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Golden Hill

Ein Berg, zwei Teams, ein Ziel. Auf der Jagd nach individuellen Filmaufnahmen für ihre aktuellen Videos „Ready“ und „Overseas“ fanden Absinthe Films und die Pirates den Weg nach Flachauwinkl. Zwei verschiedene Filmcrews gleichzeitig auf ein und demselben Berg, da stellt sich die Sinnfrage: „Was, wenn beide Teams den gleichen Spot entdecken und filmen wollen?“

Der geschichtliche Eintrag, dass die Amerikaner als Erste auf dem Mond waren, ist für viele Russen nach wie vor falsch. Wer hat also den Spot als Erstes entdeckt, wer hat das Recht, ihn zu filmen? Der Golden Hill ist geschichtlich vielleicht nicht ganz so relevant wie die erste Mondlandung, dennoch scheint sein Format eine gewisse Brisanz für die Snowboard-Filmwelt zu beinhalten. Pirates wie auch Absinthe standen der Einladung skeptisch gegenüber, sprangen jedoch über ihren Schatten und nahmen die gemeinsame Gratwanderung des 3. Golden Hill an.

 

„Einer für alle, alle für einen!“ – das Motto des dritten Golden Hill liest sich wie ein Schwur aus Kindertagen, bevor die Bandenmitglieder in den Kampf gegen die Bande aus dem Nachbardorf zogen. Beim Golden Hill kämpften die geladenen Crews jedoch nicht gegeneinander, sondern miteinander für ein gemeinsames Ziel: gute Filmaufnahmen für die kommenden Videos in den Kasten zu bekommen und im gleichen Atemzug eine Story für das MBM zu produzieren.

Doch so sicher wie das Amen in der Kiche ist, dass zwei Gruppen, die für beziehungsweise um eine Sache streiten, ab einem gewissen Punkt in Konkurrenz zueinander verfallen. Egal ob in der Schule, der Politik oder bei Freunden, Differenzen und eigene Positionen treten früher oder später bei jeder sozialen Begegnung zutage, niemand scheint dagegen resistent zu sein. Ausgenommen Snowboarder natürlich. Wir sind eine grosse, lässige Familie, die der Geist des Sports zusammenhält und gegen dieses mindere Gedankengut gefeit ist. Oder etwa nicht?

Etwas unentschlossen und widerwillig reisten die Pirates nach Flachauwinkl zum Golden Hill. Der Grund: Macht es wirklich Sinn, mit den Jungs von Absinthe auf dem gleichen Berg eine Woche zu filmen? Ist es nicht verschwendete Zeit, in einer sowieso viel zu kurz erscheinenden Wintersaison?

Voller Skepsis traf Filmer Flo Eckhardt mit einer ganzen Horde Fahrern im Gepäck ein. Mit funkelnden Augen lässt er zur Begrüssung verlauten: „Wir sind gekommen, um nichts anbrennen zu lassen. Absinthler, zieht euch warm an, wir werden den Golden Hill rocken!“ Und so beziehen Tyler Chorlton, Emeric Front, Lukas Goller und Björn Hartweger mit Photo-Dawg Howzee im Schlepptau ihr Chalet.

Absinthe-Filmer Vlady reiste durch den verletzungsbedingten Ausfall von Sylvain Bourbousson nur mit Jules Reymond und Marco Feichtner an, ich sollte sie als Fotograf begleiten. Marco war in einer verzwickten Lage, fährt er doch für beide Filmprojekte, was in der Vergangenheit hier und da schon zu Spannungen unter den Crew-Kollegen führte. Jetzt war er zum ersten Mal gemeinsam mit beiden Crews auf einem Berg, filmte aber ausschliesslich für seinen Absinthe-Part. Legte er hier eine gute Performances hin, würden die Pirates sicher verärgert sein, dass sich das Filmmaterial in Absinthe-Händen befindet.

Bei einer schlechten Vorstellung hingegen wäre ihm der Hohn seiner PMP-Kollegen sicher, denn wäre er mit ihnen zum Golden Hill angereist, wäre es gewiss besser für ihn gelaufen. Doch Marco liess sich am Abend der Ankunft keine Unsicherheiten anmerken, stattdessen fieberte er dem nächsten Morgen entgegen.

 

Gemeinsam fuhren beide Teams am nächsten Morgen auf den Berg. Als wir oben aus dem Lift stiegen, war die Marschrichtung schnell entschieden: Wir Einfaltspinsel hikten direkt zu den gleichen Spots, wo auch schon in den zwei vorangangenen Jahren die ersten Golden-Hill-Kicker geschaufelt wurden. Einen Schneeballwurf voneinander entfernt begannen wir Seite an Seite, monstermässige Cheesewedges um die Wette zu bauen. Trotz der überlegenen Manpower der Pirates waren wir, die Absinthler, als Erste fertig. Durch die Nähe zur anderen Crew konnten wir dem Wind einige freundliche Kommentare entnehmen…

Es schien, als hätte der Beginn unserer Session die PMP-Jungs drüben an der unglaublich grossen Cheesewedge unter Druck gesetzt. Ein schadenfrohes Grinsen in unserer Runde befriedigte und motivierte uns, weiter Gas zu geben. Nach jedem gelandeten Sprung wurde das unzufriedene Gemurre von nebenan lauter, nach einem Slam wechselte es in befriedigtes Gemurmel und Gekicher.

Gut eine halbe Stunde später stellten sich die Kommentare ein, denn die einem Park-Kicker ähnelnde Cheesewedge der Pirates war fertig. Die Stunde der Abrechnung war gekommen, das Blatt schien sich zu wenden. Die nun schwer motivierten Piraten hüpften mit uns um die Wette. Leider war unser Kicker nicht ideal gebaut und liess nur Fs Spins bis 720° zu. Bei den PMPlern begann dagegen ein Trick-Festival vom Feinsten. Chicanes von Lukas Goller bis hin zu Double Flips von Tyler Charlton – nebenan sahen wir einen Banger nach dem anderen. Die Landung konnten wir nicht sehen und so sprachen wir uns selbst Mut zu, denn bestimmt waren die Tricks nicht gestanden, keine Frage!

Innerlich erging es uns beim Blick zur Nachbarbaustelle wie zuvor den anderen. „Fuck, deren Landung ist viel besser als unsere, mit der könnten wir viel mehr Gas geben als die!“ „Shit, der 5er war gestanden. Mann, jetzt muss ich noch mal hoch und ’nen 7er sauber in die Landung setzen!“ Gewiss handelt es sich hierbei um ganz normalen Sportsgeist und keineswegs um die eingangs angesprochenen Streiteren unter Freunden…

Der mehr oder minder erfolgreiche Tag liess letztlich Annerkennung für die jeweils andere Crew über unsere Lippen kommen. Spätestens der knurrende Magen und die trockene Kehle vereinten uns wieder zu einer Gemeinschaft. Wie schon in den Jahren zuvor ist das „Schusterhäusl“ im Herzen Flachaus unser zweites Zuhause, denn dessen vorzügliche Küche sorgte auch im dritten Jahr wieder für massive Gaumenorgasmen. Ein Prost auf das „Schusterhäusl“ und den Golden Hill: einer für alle, alle für einen! In den darauf folgenden Tagen trennten sich unsere Wege.

Fälschlicherweise schickten wir die Pirates in ein Areal, welches aus der Ferne viel versprechend aussah, jedoch eher bescheidene Möglichkeiten für anständige Filmaufnahmen zu bieten schien.

 

Mit einem schelmischen Grinsen hikten Marco, Jules, Vlady und ich in entgegengesetzter Richtung in eine Bowl mit der Gewissheit, auf dem richtigen und nicht wie die Piraten dem Holzpfad zu sein. Mit Schweissperlen auf der Stirn erreichten wir den Gipfel und fanden vor uns, warum der Golden Hill Golden Hill heisst. Trotz der ausbleibenden Schneefälle lag ein unberührter Playground vor uns, der unser schelmisches Grinsen zu einem Big Smile anwachsen liess.

Nach einer spassigen Tiefschneeabfahrt schnallten wir unsere Bretter inmitten von unzähligen Pillows und diversen Kicker-Landungen von den Füssen. Das war der „place to be“ und unser Bowl für die verbleibende Woche! Wir begannen mit einigen kurzen Pillow-Lines, bevor wir am folgenden Tag zwei Kicker bauten. Die endlosen Hikes nach den Landungen zurück zum In-Run liessen Jules und Marco schnell müde Beine bekommen. Wir hatten genug vom Kicker-Schaufeln und von anstrengenden Hikes und konzentrierten uns in den letzten beiden Tagen des Golden Hill ausschliesslich auf Natural Jumps. Gibt’s denn was Besseres?

Ganz im Gegensatz zu den Pirates. Als wollten sie dem bevorstehenden Frühling mit gestählter Brust und Sixpack entgegentreten, bauten die Jungs einen Kicker nach dem anderen. Ganz zu unserer Verwunderung blieben die Pirates für die verbleibende Zeit in ihrem von uns als minderwertig eingestuften Gelände. Am vorletzten Morgen der Woche herrschte Unruhe im Chalet. Jemand hatte nachts vor Fett triefende Salamischeiben in die Boots einiger Pirates gesteckt. Schnell war ein Sündenbock gefunden: Eifersüchtig auf die Pirates, weil sie angeblich besseres Material zusammenbekämen, hätten wir Absinthler ihnen die stinkende Wurst in die ohnehin übel müffelnden Boots gestopft.

Völlig überfordert von der Anschuldigung, aber köstlich amüsiert rollten wir aus den Betten und begaben uns zum Ort des Geschehens. Keiner von uns hatte sein Bett in der letzten Nacht verlassen, wir verstanden nur Bahnhof. Bestimmt hatten sie selbst den schlechten Scherz inszeniert, um sich für die Irreführung auf dem Berg an uns zu rächen. Nach einigem Hin und Her und etliche Tassen Kaffee später begruben wir das Kriegsbeil, ohne jedoch den Sachverhalt geklärt zuhaben. Beide Teams sahen sich in der Opferrolle, so gab es wenigstens keinen eindeutigen Schuldigen. Der blaue Himmel liess auch keine weiteren Diskussionen zu, denn es gab keine Zeit zu verlieren. Das Salami-Attentat vergessen, liessen wir den letzten Shred-Tag auf der Hubertusalm bei unzähligen Drinks ausklingen.

Flachauwinkl hatte dem Namen Golden Hill einmal mehr alle Ehre gemacht, darin waren wir uns alle einig. Zu später Stund schnallten wir uns unterm Sternenhimmel ein letztes Mal die Bretter unter die Füsse und begaben uns zu Tale. Alle Sticheleien waren vergessen und die gemeinschaftliche Blindflugabfahrt ins Tal liess ein starkes Wirgefühl aufkommen.

Vereint und in bester Feierlaune liessen wir die Nacht in Flachau zu unserer Nacht werden. Etliche hundert Euro ärmer und nach einigen trocken gelegten Zapfhähnen eierten wir in der Morgensonne nach Hause und waren uns einig: einer für alle, alle für einen! Zufrieden fiel jeder in sein Bett, wenn er es bis dorthin geschafft hatte. Bis zum nächsten Golden Hill! Gute Nacht.

 

 

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