schnell herumsprechen. Als Schüler des Sportgymnasiums war es uns natürlich nicht erlaubt zu trinken, geschweige denn irgendwelche anderen Drogen zu konsumieren. Natürlich taten wir es doch. Aus Angst, erwischt zu werden, hielten wir meist Home-Partys ab. Nach aussen dachten alle, wir wären verdammt brav, aber in Wahrheit haben wir uns jedes Wochenende die Lampe gefüllt. Alles in allem war es eine gute Erfahrung, mit 16 für mich alleine verantwortlich sein zu müssen: meine Miete monatlich selbst zu bezahlen, meinen Kühlschrank mit Essen zu füllen und so weiter. Die Zeit an der Sportschule in Geilo hat mich selbstständiger gemacht und mich auf all die Trips rund um den Globus -vorbereitet.

Während deines ersten Jahrs in Geilo fuhrst du zu den letzten Burton European Open in Livigno und hast dir dort gleich den Overall-Sieg bei den Rookies geholt.
Es war mein erster Contest im Ausland überhaupt; da gut abzuschneiden war ziemlich cool. Dennoch fühlte es sich nicht wirklich wie ein Sieg an, da ich mir nicht den Slopestyle- oder Halfpipe-Titel geholt hatte, sondern nur Overall der Beste war. Für mich persönlich war es wohl einfach wichtig zu sehen, dass ich im europaweiten Vergleich gar nicht so schlecht dastand. Das hat mich motiviert.

Auf der DC-Website beantwortest du die Frage, seit wann du Snowboard-Pro seist, mit: „Noch bin ich nicht Pro.“ Glaubst du das ernsthaft?
Natürlich. Pro kann ich mich nennen, sobald ich einen Pro-Vertrag habe und in einem Pro-Team bin. Noch gehöre ich zu den Amateuren im DC-Team.

Da bist du im Vergleich zu vielen anderen aber ziemlich hart zu dir selbst!
Mich nervt es zu sehen, wie viele Flaschen sich weltweit „Snowboard-Pro“ nennen. Meist sitzen die nur im International Team, weil der Chef ihres Sponsors ihren Papa toll findet. Bei DC ist das anders. Da bedeutet es etwas, ins Pro-Team zu kommen. Man muss sich das erarbeiten. Diese klare Struktur macht es zum einen für die Kids leichter, sich an den Fahrer-Levels zu orientieren, und zum anderen, glaube ich, ist dies der Grund, wieso DC eine solch starke Brand ist.

Aber spätestens nach deinem Sieg der Air&Style Rookie Challenge 2005 und der darauf folgenden Einladung zum Air&Style der Grossen wäre es doch wohl legitim gewesen, dich selbst Pro zu nennen.
Das war so oder so eine grosse Sache. Ich weiss noch, wie ich nach der Rookie Challenge den Contest der Grossen mitverfolgt habe. Ich musste mich immer wieder kneifen und mir sagen, dass ich in einem Jahr an der Seite dieser Fahrer stehen würde. Ich meine, die meisten der Fahrer waren meine Idole und ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt nur davon geträumt, meinen Namen einmal in demselben Feld wieder zu finden.

Vor einigen Wochen erreichte uns die Hiobsbotschaft über die Absage des diesjährigen Air&Style. Bist du sehr enttäuscht?
Erst konnte und wollte ich es gar nicht glauben. Und danach wurde ich richtig wütend… Verdammt, wir reden hier nicht von irgendeinem Contest! Wir reden vom Air&Style, dem grössten und wichtigsten Contest, der uns hier in Europa noch geblieben ist. Die Organisatoren haben immer einen verdammt guten Job gemacht. Der Kicker war stets perfekt, wir hatten genügend Trainingszeit, man hat sich super um uns gekümmert, der Vibe unter den Fahrern war top und das Publikum zweifellos das beste in ganz Europa.

Das lesen unsere Leser gerne.
Diese Lorbeeren haben sie sich verdient – so wie die gesamte Air&Style-Crew. Danke, Jungs! Ich habe daheim so oft vom Air&Style geschwärmt, dass meine Mutter und meine Tante für dieses Jahr sogar Flugtickets und Hotelzimmer gebucht haben. Sie wollten mich in München überraschen… Ich hoffe, für 2009 klappt alles wieder. Ich zumindest habe keine grosse Lust, auf dieses Juwel im Tourkalender zu verzichten.

Zurück zu deiner Contest-Karriere: Im Januar 2007 nahm sie nach einem Sturz im Training an den Burton European Open in Laax beinahe ein abruptes Ende.
Das war der wahrscheinlich schwärzeste Tag in meinem Leben: Ich brach mir den Rücken im Training, weil ich glaubte, ich könnte durch den Nebel hindurchblicken und dem Wind davonfliegen… [denkt nach] Ich hatte ein so gutes Gefühl für die Saison. Ich war überzeugt, dass ich den Durchbruch schaffen könnte. Nach dem Sturz war ich vor allem nur wütend auf mich selbst. Es war alles so unnötig! Hätte ich nur eine Sekunde meinen Verstand gebraucht, wäre es nicht passiert. Ich bin unglaublich dankbar, dass es so glimpflich ausging und ich so schnell wieder auf den Beinen war!

Deine Lehre daraus?
Egal wie gut du bist, egal wie sicher du bestimmte Tricks stickst, die Natur ist unberechenbar. Der Wind kann plötzlich einsetzen und dich in andere Richtungen bugsieren. Dann steht es nicht mehr in deiner Macht, dort zu landen, wo du willst.

Kannst du dich an den Sturz erinnern?
An jede Sekunde! Es war frühmorgens ganz oben auf dem Gletscher in Laax. Es war neblig und schneite leicht. Ich fuhr mit Freunden den Kurs ein paar Mal, die Kicker fühlten sich ziemlich vertraut an. Ich war bereit, dachte ich zumindest, meinen Run, den ich für den Contest geplant hatte, anzugehen, einen Front 10 inklusive. Auf dem dritten Kicker passierte es. Ich bremste noch ab, weil ich vom Speed Check davor wusste, dass man den Kicker nicht zu schnell anfahren sollte. Dann setzte ich zum Front 10 an. Ich drehte und spürte dabei, wie mich eine Windbö raustrug. Als ich meine drei Drehungen durchhatte, bereitete ich mich auf die Landung vor. Da merkte ich, dass ich gar keine Ahnung hatte, wo ich war und wie viel Zeit mir zum Landen blieb. Am Ende flog ich circa zehn Meter zu weit und knallte wie ein Stein auf dem Boden auf.

Autsch…
Mein Rücken brannte wie die Hölle. Ich konnte für einen Moment nicht atmen. Dann kamen die Leute von der Rettung. Sie wollten mich mit einem dieser Rettungsschlitten runterbringen. Ich wehrte mich dagegen. Ich war überzeugt, dass ich es auch alleine schaffen würde. Letztlich fuhr ich sitzend auf einem Skidoo zum Restaurant runter.

Mit gebrochenem Rücken sitzend?
Ja… [nachdenklich] Das war schon ziemlich dumm. Ich musste wohl unbedingt meinen Kopf durchsetzen. Die von der Rettung sagten mir, dass sie den Verdacht auf eine Rückenfraktur hätten, und ich mich daher auf keinen Fall zusätzlich bewegen dürfte. Sie wollten mich liegend ins Tal bringen. Ich war mir sicher, dass es nicht so schlimm war. Wahrscheinlich stand ich noch unter Schock. Heute will ich gar nicht mehr darüber nachdenken, wie viel Schaden ich meinem bereits gebrochenen Rücken durch die Bewegung zusätzlich hätte zufügen können!

So oder so warst du Ende April wieder auf den Beinen, und hast es sogar zu einer Nominierung für den Transworld Riders Poll in der Kategorie Rookie of the Year geschafft.
Ich konnte es selbst kaum glauben, als ich Ende April in Tahoe für das DC Mountain Lab filmte. Die schnelle Genesung motivierte mich ungemein. Ich wollte einfach nur noch snowboarden. Vom Frühjahr bis zum Riders Poll fuhr ich so viele Contests wie nur möglich. Irgendwie reichten meine Resultate für eine Nominierung beim Riders Poll. Wieso weiss ich selbst noch immer nicht richtig.

Nun ja, vielleicht war ja dein Sieg bei den X Games ausschlaggebend… Glaubst du nicht?
Vielleicht, ja!

Ach, tu jetzt nicht so, als ob du diese Nominierung nicht verdient hättest. Die X Games zu gewinnen, das macht ja auch Torstein nicht einfach mal so!
[lacht] Definitiv nicht. Gegen Leute wie Travis Rice oder Andreas Wiig antreten zu müssen – da werden die X Games an sich schon fast nebensächlich. Sie sind meine Idole, ich schaue seit Jahren zu ihnen hoch. Mein einziges Ziel war es daher, meine Tricks zu stehen. Die X Games vielleicht gewinnen zu können, darüber wagte ich mir gar keine Gedanken zu machen. Am Ende hatte ich dann wohl einfach nur Glück.

Glück?
Jawohl, Glück! Wenn du gegen diese Jungs gewinnen willst, dann brauchst du Glück.

Neben deinen stolzen Auftritten bei Contests hast du auch deine erste Saison bei Standard hinter dich gebracht. Wie war’s?
Äh… gut! [grinst]

„Gut“? Geht’s konkreter?
Nun ja, ich habe vor einer Woche erfahren, dass ich den letzten Part im Film bekommen werde.

Wow, das ist ja Wahnsinn, gratuliere!
Ja, ich bin ziemlich gestoked. Verdammt, es ist so cool… Ich finde gar keine Worte dafür. Hab wohl schon wieder Glück gehabt… [lacht] Das ist wohl eines der besten Dankeschöns, welches dir eine Filmproduktion geben kann. Es war für mich die erste Saison bei einer der grossen Produktionen. Ich hatte nicht wirklich eine Ahnung, was mich erwarten würde und ob ich Contest-Fahren und Filmen überhaupt unter einen Hut bringen könnte. Offensichtlich hat’s geklappt.

Und kommende Saison? Wieder den letzten Part bei Standard absahnen?
Das wäre natürlich nett. Aber wer weiss, DC plant, so weit ich weiss, auch wieder einen Film, also werde ich wohl auch mit ihnen unterwegs sein. Schön wäre es, Contests und Filmen wieder zu verbinden. Bei mir muss immer viel los sein, dann arbeite ich am besten.

Auf viel Arbeit und eine gute Saison also! Danke für das Interview, Torstein!

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