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Rider

Terje Haakonsen

Terje Haakonsen ist die Galionsfigur des Snowboardens. Als er vor gut 20 Jahren die Snowboardbühne betrat, ändert sich alles. Sein Riding beeindruckte die ganze Welt und seine Meinung wurde zum Gesetz. Terje hatte schon immer seine eigene Sicht der Dinge und war sich nie zu schade, seinen oft aneckenden Standpunkt auch zu äussern. Nicht zuletzt durch Statements wie seiner Nichtteilnahme an den Olympischen Spielen 1998, seiner kritischen Meinung gegenüber dem IOC und der FIS oder auch durch die Gründung der TTR ist Terje zum einflussreichsten Charakter des Snowboardens geworden. Keine Frage, dass im 150. MBM die Dinge aus dem Blickwinkel des egozentrischen Norwegers nicht fehlend dürfen.

Du warst ja in den letzten Tagen echt schwer zu erreichen. Lag das an der Absage der Arctic Challenge?
Nicht wirklich, es kam einfach viel zusammen: Weihnachten steht vor der Tür und ich musste mich um eine Investition kümmern, die nicht wirklich gut gelaufen ist.

Geheime Projekte oder kannst du uns erzählen, worum es dabei geht?
Ich habe Geld in ein paar Bäcker investiert und die Bäcker haben einfach nicht performt, wie ich es mir vorgestellt habe.

Hat das mit deiner Bio-Bäckerei „Korn“ zu tun?
Ja, es ist eine Bio-Bäckerei und ein Café. Die Bäckerei habe ich geschlossen, da ich mich von meinen Partnern trennen musste. Das Café werde ich aber behalten. Meine Partner haben komplett die Kontrolle verloren und ich bin wahrscheinlich selber schuld, dass ich ihnen blindlings vertraut habe.

Ist „Korn“ dein Plan B, wenn du mal vom Snowboarden die Schnauze voll haben solltest?
Nein, ich habe sie gekauft, damit ich Zugang zu qualitativ hochwertiger Nahrung habe. Ich werde durch das Café nicht reich, aber es macht Spaß und ich habe gutes Essen.

Seit wann hast du die Bäckerei?
Wir haben im 2006 eröffnet und es lief auch verdammt gut. Aber plötzlich wollte einer der beiden Bäcker, ein totaler Hypochonder übrigens, einfach nicht mehr backen. Leider war er der absolut beste Bäcker, und als er keinen Bock mehr hatte, wurde die Qualität der Produkte schlechter.

Die Arctic Challenge hast du zur Green Challenge gemacht. Wie kam es dazu?
Ich glaube, das hängt schon mit dem kleinen Ort zusammen, wo ich herkomme. Ich hatte so gut wie keinen Kontakt mit Umweltverschmutzung und zum Beispiel Müll auf den Straßen. Erst als ich anfing, die großen Städte auf der ganzen Welt zu bereisen, wurde mir bewusst, was überhaupt abging. Smog, Müll, all die riesigen Fabriken – ich bekam plötzlich die Zerstörung hautnah mit. Die Sache mit dem gesunden Essen fing in den USA an. Die meisten, mit denen ich unterwegs war, waren zehn bis 15 Jahre älter, sie waren die Athleten, zu denen ich aufgeschaut habe und sie haben meistens versucht, sich gesund zu ernähren. Noch mal zur Umweltverschmutzung: Es gibt so viele Kleinigkeiten, die sich durch die vielen Menschen auf der Welt summieren. Ich habe schon vor zehn Jahren zu Freunden gesagt, dass wir einige Klimaveränderungen in kurzer Zeit erleben werden. Wenn man viel reist, kann man die Veränderungen gut verfolgen.

Ganz speziell in den Bergen, wo uns die Gletscher vor der Nase wegschmelzen…
Richtig. Eigentlich ist das Know-how ja da, aber große Firmen und Konzerne wollen einfach nur Geld machen und lassen eine Verbesserung gar nicht erst zu. Wo viel Geld ist, scheint kein Platz für Moral zu sein. Um zur Arctic Challenge zurückzukommen: Auf all den Events in den 90ern haben wir nur schlechtes Essen bekommen. Wenn du aber als Sportler, der den ganzen Tag draußen ist und eine Menge Energiebenötigt, nur Weißbrot, Nutella, fettigen Käse und fettige Wurst bekommst, dann füllt es dich ab und verstopft dich. Als ich die Arctic Challenge ins Leben rief, wollte ich unbedingt, dass alle Teilnehmer die Erfahrung machen, sich auch gut ernähren zu können. Wir bekommen sogar Unterstützung von der Gemeinde und vom Staat.

Warum handeln nicht mehr Events so?
Es ist leider auch eine Frage des Gelds. Außerdem hängt es auch viel mit den Sportlern zusammen, die als Vorbild dienen müssen und sich nicht nur voll saufen sollten und ihren Mist in die Gegend schmeißen.

Lass uns ein wenig über Snowboarden sprechen. Wenn du auf deine Karriere zurückblickst, würdest du alles noch einmal so machen?
Natürlich nicht. Aber es ist, wie’s ist. [lacht]

Na gut, aber würdest du heutzutage noch viele Contests besuchen oder dich aufs Filmen konzentrieren?
Ich denke, es wäre kein allzu großer Unterschied, denn nach 1994 gab es nur noch eine Saison, in der ich an mehr als sechs Contests teilgenommen habe – und davon war dann sogar noch einer ein Boardercross oder der Banked Slalom. Ich glaube, dass ich damals eine ganz gute Balance gefunden habe. Trotzdem war aber frustrierend, dass der eigentliche Grund, warum man mit dem Snowboarden angefangen hat, das Freeriden und der Spaß, gefehlt hat. Es schien so, als ob alles, was zählte, eine Rangliste war. Klar ist das gut für die Sponsoren, aber ich wollte versuchen, beides unter einen Hut zu bringen. In dem damaligen System sollte man aber nach Möglichkeit so viele Contests wie nur irgend möglich fahren.

Apropos Mt. Baker Banked Slalom: Weißt du noch, wann du dort switch gefahren bist?
Ich glaube, 1996.

Aber im Finale bist du nicht switch gefahren?
Das denken zwar viele, aber es ist Quatsch. Ich bin die komplette Quali switch gefahren und hab mich auf dem vierten Platz qualifiziert. Wenn ich so zurückdenke, war das doch auch ganz gut, oder? [lacht sich schlapp] Ich hab damit eine ganze Menge Leute angepisst.

Im Auszug von David Benedeks Buch habe ich gelesen, dass du gesagt hättest, Fahrer hätten früher mehr Freiheiten gehabt. Denkst du, Snowboarden ist heute zu streng, um auch mal so einen Spaß zu machen?
Nicht zu streng, aber es gibt viel größere Erwartungen von Sponsoren und der Industrie. Man muss da gar nicht so weit zurückschauen, um zu sehen, dass es viel einfacher für Rider oder Events war, sich einen Namen zu machen. Es gab mehr Unikate und die Standards waren noch nicht so hoch. Außerdem ist das Level immens gestiegen, es gibt besseres Equipment und die Kids fangen immer früher an. Wenn man sich mal die Tricks anschaut, die heute möglich sind, die haben wir damals nur in Videospielen gemacht. Auf manchen Contests fühlt man sich mittlerweile wie in einem Videospiel.

Siehst du die schnelle Progression und den Druck der Sponsoren als Gefahr, dass sich junge Rider nicht mehr richtig entwickeln können?
Na ja, es gibt schon viele schlechte Berater und Manager beziehungsweise welche, die sich nur dafür halten. Und dann gibt es andere Firmen, die nicht einmal verfolgen, was ihr Team so macht. Natürlich ist es Business wie in anderen Sportarten, aber ich habe manchmal das Gefühl, dass sich dort mehr um die Athleten gekümmert wird. Wenn sich ein junger Sportler dafür entscheidet, eine Profikarriere anzustreben, sollte jemand darauf achten, dass die Ausbildung nicht zu kurz kommt. Man sollte immer einen Plan B haben. Ich bin aber niemand, der die schnelle Entwicklung verurteilt. Es ist eine junge Sportart und ich habe es ja auch 20 Jahre aktiv mitbekommen.

Du sollst auch gesagt haben, dass man sich, um den Soul des Snowboardens am Leben zu erhalten, von Photoshootings fern halten solle. Wie war das gemeint?
Da kann ich mich wohl auf gestern Abend beziehen: Ich würde sagen, ich war nicht unbedingt richtig snowboarden, ich habe versucht, ein gutes Bild in den Kasten zu bekommen. Das soll nicht heißen, dass ich bei solchen Shootings nicht auch Spaß hätte, aber es ist besser, wenn man sich um Fotografen und Blitze und so ein Zeug keine Gedanken machen muss und einfach nur shredden gehen kann.

Da wir mitten im olympischen Winter stecken, komme ich um die Frage leider nicht rum, ob du die Spiele im Februar verfolgen wirst.
Wenn ich gerade zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin, dann schon. Aber ich werde mir nicht fest vornehmen, mich vor den Fernseher zu setzen. Das Finale von Turin 2006 habe ich gesehen und das Riding war wirklich verdammt gut. Nur die TV-Produktion und Übertragung waren einfach Scheiße!

Ist es nicht schizophren, dass Fahrer alle vier Jahre zu FIS-Bewerben rennen, um sich zu qualifizieren und sonst nichts mit der FIS zu tun haben wollen?
Ja und nein. Manche dieser Rider wollen Karriere machen und da ist eine Teilnahme an den Olympischen Spielen eine Menge Geld wert. Die ganze Welt sieht ja zu. Wenn das IOC die Kontrolle über die Snowboard-Qualifika tion nicht an die FIS geben würde, hätte die FIS überhaupt nichts in Sachen Snowboarden zu melden. Das IOC ist zwar ein Art „Pate des Sports“, aber das IOC ist auch eine der korruptesten Organisationen überhaupt. Ich verstehe nicht, warum es so sehr respektiert wird, obwohl sie nur dubiose und fragwürdige Deals macht. Das System ist ziemlich old-fashioned. Das mag unsere Generation vielleicht verstehen, aber zum Beispiel auch mein Vater möchte, dass Norwegen gut abschneidet und eine Menge Medaillen holt. Mit dieser Sichtweise vergisst man aber die Individualität eines jeden Sportlers. Oh Mann, ich könnte ein Buch darüber schreiben…

Wann dürfen wir mit dem Buch rechnen?
Das kann dauern, denn das Thema scheint endlos mit all den Manipulationen und dem Mist, der da passiert. Das hat nichts mehr mit Sport zu tun. Wenn das IOC Respekt für unseren Sport hätte, hätten sie damals die Kontrolle der ISF gegeben. Dann könnten auch Mainstream-Medien verstehen, warum die besten Fahrer der Welt bei den European Open sind und nicht auf der gleichzeitig stattfindenden FISWeltmeisterschaft. Die verstehen das nicht und stellen dann die Glaubwürdigkeit unseres Sports in Frage. Die FIS packt einfach nur viele Events auf den Kalender und spult sie dann ab, sie experimentieren nicht, was für Snowboarden gut sein könnte. Wenn die ISF die Kontrolle gehabt hätte, wäre wahrscheinlich auch Slopestyle mittlerweile eine Disziplin.

Und nicht Giant Slalom!
[lacht] Genau! Was ich noch sagen wollte, ist, dass die Top-Rider besser zusammenhalten müssen. Für jüngere Fahrer sind halt die FIS und Olympia weitere Optionen, um auf sich aufmerksam zu machen. Was man auch nicht vergessen darf, ist, dass zum Beispiel die USA oder Finnland mehr als nur vier Fahrer zu den Spielen schicken könnten, aber das Reglement lässt nur vier zu, auch für Länder, deren Fahrer kaum übers Coping kommen. Solche Regeln sind doch lächerlich! Und erst die Kleiderordnung! Wer will schon Danny Kass in Burton-Klamotten sehen?

Sollten denn die Top-Rider, wie du schon gesagt hast, nicht besser zusammenhalten und der FIS mal ein „Fuck you“ zeigen und einfach nicht mehr teilnehmen?
Ich hoffe natürlich, dass das einmal passiert.

Sind Snowboarder, was das angeht, heutzutage zu opportunistisch?
Man sollte auf jeden Fall mehr Integrität und vor allem Eier zeigen!

Und wie denkst du über eine private Pipe, um für den Goldgewinn zu trainieren?
[lacht] Allein das zeigt schon das schlechte Format. Jeder weiß schon jetzt, was wir für Tricks von jedem Fahrer sehen werden. So steht die Platzierung doch schon vorher fest. Das ist ja wie Eiskunstlauf mit einem vorgegebenen Wertungsbuch. Die Kreativität bleibt auf der Strecke. Und da kommen auch wieder die Mainstream-Medien ins Spiel, die gar nicht wissen, warum ein Fahrer einen Double Cork kann und ein anderer nicht. Manche haben halt die Sponsoren und das nötige Budget hinter sich und andere nicht. Sollen zum Beispiel die norwegischen Kids ihre Corks auf Eis üben und sich verletzen? Ganz bestimmt nicht! Diesen Druck darf man nicht aufkommen lassen. Natürlich ist der Double Cork ein harter Trick, er gehört zur Evolution und klar sollten die besten Fahrer solch einen Trick beherrschen. Es gibt aber bei weitem mehr, besonders in der Pipe!

Ich merke schon, allein für das Thema „Olympische Spiele“ könnten wir ein zehnseitiges Interview füllen. Was können wir in nächster Zeit von dir sehen?
Ich mag es, an verschiedenen Filmprojekten beteiligt zu sein, aber ich muss nicht das Steuer in der Hand halten. Ich werde wahrscheinlich mit Burton filmen und für etwas Aufmerksamkeit sorgen; das ist aber noch nichts Spruchreifes.

Dann noch zwei lustige Dinge zum Schluss: Wie war denn das Freeriden im Sommer 1993? (1993 erschien im MBM eine Anzeige, auf der Terje als norwegischer Freeride- Teamfahrer einer Snakeboard-Firma dargestellt war.)
[lacht] Den Typen hätten wir am liebsten gelyncht! Auf einer Messe drückte er uns die Boards in die Hand, hat ein Foto gemacht und gesagt, er würde uns welche schicken. Dann habe ich irgendwann diese Anzeige gesehen und war echt sauer. Und ich habe auch nie solch ein verdammtes Board bekommen!

Und was denkst du über dein Portrait-Cover von 1996?
[überlegt lange und kratzt sich am Beanie] Na ja, wenigstens hatte ich noch Haare.

Wollen wir hoffen, dass du sie noch etwas behältst, und sagen vielen Dank für deine Zeit und für das Interview!

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