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Rider

Markus Keller

Eltern wollen immer das Beste für ihr Kind. Sind die Auswüchse der Pubertät erstmal überstanden, besteht der grösste Wunsch aller Mütter und Väter darin, dass ihr Nachwuchs einen bodenständigen Beruf erlernt. Im Idealfall Schreiner, Bankkaufmann oder Beamter. Markus Keller wurde Snowboard Pro. Auf ziemlich ungewöhnlichem Wege, wenn man bedenkt, dass er vor seinem Gang auf das Elite Sportgymnasium von Davos noch nie ein Snowboardmagazin gelesen hatte und Halfpipe für ihn ein Fremdwort war. Bereits drei Jahre nach seinem Schulabschluss kann „Mä“ einen siebten Olympia Platz verbuchen, hat die Arctic Challenge gewonnen und steht kurz davor, auch in Übersee Fuss zu fassen. Warum für ihn seine Contest Karriere trotzdem keine Zukunft hat, er ein schlechtes Vorbild ist, und wie wichtig die richtige Vorbereitung für den eigenen Erfolg ist, erklärt Mä in seinem Interview.

Salü Mä. Du bist vor kurzem nach Chur in eine 5er WG umgezogen. Schon fertig eingerichtet im neuen Zimmer?
Nein, immer noch nicht. So wenig wie das alte Zimmer ausgeräumt ist, so wenig ist das neue eingerichtet. Wir haben sogar schon einen Manual Table zum Skaten gezimmert, aber zu meinem Zimmer bin ich immer noch nicht gekommen.

Keine Zeit oder einfach keinen Bock?
Zeit hätte ich im Sommer genug gehabt, aber ich hab’s einfach verchillt.

Mit wem wohnst zusammen?
Mit dem Daniel „Loop“ Loppacher, dem Nicholas Wolken und zwei Freundinnen.

Fünf Leute in einer Bude. Einer fällt immer aus der Reihe. Wie läuft’s bis jetzt mit deinen Mitbewohnern?
Es kommt ziemlich selten vor, dass wir alle gleichzeitig in der Wohnung sind. Der Loop war im Sommer für seine Uni Arbeit in Afrika unterwegs und der Nicholas arbeitet von früh morgens bis spät abends. Deswegen ist es bis heute zu keinem grösseren Clinch gekommen.

Wer ist der Wohnungs-Chaot?
Der Nicholas. Er ist gerade erst von zu Hause ausgezogen und hat noch einiges aufzuholen, was das Haushaltsleben angeht!

Wo hast du vor deinem Umzug gewohnt?
Ich war erst fünf Jahre auf dem Sportgymnasium, einem Internat in Davos. Danach hatte ich drei Winter lang eine eigene Wohnung in Davos. Im Sommer wohnte ich dann entweder bei meinen Eltern oder war auf Reisen. Die letzte Saison war die erste, in der ich keine Wohnung in den Bergen hatte. Dann hab ich mal bei einem Kollegen gepennt, im Hotel oder bei meiner Freundin.

Kurze Zwischenfrage: Warum zum Geier nennt dich eigentlich jeder Mä? Erklärung, aber pronto!
Der Name kommt aus meiner Zeit im Sportgymnasium. Eine Zeit lang war es in unserer Clique voll der Trend, alle Namen abzukürzen. Bei mir kam’s über tausend Umwege zu Mä. Ich besass mal einen Pulli, den ich ständig an hatte, und da stand irgendwas mit Axl drauf. Es gab einen Typen am Gymi, der fand es extrem lustig, mich Axl zu nennen. Über Umwege kam dann aus Markus und „Äxl“ Mä zustande.

Fünf Jahre warst du auf dem Davoser Sport Gymi. Wie bist du an diese Schule gekommen, die eigentlich nur Leistungssportler aufnimmt?
Das war wie ein Sechser im Lotto. Ich war damals 15 und hatte keinen Plan, was ich nach der Schule machen sollte. Durch Zufall bin ich auf einen Zeitungsbericht gestossen, in dem über einen Eishockeyspieler aus meiner Heimat, dem Thurgau, berichtet wurde, der das Davoser Sportgymi besucht hat. Die Schule gab’s erst seit kurzem. Das hat mein Interesse geweckt, ich hab mir Infos eingeholt und bin direkt zu einem Vorstellungsgespräch hingefahren. Und plötzlich stand ich beim Direktor im Büro und er fragt mich, was ich denn eigentlich für eine Sportart betreibe. Meine direkte Frage zurück, was sie denn für Sportarten anbieten? Da hat’s ihn fast vom Stuhl gehauen. Ich bin zwar davor schon gesnowboardet, aber das wie jeder Normalsterbliche auch. Eine Pipe hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nie von innen gesehen. Aber ich hatte Glück, da Snowboarden damals bei uns in der Schweiz noch völlig unstrukturiert war. Der Rektor meinte, dass sie schon zwei bis drei andere Snowboard-Interessierte hätten, und es wäre schön, wenn sie eine Vierergruppe zusammenkriegen könnten. Das war trotz der fehlenden sportlichen Voraussetzungen mein Vorteil. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort!

Anfangs warst du ja nicht so beliebt bei deinem Schuldirektor!
Ich war der kleine Rebell. Mit dem Rektor hatte ich anfangs ein ziemlich schlechtes Verhältnis. Unglücklicherweise war ich in den ersten zwei Jahren in einem Zimmer untergebracht, das direkt über seinem Büro lag. Da hat er jeden Scheiss mitbekommen, und das hat mich auf seiner Beliebtheitsskala ziemlich nach unten sinken lassen. Aber nach meinem FIS Weltmeister Titel in der Halfpipe 2003 hat sich das Verhältnis gebessert. Mittlerweile kommen wir ziemlich gut miteinander aus. Gerade nach der Erfahrung, die sie in den fünf Jahren mit mir gemacht haben, sind sie sehr offen, hin und wieder irgendeinem Nobody eine Chance zu geben. Es kommt auch vor, dass der Rektor mich nach meiner Meinung zu einem bestimmten Anwärter fragt.

Du hast dir einen Namen über Contests gemacht. Hast du dir deine Snowboardkarriere so vorgestellt?
Bevor ich nach Davos gegangen bin, hatte ich mich nie richtig für Magazine und Snowboard Videos interessiert. Deswegen wusste ich gar nicht, dass man auch mit diesem Weg sein Geld verdienen kann. An der Schule sind wir dann ziemlich viel Halfpipe gefahren, und da war es vorprogrammiert, dass ich ein Contest Kid werden würde. Was für mich aber auch ok war.

Also war von Anfang an klar, dass du deinen Weg über Contests gehen wirst?
Das steht sogar in den Verpflichtungen, die du gegenüber der Schule hast. So wie die Leistungen in der Schule stimmen müssen, so müssen auch die sportlichen Leistungen überzeugen. Die sportlichen Leistungen sind beim Snowboarden über Wettkampfergebnisse definiert und nicht über Magazin oder Film Coverage. Deshalb hat es gedauert, bis ich das andere entdeckt habe.

Siehst du darin deine weitere Zukunft oder würdest du gerne von der Contest-Schiene wegkommen?
Ich war jetzt über sechs Jahre lang Contestfahrer. Für mich ist es an der Zeit, mich weiter zu entwickeln!

War dann deine Olympia Teilnahme in Turin dein letzter Auftritt an grossen Contests?
Welches sind die Grossen? WM und Olympia?! Dann vielleicht schon. Ich will mich auf ein paar wichtige Contests beschränken und den Rest meiner Zeit fürs Filmen und Fotografieren verwenden. Ich bin es leid, auf etlichen Hochzeiten zu tanzen und mich nie richtig auf eine Sache konzentrieren zu können.

Was für Erfahrungen konntest du von deiner ersten Olympia Teilnahme mitnehmen?
Was ich auf jeden Fall gelernt habe, wenn du so ein grosses Projekt wie Olympia vor dir hast, solltest du dich auch früh genug darauf vorbereiten! Das war bei mir nicht der Fall. Ich hab die Selektion für Olympia nur mit dem Minimum an Punkten und Resultaten geschafft und ging danach gleich wieder shooten. Ab Mitte Januar hatte ich dann noch einen Monat, mich vorzubereiten. Erst da hab ich angefangen, zu trainieren und meinen Olympia Run einzustudieren. Das war viel zu kurzfristig! Ich war dann Mitte Februar so kaputt vom Pipe-fahren, hatte müde Beine und absolut keine Energie mehr. In Turin bin ich von den fünf Trainingstagen drei Tage daheim geblieben. Das hat alles ein bisschen vermiest.

Meinst du, du schaffst es, noch ein zweites Mal an den olympischen Spielen teilzunehmen?
Wenn ich will, dann schaff ich’s.

Willst du?
Das ist die grosse Frage! (lacht) Eigentlich würde ich gerne noch mal teilnehmen. Aber es hängt davon ab, wie mühsam es sein wird, die Selektion zu schaffen. Wenn ich wieder eine ganze Saison den Weltcups nachreisen muss, dann lass ich es. Wenn wir aber eine coole Lösung mit dem Schweizer Skiverband finden, bei der es eine interne Selektion gibt, dann wäre ich gerne dabei. Aber das wird sich alles in zwei Jahren rausstellen.

Du bist der Liebling der Schweizer Medien, ein „Snowboarder wie er im Buche steht“, im positiven, sportlichen Sinn. Siehst du dich auch so?
Nein. Ich denke zwar, dass es fast keinen Snowboarder mehr gibt, der in das steinzeitliche Klischee vom saufenden, kiffenden Asozialen passt. Aber im Vergleich zur neuen, jungen Generation von Kids, die mittlerweile sehr seriös unterwegs sind, bin ich bestimmt noch einer, der die alte Generation vertritt. So sehe ich mich.

Die Schweizer Jugend ist ja begeistert von dir. Was ist da los?
Die ganzen Kleinen, die jetzt auf dem Sportgymi sind, wie der Gian Lucca, der Iouri oder der Jeksen (Thomas Franc; Anm. d. Red.) sehen in mir so eine Art Vorbild. Unser Trainer ist aber immer dahinter, die Jungs zu bremsen. Als wir zum Beispiel im Sommer einen Monat in Neuseeland waren, wurden wir getrennt von den Kids in einem anderen Haus untergebracht. Der Coach hat den Kleinen dauernd gedrückt, dass sie nicht zu sehr darauf schauen sollen, was der Mä macht. So à la, der Mä ist ein schlechtes Vorbild, richtet euch lieber nach dem Gian. Ich find’s aber cool, wenn die Jungs sich ein bisschen locker machen.

Du bist gerade an dem Punkt angelangt, wo du dich entscheiden musst, deine Karriere durch den Schritt in die Staaten noch weiter voranzutreiben. Angst davor?
Ehrlich gesagt schon! Ich hatte immer schon Respekt vor neuen, unbekannten Wegen. Ich denke, es ist ein grosser Unterschied, ob du alleine in die Staaten fliegen musst oder zu zweit mit einem Kumpel rüber gehst. Beim Filmen finden sich ja immer diese Pärchen. Der Eero Ettala zum Beispiel ist ständig mit dem Heikki Sorsa unterwegs oder der Ikka Backström mit dem Lauri Heiskari. Wenn du zu zweit in die USA fliegst, dort zwei bis drei Monate filmst und danach wieder nach Hause gehst, könnte ich mir das gut vorstellen. Vor allem glaube ich, dass ich es später bereuen würde, wenn ich den Schritt nicht wage.

Wovon hängt deine Entscheidung ab, ob du den Sprung über den Teich wagst?
Ich muss allgemein gucken, wie die kommende Saison losgeht. Mein Plan ist, mit einer grösseren Videoproduktion auf Tour zu gehen. Mit welcher, das ist momentan noch unklar. Es gibt drei Interessenten, aber ein heisser Anwärter ist Blank Paper Productions. Je nachdem welche Produktion das sein wird, bin ich dann mehr in den Staaten oder eben nicht.

Eine der grossen Produktionen wäre ein riesiger Sprung in deiner Karriere.
Definitiv! Ich stand schon mal kurz vor diesem Sprung. In meiner letzten Saison am Gymi, 2003, war ich mit dem Marco Lutz am filmen, und eigentlich hätte ich einen grossen Part bekommen sollen. Aber dann kamen die WM und meine Matura dazwischen. Marco wäre voll motiviert gewesen, im Jahr darauf mit mir Gas zu geben, aber dann hat er sein Projekt ja bekanntlich eingestellt. Unglückliche Geschichte! Jetzt mit dem Humbi ist es eigentlich voll cool, aber es hinkt so ein bisschen mit den Fahrern und mit der internationalen Akzeptanz.

Die für dich wichtig ist, um weiterzukommen.
Ich bräuchte eigentlich eine richtig grosse Produktion, die mich aufbauen und pushen kann, als dass ich in einer kleinen Produktion das Zugpferd bin, das die Produktion pusht. Nicht dass ich DAS Aushängeschild von MMP wäre, aber zusammen mit zwei, drei anderen bin ich wahrscheinlich schon ein sehr wichtiger Teil.

Wie ist deine letzte Film-Saison für „Snowbored?“ gelaufen?
Für mich ein Stück schlechter als die Saison davor. Bei den Dreharbeiten für „That’s all!“ hat alles gepasst. Der Schnee war gut, das Wetter hat mitgespielt, und bei mir lief’s gut. Egal welchen Trick ich versucht hab, es hat fast immer funktioniert. Mit dem Part, der dabei rausgekommen ist, war ich auch sehr zufrieden. Dieses Jahr ging bis Olympia gar nichts mit Filmen, vielleicht ein, zwei Pipeshots während des Trainings. Als ich von Turin zurückgekommen bin, war es schon Mitte Februar. Ich hab ein paar Tage Pause eingelegt und wollte dann wieder filmen. Aber es ist nichts aufgegangen. Danach kam die Arctic Challenge, kurz darauf die Gap Session und plötzlich war’s Mitte März. Mit Powder war’s vorbei, und die Saison zu Ende. Alles in allem hat nichts geklappt wie ich wollte.

Bist du zufrieden mit dem Ergebnis des Films?
Obwohl es bei mir nicht halb so gut gelaufen ist, wie beim letzten Film, bin ich doch sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Durch das spezielle Konzept von „Snowbored?“, das nicht mit den üblichen Fahrer-Parts arbeitet, fällt es nicht so stark auf, dass ich eher weniger Shots habe. Was mir sehr gut gefallen hat, war die Pipe Session mit den Highspeed-Cams, die Quarterpipe Session und der Mt. Hood Fun Part. Im Grossen und Ganzen bin ich positiv überrascht vom Movie.

In Volcom’s „Escramble“ hätte eigentlich auch ein Part von dir laufen sollen. An Footage hat es nicht gemangelt, woran ist es gescheitert?
Das habe ich selbst noch nicht herausgefunden. Wir waren mindestens 30 Fahrer, die zwei Jahre lang für das Projekt gefilmt haben. Von diesen 30 Leuten tauchen am Ende nur zehn im Film auf. Ich hab keine Ahnung, was mit dem Footage der anderen passiert ist. Ich hab gehört, dass es angeblich ein zweites Video mit den ganzen restlichen Fahrern geben soll.

Warst du gepisst, dass du nicht im Film aufgetaucht bist?
Kann man so sagen. Ich hab mir ja auch ziemlich Mühe gegeben und teilweise sogar dem Humbi abgesagt, um für das Volcom Video zu filmen. Ich hab mir den Arsch aufgerissen, dass ich für alle Projekte Shots zusammen bekomme. Am Schluss sitzt Volcom USA auf einem Haufen Footage, und es passiert nichts damit. Mal schauen, was die Europäer daraus machen.

Dafür durftest du im Sommer auf einen ziemlich exklusiven Trip mit Volcom. Wie hat der ausgesehen?
Das war einer meiner besten Trips, die ich je unternommen habe. Wir sind Ende Mai erst für vier Tage nach Dubai geflogen. Dort haben Juuso Laivisto, Terje Håkonsen, Heikki Sorsa und ich in der Ski Halle für die Heikki Sorsa TV Show gefilmt. So eine abgefahrene Geschichte! Draussen brannten 45° Grad im Schatten runter, und in der Halle hast du bei minus fünf Grad gefroren. Verrückt! Zwischendurch haben wir Ausflüge in die Wüste zum Golf-Spielen oder aufs Meer zum Wakesurfen gemacht. Nach Dubai ging’s weiter auf die Malediven, wo Volcom für eine Woche ein Surfari Boot gemietet hatte. 11 Leute, acht Tage auf einem Boot. Eigentlich waren es insgesamt drei Boote. Das Mutterschiff, ein kleineres Boot, das dich zum Spot gebracht hat, und ein noch kleineres, das mit dir direkt die Wellen angesteuert hat. Eine grandiose Surferfahrung!

Dann kannst du ja doppelt ausgeruht und gestärkt in die neue Saison einsteigen. Was sind Mä’s Ziele für 2006/ 07?
Mein Ziel wäre, bei ein paar ausgewählten, grossen Events dabei zu sein, so wie dem X-Trail in Japan, dem Air&Style in München oder den X-Games in den Staaten. Und nebenbei vor allem aufs Filmen und Fotografieren konzentrieren. Es wird wahrscheinlich meine erste Saison, in der ich meinen Fokus aufs Filmen legen kann, und Contests eher nebensächlich sind. Dieses Jahr muss ein geiler Part bei mir rausspringen!

So soll’s sein! An wen geht dein Dank?
Ich danke einfach allen, die mich unterstützen und an mich glauben!

Markus Keller
Geburtsdatum: 6.12.82
Lebt in: Chur
Sponsoren: Nitro, Volcom, Red Bull, Vans, Dragon, SigSagSug, Clast
Contest oder Backcountry: Backcountry, for Schnitzel
3 Prinzipien: Sex, Snowboard and Rock n´ Roll
Schafft wie viele Sit-ups: 3,5
Projekte: www.clastzoo.com
Skaten oder Surfen: Surfen
Grösster Erfolg: Saison 05/06
Love and Hate: Party/ Hangover

Goofy oder Regular: Regular
Stance and Angle: 58cm vorne +15°, hinten –12°
Schuhgrösse: 7

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