KTO und Spring Classics: im Kaunertal spielt sich die Saison zwischen zwei Freestyle-Legenden ab. Dass dabei der Blick auf das Wesentliche beinahe verloren geht, wissen die Wenigsten: Zwischen Nörderjoch und Karlesspitze hat sich klammheimlich eine maßgebliche Kulisse für Backcountry-Pros und Freeride-Fotografen etabliert.
29 Spitzkehren, 26 Kilometer, einmal komplett am Stausee entlang: die Straße ins Kaunertal gehört zu den schönsten Anfahrten, die man in die Alpen nehmen kann. Diese Abgeschiedenheit bringt den Vorteil, dass hier alles noch so aussieht wie direkt nach der Kontinentalplattenverschiebung. Wenn weit und breit weder Hotels noch Straßen noch sonstige Betonhindernisse verbaut wurden ist der Weg frei für Freerider jeglicher Couloir. Häufig wird das Gebiet von der Backcountry Community unterschätzt, doch hat der Winter erstmal seine Flocken geworfen, wird das Kaunertal zum Powder-Tal.
36 Kilometer sind alleine die vier ausgewiesenen Varianten lang, die sich bisweilen weit unter den Gletscherparkplatz ziehen. Damit ist die Länge der unmarkierten und unpräparierten Abfahrten praktisch deckungsgleich mit der Gesamtanzahl aller Pistenkilometer im Gebiet. Bei der Langtaufers-Route ins Langtauferer Tal überschreitet man die Grenze nach Italien, auf der Variante Weißseejoch hat man das Check your line-Konzept zu mehr Sicherheit und Reflexion umgesetzt. Konkret äußert es sich anhand von vier Tafeln, die an vier Stationen vom Einstieg bis zum Auslauf des 682 Höhenmeter-Runs auf Gefahren und Verhaltensweisen im Backcountry hinweisen.
Zwingend notwendig wird das Wissen um Regeln und Verbote auf den ausgedehnten Touren, die auf etliche der umliegenden 3000er führen. Für erfahrene Freerider empfiehlt sich die vergletscherte Weißseespitze, zumal sie möglicherweise nicht mehr lange ambitionierten Hochtourengehern vorbehalten ist: eine Bahn auf den höchsten Gipfel im Gebiet ist bereits in Planung. Einfacher ist die Tour über den Nörderberg – ohne Aufstieg geht es vom Lifthäuschen des oberen Nörderjoch II-Schleppers ca. 1.000 Höhenmeter über kupierte Hänge und am Bachbett entlang.
Sollte das Wetter streiken, kann man den Skipass auf das angeschlossene Familiengebiet Fendels anwenden. Unten im Tal gelegen führen zwei Bahnen und ein Schlepper direkt in Nebel- und Wind-geschützte Waldabfahrten. Oder man nutzt die Karte zum Nachtshredden und Rodeln.
Neben diesen Kronjuwelen im Hintergarten hat sich das Gebiet durch den Snowpark Kaunertal ein zweites Standbein geschaffen. 800 Meter lang und mit 20 Elementen ausgerüstet rührt sein Ruf vor allem von den Spring Classics – sieben Wochen im April und Mai und damit eine der letzten Möglichkeiten in Europa, im Vorfeld des Sommers noch einen vernünftigen Park zu fahren.
Damit bilden die Spring Classics als Jahresabschluss den Konterpart zur wohl legendärsten Saisoneröffnung der Alpen: dem Kaunertal Opening (KTO). Mittlerweile findet das Testival zum 27. Mal statt und zeigt zwischen dem Gletscherparkplatz und dem Hauptort Feichten wie fahren, futtern, quatschen, feiern, freestylen und freeriden einfach zusammengehören: zum Snowboarden wie zum Kaunertal.
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