Die Geschichte einer Mutter, die ihrem Sohn half seinen Traum zu verwirklichen.
Niek Ducro (50) ist eine Frau, die sich bestens im Snowboarden auskennt! Bei den meisten wichtigen Wettbewerben der letzten Jahre stand sie in der ersten Reihe, um ihren Sohn anzufeuern. Nachdem Seppe im vergangenen Jahr den ersten TTR-Sieg seiner Karriere und schlussendlich auch den Titel des TTR-Big-Air Champions 2011/12 für sich verbuchen konnte, war es an der Zeit Mutter Smits zum Gespräch zu bitten und den Verlauf von Seppes Karriere einmal aus ihrem „Blickwinkel“ zu erfahren.
TEXT & INTERVIEW: MEIKE VETTER; FOTOS: BAVO SWIJGERS
›Die höchste Erhebung Belgiens misst knappe 700 Meter. Hätte es da nicht auf der Hand gelegen, dass Seppe eine Rennradprofi-Karriere einschlägt? ›[lacht] Ja, eigentlich schon, dafür ist Belgien ja sehr bekannt, aber er war nie in dieser Richtung interessiert. Für eine Weile war er in einem Basketballverein, konnte sich aber nicht dafür begeistern. Mit drei Jahren lernte er in den Alpen Skifahren und einige Zeit später wollten er und sein Bruder Snowboarden ausprobieren. Sie waren sofort Feuer und Flamme.
›Ist Seppe also im Urlaub zum Snowboarden gekommen? ›Seppe und sein älterer Bruder Anthony haben im Urlaub jemanden Snowboarden gesehen und wollten es unbedingt selbst testen. Wieder zurück in Belgien nahmen sie an einem einwöchigen Camp in einer Halle teil und haben es von Tag eins an geliebt! In den darauf folgenden Jahren haben wir versucht es mit Skifahren zu mischen, aber sie hatten nur noch Snowboarden im Kopf.
›Du bist eine der Mütter, die bei Contests regelmäßig vor Ort sind. ›Der erste Contest an dem die Jungs teilnahmen war die Snowpark-Tour, Seppe war damals 12 Jahre alt. Wir packten freitags nach der Schule das Auto und sind die ganze Nacht durchgefahren, am Morgen fuhren sie ihren ersten Wettkampf in Innsbruck. Wenig später folgte Seppes erster TTR-Contest, die BEO. Wir haben versucht ihnen möglichst viele Contests zu ermöglichen, sie hatten unglaublich viel Spaß, haben einige gute Resultate erlangt und da sie noch sehr jung waren, haben sie natürlich ihre Mom gebraucht, die sie hin und her fährt. So war ich von Anfang an dabei.
›Du hast immer den Chauffeur gespielt, war das nicht sehr zeitaufwendig? ›Als ich schwanger wurde habe ich aufgehört zu arbeiten, ich wollte meine Kinder immer selbst aufziehen, wodurch ich mehr Zeit hatte als berufstätige Mütter. Insgesamt haben wir vielleicht vier oder fünf Trips pro Saison unternommen, dadurch hielt sich der zeitliche Aufwand in Grenzen.
›Was waren deine Beweggründe deinen Kindern ein solches Hobby zu ermöglichen? ›Seppe und Anthony waren verrückt nach Snowboarden! Sie haben über nichts anderes gesprochen, haben Videos geschaut und sich riesig gefreut, wenn sie eine Chance bekommen haben draußen zu fahren. Damals wie heute kann ich sagen: Wenn sie glücklich sind, bin ich es auch!
›Hast du es als deine Berufung angesehen den Jungs ihren Traum zu verwirklichen? ›Ja, eigentlich schon, wobei es für mich keine Pflicht, sondern ein Vergnügen war. Es hat mir Freude bereitet mit ihnen unterwegs zu sein, ihnen beim Snowboarden zuzuschauen und zu sehen,wie sie sich gegenseitig pushen. Sie haben aufgeschaut zu anderen Fahrern, sich gewünscht jemals einen 720° zu schaffen und waren mit so viel Leidenschaft dabei.
›Hast du Snowboarden als Sport gesehen, in dem deine Kinder profitablen Erfolg haben können? ›Nein, weil es immer eine Traumwelt war! Es ist ein so kleiner Kreis an Fahrern, die wirklich an der Spitze fahren können, dass es lange Zeit utopisch erschien. Seppe hatte Glück, dass er im richtigen Alter am richtigen Ort war und sich beweisen konnte. Erst durch seine persönliche Entwicklung dachte er irgendwann vorsichtig darüber nach: „Hey, vielleicht könnte ich es ja wirklich schaffen!“. Jetzt ist er natürlich überglücklich, dass ihm die Möglichkeit, das Talent und die Unterstützung gegeben wurde seinen Traum wahr werden zu lassen.
›Wann habt ihr realisiert, dass Seppe Pro werden kann? ›Ich glaube, als er 2009 am O’Neill Evolution teilnahm und sich durch die gesamte Qualifikation bis auf Platz zwei vorfuhr. Es waren so viele namhafte Fahrer vor Ort und er hätte nie geglaubt, dass er so gut abschneiden würde. Einige Wochen später wurde er zweiter bei den FIS Weltmeisterschaften in Korea. Ungefähr zur selben Zeit haben wir beide Jungs auf eine Sportschule wechseln lassen. So war es möglich, dass sie mehr Freiheiten fürs Snowboarden bekommen konnten. Zwar wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie die Zukunft aussehen würde und es war mit einem gewissen Risiko verbunden, doch wir waren bereit dieses einzugehen.
›Es hört sich so an, als hättet ihr euren Kindern Entscheidungsfreiheit gewährt? ›Naja, wir haben schon darauf geachtet, dass sie ihre Schule beenden. Auf der Topsport-Schule hatten sie die Möglichkeit, sowohl ihrer schulischen Ausbildung als auch ihrer sportlichen Karriere nachzugehen. Mit 18 Jahren wollte Seppe zur Universität, hat dies aber nach zwei Jahren vorerst beendet, weil es zeitlich nicht zu vereinbaren war. Ich bin der Meinung, dass es auch später noch möglich ist zu arbeiten oder zu studieren und dass Seppe momentan das tun soll, was ihm Freude bereitet und worin er seine Zukunft sieht.
›Was hältst du von Leistungssport? ›Ich finde es gut, dass es Wettkämpfe speziell für Kinder gibt, in denen sie sich mit Gleichaltrigen messen können, aber man darf als Eltern seine Kinder nie in eine bestimmte Richtung drängen oder gar zwingen einem Sport oder Training nachzugehen. Man sollte viel mehr abwarten und sehen wie es sich entwickelt. Für uns war immer wichtig, dass sie Spaß am Sport haben, unabhängig vom Erfolg.
›Also war es Seppes Entscheidung an Contests zu starten? ›Absolut, es war immer sein Wunsch überall dabei zu sein. Ich kann mich nicht an einen Tag erinnern, an dem er keine Lust hatte zu snowboarden,.Selbst jetzt, wenn er nach zwei Monaten mal nach Hause kommt, will er einen Tag später bereits wieder auf sein Brett! Das war schon immer so.
›Glaubst du diese Leidenschaft unterscheidet Snowboarden vom Leistungssport? ›Definitiv! Als die Jungs noch Basketball gespielt haben, habe ich viele strenge Eltern erlebt. Es wurde geschrien, die Kids standen unter hohem Druck und meist ging es darum, wer die meisten Punkte erzielt. Für mich ist dieses Vorgehen nicht nachvollziehbar, wenn man ein Kind zu einer bestimmten Sportart zwingt oder es unter Druck setzt, wird es nie erfolgreich sein! Was Snowboarden darüber hinaus besonders macht ist, dass es kein Konkurrenzdenken untereinander gibt. Alle Fahrer sind befreundet, pushen sich gegenseitig und freuen sich über den Erfolg des Anderen. Mir gefällt, dass es nicht rein um Gewinnen oder Verlieren geht, denn das ist extrem selten geworden.
›Wie haben sich die Karrieren von Seppe und Anthony über die Jahre entwickelt? ›Zu Beginn waren beide ungefähr gleich auf und fuhren auf demselben Level, dann kam ein Jahr in dem Anthony besser war, gefolgt von einem in dem Seppe mehr Tricks auf Lager hatte, so haben sie sich gegenseitig gepusht. Vor ungefähr vier Jahren hat sich Anthony schwer am Knie verletzt und musste operiert werden. In dieser Zeit hat Seppe ihn überholt, während Anthony wochenlang gar nicht fahren konnte. Dazu kam, dass Anthony nie ein guter Contest-Fahrer war, er wurde immer sehr nervös und konnte den Druck nur schwer kompensieren. Seppe hingegen ist total relaxt und fährt umso besser, je mehr Stress herrscht. Es gab nie Rivalitäten oder gar Neid zwischen den Beiden, ganz im Gegenteil: Sie sind Brüder und beste Freunde.
›Deine Jungs fahren heute selbst Auto, trotzdem trifft man dich noch immer an Wettbewerben an. ›Bei Contests herrscht immer eine spezielle Atmosphäre, es ist anders, wenn man live dabei ist. Man trifft andere Eltern und Menschen, die man seit Jahren kennt, das will ich nicht missen, auch wenn sie inzwischen selbst Auto fahren. Es gibt Events, die Tradition sind, wie etwa der Quiksilver Spring Battle in Flachauwinkl. Ich mag den Ort, die Organisatoren und das ganze Drumherum, es ist wie ein kleiner Urlaub, wenn ich meine Jungs dorthin begleite. Seit sie alt genug sind bin ich ja nicht rund um die Uhr mit ihnen zusammen, sie übernachten in den Rider Unterkünften, ich im Hotel. Manchmal bleibt nicht einmal Zeit sich zu unterhalten, aber das ist in Ordnung. Ich bin glücklich, wenn meine Kinder Spaß haben.
›Und was glaubst du, denken sie darüber nach, „die Mama“ mit dabei zu haben? ›Ich habe sie schon oft gefragt, ob es für sie in Ordnung ist. Und anscheinend freuen sie sich, wenn ich mitkomme. Wenn wir bei einem Contest sind, halte ich mich meist aus allem raus. Sie sind alt genug ihre Entscheidungen alleine zu treffen.
›Seit Seppe auf den Topplätzen der TTR steht und auch im belgischen TV zu sehen war, hat sich einiges in eurem Leben verändert, oder? ›Ja, das stimmt [lacht]. Freunde fragen mich ständig wie es ihm geht, was er macht und wo er gerade ist. Seppe selbst wird ab und zu auf der Straße erkannt und um ein Autogramm oder Foto gebeten, aber es ist nicht so, dass er nicht mehr raus gehen könnte.
›Ist Popularität etwas, das eine Mutter stolz macht? ›Natürlich sind wir stolz, und wie! Sorgen mache ich mir keine, er ist nicht der belgische Shaun White und so extrem würde es hier auch nie werden. Seppe ist mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben und es gefällt ihm, dass Leute ihm eine gewisse Aufmerksamkeit schenken.
›Hättest du dir solch einen Erfolg zu Beginn seiner Karriere erträumen lassen? ›Nein, man schaut eher zurück und realisiert, was er erreicht hat. Wir hätten nie gedacht, dass er mit Snowboarden so bekannt wird. Snowboarden war in Belgien bislang kein Thema. Es gibt hier einfach keine Berge und es gibt keine erfolgreichen Wintersportler im Land. Jetzt fängt es langsam an, da das nationale Fernsehen alle Rechte der TTR kauft, um die 6 Star Contests zu zeigen. Es ist schön zu sehen, dass Snowboarden durch Seppe mehr Aufmerksamkeit bekommt.
›Wie sieht es mit den Olympischen Spielen aus? ›Das wird sicher spannend, den Einzug nach Vancouver hat er damals nur knapp verpasst und bereits jetzt wird er in jedem Interview nach Sotchi gefragt! Der Druck ist bereits da, aber er sieht es recht locker. Er will versuchen sich zu qualifizieren. Olympia ist ein wichtiges Ziel für ihn, aber nicht das Wichtigste! Es ist EIN Contest in vier Jahren. Er ist sich bewusst, dass alles auf einen Tag ankommt, an dem man in Topform sein muss. Für ihn zählt es mehr, die gesamte Saison über konstant gute Leistungen zu zeigen, als an einem Tag eine olympische Medaille zu gewinnen.
›Machst du dir Gedanken, was einmal sein wird, wenn Seppe zu alt ist oder sich schwer verletzt? ›Generell hoffe ich, dass er noch so lange fahren kann wie er möchte und bin mir sicher, dass er danach in der Snowboard-Industrie bleiben wird, vielleicht als Coach oder so etwas. Vielleicht ändert er seine Meinung auch und studiert noch einmal, aber das kann ich mir nicht vorstellen [lacht].
›Was planst du für die kommenden Monate? Willst du Seppe weiterhin begleiten oder wird er langsam flügge und verlässt das elterliche Nest? ›Er ist bereits sehr selbstständig und wird den Winter voraussichtlich in Österreich verbringen, aber ich werde weiterhin an dem einen oder anderen Contest vorbeischauen. Zum Big Air in London plane ich einen City-Trip mit Freunden, wir verbringen das Wochenende in der Stadt und schauen den Contest an. Den O’Neill Evolution in Davos und den Air & Style werde ich sicher nicht verpassen, genauso wie den Quiksilver Spring Battle.
›Das heißt, ihr seht euch nicht mehr all zu häufig. Fällt es dir schwer loszulassen? ›Schon ein wenig, aber man muss Kindern ihr eigenes Leben lassen! Er ist jetzt 21 Jahre alt und so glücklich mit dem was er macht, da darf man ihn nicht aufhalten oder einengen. Auch wenn wir uns seltener sehen, die Zeiten die er zu Hause verbringt sind dafür umso kostbarer.
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