John Jackson Kazu Kokubo und Blair Habernicht starren mich mit offenen Mündern über ihren halb aufgegessenen Pizzas an. Es braucht schon eine ziemlich beeindruckende Story um diese Reaktion von professionellen Snowboardern mit ihrem Erfahrungsschatz heraus zu kitzeln. Aber was ich ihnen gerade erzählt habe – die Story, die du jetzt gleich lesen wirst – ist nun mal einfach so beeindruckend: Xavier De Le Rue hat das Regelwerk für Zugänglichkeit ins Backcountry neu geschrieben.
Text: Ed Leigh // Deutsche Bearbeitung: Yalda Walter // Fotos: Tero Repo
Ich wurde 2014 von Timeline Productions zum ersten Trip des Degrees North Film Projektes in die Arktische Wildernis Svalbard eingeladen. Geplant waren ihre ersten zaghaften Versuche in der Welt des motorisierten Paragleitens. Falls sie dir noch nicht begegnet sind – Paramotoren sind Paragleitschirme mit dem Bonus kleiner Zweitaktmotoren, die einen Propeller am Rücken des Pilots unterstützen. Das bedeutet, dass der Flügel nicht mehr die Hilfe von Wärmeströmungen benötigt und so unabhängig davon an Höhenmetern gewinnen kann – und das Ganze mit zwei dranhängenden Personen.
Du kannst die Svalbard Story hier lesen, aber es reicht wohl zu sagen, dass sie ein riesiger Erfolg war. Die Paramotoren wurden benutzt um Terrain abzusuchen und Lines zu filmen – eine Idee, die De Le Rue schon 2011 austestete, als er mit den limitierten Ressourcen auf seiner Expedition in die Antarktis konfrontiert war. Während diesem Prozess traf er auf Christophe Blanc Gras, einer von Frankreichs talentiertesten und erfahrendsten Paragleit-Piloten , und zusammen begannen sie an der Idee zu feilen, dass Paramotoren Lines eröffnen könnten, die vom Fuß des Berges nicht zu sehen sind. Das eröffnete eine komplett neue Welt an Möglichkeiten für Xavier, der die seltene Gabe besitzt, eine aktive Fantasie gepaart mit Können und Entschlossenheit in sich zu verbinden, um diese Ideen Wirklichkeit werden zu lassen.
“Xavier vereint in sich eine aktive Fantasie mit Können und Entschlossenheit, um diese Ideen Wirklichkeit werden zu lassen”
De Le Rue’s Plan ist, die Paramotoren wie Helikopter zu benutzen. Er möchte im Tandem an die Bergspitze fliegen um dann vom Vordach auf die Bergwand drunter aufzuspringen. Das klingt absolut irre, und viele Leute haben Xavier auch offen ins Gesicht gelacht. Aber sie kennen den Franzosen offenbar nicht sehr gut.
Fast genau ein Jahr nach Svalbard bin ich mit der Crew zurück in Alaska. Wir sitzen auf der Rollbahn des Flughafen Haines. Ich sage Flughafen – in Wirklichkeit gibt es einen Zaun, ein Dixieklo, einen anständigen Runway, der von gewaltigen Bergspitzen flankiert ist, die jedoch gerade niemand bewundert. Xavier De Le Rue hat seine Coolness verloren. Wenn das hier ein normales Ereignis wäre, bin ich mir sicher, dass Leute abgelenkt aussehen würden und die banalsten Dinge plötzlich faszinierend finden, aber alle sind gelähmt. Niemand hat die für ihre Ruhe berühmten Pyrennean wütend gesehen, und die ganze Crew starrt, als De Le Rue’s Laune in Fahrt kommt. Er flucht und schreitet auf und ab und niemand ist sich sicher, wie man reagieren soll, deshalb geben ihm alle seinen Raum. Er ist ein großer Mann und das hier unbekanntes Territorium.
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