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Rider

Mike Olson

Terje, Travis, Shaun – wir alle verbeugen uns vor ihren Riding-Skills und dem, was sie für das Snowboarden alles geleistet haben. Doch die Fahrer sind nicht die Einzigen, die unseren Sport vorantreiben. Über die Menschen hinter den Kulissen wissen wir nur wenig, aber ohne sie gäbe es keinen Terje, Travis oder Shaun, wie wir sie heute kennen. Ein Mann tritt heute aus dem Hintergrund nach hervor und erzählt aus seinem Leben als Shaper, Gründer von Mervin, Erfinder von Cap-Bauweise, Magne-Traction und Banana. Sein Leben hört sich nach einer rasanten Achterbahnfahrt an, die nach vielen Höhen und Tiefen heute wieder ganz oben angekommen ist. Ladies und Gentlemen, hier kommt die unglaubliche Geschichte des Gründers von Gnu und Lib Tech Mike Olson.

Mike, dein Familienname Olsen hört sich europäisch an.
Eigentlich schreibt man mich ja mit einem o hinten, also Olson. Als meine Familie seinerzeit in die USA auswanderte, hatte die Einwanderungsbehörde netterweise das o akzeptiert und es nicht in ein amerikanisches e umgewandelt. Ursprünglich kommt mein Name von einer kleinen norwegischen Insel.

Olsen… oops, was für ein Start ins Interview! Aber wie heisst es so schön: Aus Fehlern lernt man. Fehler zu machen war wahrscheinlich auch dein tägliches Brot, als du 1977 an deinem ersten Snowboard basteltest.
Das stimmt. Meine einzige Orientierungshilfe damals waren Plastik-Snowboards von einer Spielzeugfirma und einige Fotos von Bob Weber Snowboards, die ich im „Skateboarder Magazine“ sah. Das „Skateboarder“ war zu dieser Zeit die Bibel für alle Skater.

Wie sah das erste Board aus und wie hat es funktioniert?
Das Board baute ich aus Furnierholz für Türen, hellgelbem Polyester-Harz und Fiberglass. Die angeschraubten Stahlkanten waren ein echter Kracher. Als Bindungen montierte ich Stahlhaken, die, wie sich später herausstellte, höllisch wehtaten und bei erstem Schneekontakt zu rosten begannen, ebenso wie die Stahlkanten… Ach ja, fälschlicherweise hatte ich das Board auch noch mit „Swix X-Country Sticky Wax“ für bessere Haftung gewachst – im Zusammenspiel mit den rostigen Kanten war also kein Vorwärtskommen möglich. Bevor das Board mit Schnee in Berührung kam, machte es optisch einiges her, danach war es nur noch rostiger Schrott. Mein erster Shape-Versuch ging also voll in die Hose.

Du bist aber an der Sache drangeblieben und hast dazugelernt. Dein Wissen war nicht immer nur von Vorteil für dich: Einige grosse Brands von heute sind damals erst durch dein Know-how auf die Beine gekommen.
Genau. 1985 kaufte ich meinen Stahl von einem netten Typen namens Doug, der bei K2 arbeitete. Eines Tages wollte er meine Boards sehen. Beim nächsten Besuch nahm ich ein Board mit und natürlich wollten es auch das komplette Ingenieursteam und der K2-Präsident sehen. Sie alle mussten mir ein Dokument unterschreiben – das ich noch heute besitze –, in dem sie bestätigten, dass sie keine Snowboards bauen werden. Einige Monate später gingen Pete Saari [Mitbegründer von Mervin; Anm. d. Red.], Dan Donnelly [Connelly Waterskis] und ich mit Doug und den K2-Ingenieuren nach Mt. Hood, um ihnen zu zeigen, wie Snowboarden funktioniert. Die Jungs trauten ihren Augen nicht, als sie uns mit unseren Gnus carven sahen. Die Techniker brachten noch ein Burton- und ein Sims-Board mit, allerdings waren sie von unseren Boards nach etlichem Testen völlig begeistert. Kurze Zeit später bot K2 an, unsere Bretter in einem Joint Venture bei ihnen zu produzieren. Nach 200 produzierten Gnu-Boards stand dann plötzlich „K2“ auf den Brettern und sie schmissen uns aus unserem eigenen Programm. K2 wusste, dass wir zu klein und mittellos waren, um ihnen etwas entgegenzusetzen, wodurch die Sache erledigt war. Wir entschieden, neu zu starten und durch bessere Arbeit mehr Produkte am Markt abzusetzen als K2. Das gelang uns auch, abgesehen von den Clicker-Bindungen in den späten 1990ern.

K2 war kein Einzelfall, richtig?
Leider nicht. Nitro war 1989/90 eigentlich ein Ableger von Gnu. Unser Vertrieb damals zahlte weder uns noch Lieferanten. Stattdessen nahmen sie die Kohle und gründeten Nitro. Leider gehörte der Vertrieb zu einem Unternehmen mit Rechtsabteilung, wodurch wir schon wieder das Nachsehen hatten. Sie probierten sogar, Pete und mich zu bestechen, dass wir unsere Firma an den Nagel hängen sollten, um in Zukunft für sie zu arbeiten. Pete und ich filmten sogar für das erste Nitro-Video, aber noch während der Dreharbeiten zerrissen wir unsere Schecks und gingen. Ein Jahr später zahlte Nitro dann die Board-Produktion nicht und neue Leute übernahmen die Firma. Glücklicherweise waren es zwei sympathische Jungs aus Deutschland: Sepp Ardelt und Tommy Delago. Den beiden gehört Nitro auch heute noch.

Ihr wolltet auch mal Rache an eurem Vertrieb für all die offenen Rechnungen üben.
In der Tat wollten wir das. Wir gründeten 1989/90 Lib Tech, weil es mit Gnu namensrechtliche Probleme gab. Wie auch immer, Gnu war dann 1991 für ein Jahr vom Markt, aber wir hatten schon 2.000 Gnu-Bases mit neonpinken Designs produziert. Später, als Erdtöne der letzte Schrei waren, versuchten wir, mit dem hässlichen Design von damals dem Vertrieb das Geschäft zu vermasseln. Leider fuhren sich die Boards gut und die Verkaufszahlen waren bombastisch… Im Jahr danach setzten wir designmässig noch einen obendrauf, aber die verdammten Bretter verkauften sich wieder. Im dritten Jahr packten wir Karotten und Golf-Club-Graphics auf die Boards und sie verkauften sich weiterhin. Heute ist Gnu eine gut gehende Marke – wie verrückt die Welt doch manchmal ist.

Mitte der 90er führte Lib Tech die Cap-Bauweise ein und hatte Jamie Lynn als Pro und Board-Designer. Plötzlich mischte Lib Tech international ganz oben mit. Wieso kam kurze Zeit später schon wieder der Einbruch?
Mit unseren eigenen Brands konnten wir keine ganzjährige Board-Produktion generieren, was wir aber mussten, um unser Darlehen abbezahlen zu können. Wir produzierten also 25.000 Boards für andere Brands, um eine Auslastung unserer beiden Fabriken zu erreichen. 1997 brach die komplette Branche ein und wir hatten nicht mehr genug Geld, um Rohstoffe für unsere eigenen Boards einzukaufen.

Quiksilver kaufte noch im gleichen Jahr Mervin.
Bob [Bob McKnights, CEO Quiksilver; Anm. der Red.] ist leidenschaftlicher Shredder und fuhr schon immer Lib-Tech-Boards. Es lag auf der Hand, ihn um Hilfe zu bitten. Es gab andere Brands, die mehr Geld in die Hand genommen hätten, um uns zu übernehmen, aber wir mochten Quik einfach lieber.

Alter: 46 Jahre
Wohnort: Porto de Angeles, Washington
Job: Epoxid-Handwerker
Snowboarding seit: 1977
Snowboarding 1977 war: klebend und rostig
Snowboarding 2010 ist: Total Banana – und macht mehr Spass denn je!
Lebensphilosophie: Nimm dir Zeit für dich, aber komm schnell zurück
Ich möchte erfinden: das Surfboard, das ich gestern getestet habe
Geld ist: etwas, was Menschen durcheinander bringt, egal ob sie zu viel oder zu wenig haben
Jamie Lynn ist: ein Angreifer von einem anderen Stern – oder doch einfach Hippie-Sohn
Travis Rice ist: eine Kitty Cat!
Mike Olson in fünf Wörtern: Ich esse unheimlich gerne Bohnen!

Würde es Mervin ohne Quiksilver heute noch geben?
Wir wären immer noch am Markt, aber wir hätten uns persönlich und geschäftlich völlig verändern müssen. Quik ist ein grossartiger Partner, der uns so bleiben lässt, wie wir sind.

Was hat sich mit dem Einstieg von Quik bei Mervin verändert?
Die grösste Veränderung ist wohl, dass wir uns sicherer fühlen. Ich muss mich nicht dreimal jährlich in einen Anzug zwängen, um in der Bank für ein neues Darlehen vorzusprechen. Unsere Angestellten haben nicht nur mehr Sicherheit, sie bekommen darüber hinaus noch gute Klamottenpreise bei Quik. Und meine Frau und Töchter haben Zugang zu den Inhalten des Roxy-Katalogs…

Mervin ist heute eine der wenigen Firmen, die trotz Finanzkrise ihren Umsatz steigern konnte. Wie erklärst du dir den neuerlichen Erfolg?
Dank Magne-Traction und Banana Tech haben wir unseren Absatz in den letzten drei Jahren verdoppelt. Zudem bauen wir unsere Boards selber in unserer eigenen Fabrik. Die meisten anderen Brands kaufen ihre Bretter von den gleichen Herstellern und packen am Ende nur ihr eigenes Design auf die Boards. Wir haben rund 100 Snowboarder, Skater, Surfer – Enthusiasten, die in Handarbeit jedes einzelne Board fertigen.

Erwartest du für Lib Tech und Gnu eine ähnlich erfolgreiche Entwicklung für Europa, wie sie zuletzt in den USA stattgefunden hat?
Da müsste man die Kristallkugel fragen… Lib Tech hatte die höchste Abverkaufsquote in den letzten beiden Jahren in den USA. Ich denke, wir sollten diese Botschaft unbedingt in Europa streuen!

„The world’s most environmental Snowboard brand“ ist auf eurer Homepage zu lesen. Das hört sich für mich nach einem dieser Standard-Marketing-Slogans an. Was ist an dem Slogan dran?
Wir befinden uns seit den frühen 80ern in einer ständigen Weiterentwicklung von sichereren und saubereren Produktionswegen. Lustig ist, dass sich in der Vergangenheit niemand für unser Engagement interessierte. Heute springen alle auf den grünen Zug auf, was eine gute Entwicklung ist. Es stimmt, dass viele Brands den grünen Gedanken vor allem als Marketing-Tool nutzen, wir tun aber wirklich was! Wir verwenden Plastik, das aus Castro-Bohnen hergestellt wird – und das schon seit zwei Jahrzehnten! Wir machen weder Siebdrucke noch verwenden wir glänzende Top-Sheets. Beim Siebdruck und Lackieren entstehen zu viele schädliche Dämpfe. Wir benutzen keine ABS-Seitenwangen, dafür schnell wachsendes Holz für unsere Kerne. Wir verwenden Bambus seit Mitte der 90er, wir recyclen unser Plastik und unsere Sägespäne direkt auf unserem Gelände und haben eine Biodiesel-Pumpe im Einsatz. Wir haben sogar eine Elektro-Tankstelle für unsere Mitarbeiter mit Elektroauto.

Cap-Bauweise, Banana Tech, Magne-Traction, Skateboards aus einem Holz-Carbon-Gemisch, Surfboards, die man aus dem dritten Stock auf die Strasse werfen kann, ohne dass sie kaputtgehen – du gehst konsequent deinen Weg…
Ich hatte schon immer eine Schwäche dafür, ständig bessere Boards zu bauen – entweder um damit besser fahren zu können oder um sie umweltfreundlicher zu gestalten. Beispielsweise habe ich schon Anfang der 80er-Jahre damit aufgehört, Surfboards aus Polyester/PU-Schaum zu bauen. Giftige und unstabile Materialien interessieren mich einfach nicht!

Als ich dich vor deinem Testlabor auf dem Mervin-Firmengelände nahe Seattle sah und du uns keinen Zutritt erlaubtest, musste ich etwas an den verrückten Professor aus „Zurück in die Zukunft“ denken… Woran tüftelst du im Moment?
Ich arbeite seit Jahren am Surfboard der Zukunft. Dieses Jahr ist mir endlich der Durchbruch gelungen. Vier der verwendeten Materialien gab es letztes Jahr noch überhaupt nicht. Die Surfboards sind sehr widerstandsfähig und trotzdem umweltfreundlicher produziert als alle bisherigen Surfboards. Und das Beste: Die Boards fahren sich fantastisch! Bis heute hatten wir an den Prototypen kein Ding Repair oder Druckstellen. Wir haben die Boards hier bei uns im kalten Wasser, auf Hawaii und in der übelsten Hitze in Zentralamerika getestet. Wir hoffen, mit den Boards nächstes Frühjahr auf den Markt zu kommen. Momentan bin ich auf einem Surf-Trip zum Testen in Costa Rica unterwegs.

Geld, Erfolg, Leidenschaft – was treibt dich noch an?
Meine Frau hat mir kürzlich dieselbe Frage gestellt. Meine Antwort war simpel und hörte sich fast wie eine Marketing-Slogan an: Ich möchte bessere Boards fahren und liebe es, dem Unbekannten nachzujagen.

Apropos unbekannt, NAS steht für..?
Narrow Ass Snowboard!!!

Ihr produziert also auch Ski. Habt ihr keine Angst, euer Gesicht in der Snowboard-Gemeinde zu verlieren?
Wir bauen schmalere Snowboards! Wenn ein Snowboarder entscheidet, sich unter jeden Fuss ein Board zu schnallen, verdoppeln wir unseren Umsatz und schaffen gleichzeitig neue Arbeitsplätze für mehr Snowboarder.

Kam der Impuls für die Ski von Quiksilver?
Null! Die hatten keine Ahnung, dass wir schmale Snowboards bauen. Als sie die Boards zum ersten Mal sahen, meinten sie nur, dass man bei den Boards wohl ziemlich weit mit Zehen und Ferse überstehen würde…

Mervin brüstet sich damit, Geburtsstätte der Banana zu sein, auch Rocker genannt. Mir kam zu Ohren, dass ihr an den Rechten für die Bauweise dran seid.
Das Patent wurde nach vierjähriger Prüfung gerade jetzt bestätigt! Du bist tatsächlich der Erste, der es erfährt.

Wow, krasse News, mein Glückwunsch! Wie wird’s jetzt weitergehen und was bedeutet das für die gesamte Snowboard-Industrie, die ja für die Zukunft komplett auf das Rocker-Pferd gesetzt hat?
Das wird wohl lustig werden… Ein paar komische Brands wollten ebenfalls Ansprüche geltend machen. Ihnen wird es bei der Nachricht die Gesichter einfrieren. Einige Firmen waren freundliche und faire Konkurrenten, andere waren fies und hinterfotzig. Die ersten zwei Jahre, als wir mit Banana am Markt waren, wurde über uns nur gelacht. Jetzt sind fast alle auf den Siegeszug aufgesprungen. Es wird in nächster Zeit wohl tolle Geschichten geben, aber es werden sich auch Dramen abspielen.

Mike, wir sind am Ende des Interviews angekommen. Wie sieht’s mit deinem Schlusswort aus?
Geniesst die Entfaltung der Banana-Saga! Alte Camber-Boards fahren sich schrecklich und waren gestern!

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