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Rider

Nicolas Müller

Nicolas Müller ist für viele der unbestrittene Superstar des Snowboardens: cool, stylish, unabhängig, rebellisch. Dass sich hinter dem ehemals Irokese tragenden Kopf weit mehr verbirgt als ein kleiner Punk mit seltenem Brettgefühl, das tut Nicolas in letzter Zeit immer öfter kund.

Selten nimmt er ein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, seine Überzeugungen abseits der Brettsportwelt preiszugeben. Dafür schräge Blicke zu kassieren, damit kann er leben. Ebenso wie mit der Annahme, dass ihm ein Grossteil der Snowboard-Welt wegen seiner Einstellung einen gewissen Grad an Verrücktheit nachsagen könnte. Nicolas spricht, wo andere schweigen. Oder, viel wahrscheinlicher noch, wo andere gar keine Meinung haben. Nur über Snowboarden spricht er nicht mehr gerne. Irgendwie verständlich, bedenkt man die zehn Jahre als Pro und all die Fragen um Methods & Co. Also unterhielten wir uns mit ihm weniger über Snowboarden, dafür umso mehr über das, was einem nach zehn Tagen Surf- und Literatur-Urlaub in Brasilien gerade durch den Kopf geht. Like it or not, auf jeden Fall ein Nicolas-Müller- und ein MBM-Interview der anderen Art.

Nicolas, du sitzt im Moment in Bahia in Brasilien in einem Internet-Café und…
… denke über das Buch nach, das ich im zurzeit lese.

Und das wäre?
Es heisst „Boten des neuen Morgens– Lehren von den Plejaden“ und wurde von der Amerikanerin Barbara Marciniak geschrieben… Oops, jetzt haben sich gerade alle im Café nach mir umgedreht.

Wegen dem Buchtitel?
Nein, wohl eher, weil ich mich mitten im brasilianischen Dschungel mit meinem Computer auf Schweizerdeutsch unterhalte…

Worum geht es in deinem Buch?
Wie der Titel schon sagt, geht es um die Plejadier, die Bewohner der Sterngruppe der Plejaden. Gemeinhin also Ausserirdische, obwohl wir uns hier nun definitiv nicht irgendwelche grünen Männchen à la Hollywood vorstellen sollten. Die Plejadier sind wie wir Menschen Wesen der Lichtfamilie, jedoch weiterentwickelt und mit einem höherem Bewusstsein. Barbara Marciniak erzählt in dem Buch von ihren eigenen und den Erfahrungen anderer Mit-Plejadiern.

Das hört sich nun aber doch alles sehr nach irrealistischem Hollywood an.
Das ist es ganz und gar nicht. Im Gegenteil, das Buch ist sehr system und gesellschaftskritisch. Es mahnt in erster Linie daran, wie sehr wir vergessen haben, im Einklang mit uns selbst und der Natur zu leben. Doch eigentlich sind wir Teil der Natur, je mehr wir sie achten, desto mehr achten wir uns selbst und desto mehr können wir erfahren, wer wir eigentlich sind.

Und die Plejadier helfen uns dabei?
Genau. Sie können uns zeigen, bewusster zu leben und so dem ganzen Universum zu helfen, da dies quasi den Urschöpfer erfreut. Kurz gesagt lehrt das Buch vor allem, die eigenen Emotionen zu achten, sie ernst zu nehmen und nach ihnen zu leben. Daraus würden auch unsere wahren Gefühle resultieren. Stattdessen leben wir aber in der ständigen Angst, etwas zu fühlen, zu denken oder zu tun, was das Allgemeine als falsch erachtet. Dazu kommen die ständigen Hiobsbotschaften über Krieg, Tod, Intrigen und so weiter. All diese negativen Emotionen generieren Angst und diese kontrolliert uns. Wir müssen uns stattdessen loslösen von negativen Einflüssen, und anfangen, autonom zu denken und zu fühlen.

Sind negative Emotionen nicht einfach nur etwas Menschliches?
Natürlich. Es geht ja auch nicht darum, diese grundsätzlich zu unterdrücken. Wir sollten uns aber nicht länger von Dingen manipulieren lassen, die bei uns negative Emotionen auslösen. Ich denke da beispielsweise an die Medien. Ich schaue nie fern oder lese Zeitung, weil mich dies mit negativen Emotionen überhäufen würde und ich mich nicht mehr auf meine eigenen Gefühle konzentrieren könnte. Es sind aber unsere eigenen Gefühle, die uns mit dem Leben verbinden und über die wir unsere Realität kreieren. Werden meine Gefühle negativ geprägt, so ist auch meine Realität eine negative – und das muss nicht sein.

Und das geht, ohne gleichzeitig ein Übermensch zu sein?
Wir sollten uns selbst diesbezüglich nicht unterschätzen. Im Buch wird beispielsweise davon geschrieben, dass wir Menschen eigentlich nicht nur zwei, sondern zwölf DNS-Stränge hätten. Eigentlich wären wir fähig, uns über Raum und Zeit hinwegzusetzen und grossartige Dinge zu schaffen. Wir könnten in anderen Dimensionen leben und wären eigentlich höher entwickelte Wesen.

Ohne dir zu nahe treten zu wollen, aber das hört sich für einen Aussenstehen den doch ziemlich verrückt an.
[lacht] Es ist auch für mich eine neue Welt. So wie ich es hier wiedergebe, ist es womöglich auch nur schwer nachvollziehbar. Wer sich dafür interessiert, sollte das Buch lesen. Man sollte dann aber auf jeden Fall offen sein für feinstoffliche Dimensionen neben unserer materiellen Welt. Schliesslich sind auch wir nicht nur aus Fleisch und Blut, sondern besitzen einen Geist und eine Seele. Wir sollten aufhören, nur an Dinge zu glauben, die wir anfassen können, und unser Leben nur auf materielle Dinge zu beschränken.

Das sagt jemand, der mit Arcus eine eigene Kleiderfirma besitzt und in erster Linie davon lebt, dass seine Sponsoren ihre Produkte verkaufen können?
Arcus und beispielsweise auch Burton machen im Moment eine wichtige Entwicklung durch, was die Produktionsweisen angeht. Ziel sollte sein, die Herstellungsprozesse so zu verbessern, dass wir am Ende irgendwann keine Abfallprodukte, sondern nur noch Nahrung für den nächsten Kreislauf übrig haben. Materielle Güter entstehen ja in unseren Köpfen, sie reflektieren unser Gedankengut. Ich bin überzeugt, dass, wenn wir mit Achtung auf das Leben produzieren, auch bessere Produkte herauskommen. Es kann nicht länger sein, dass in China Menschen unter Bedingungen arbeiten müssen, von denen sie krank werden, und wir streifen uns nachher ohne schlechtes Gewissen diese Kleider über.

Nur Geld für Materialien auszugeben, die unseren Lebensraum verschmutzen, das ist doch, wie sich ins eigene Wohnzimmer zu scheissen.

Stichwort China: In den Kommentaren zu deinem Interview auf der Internet-Seite von „Transworld Snowboarding“ wirft man dir vor, das von dir gestartete Burton „Green Mountain Project“ wäre nur ein Marketing-Gag und die Kleider würden ja doch in China produziert.
[lacht] Oh Mann, ich habe die Kommentare gestern Abend gelesen! Ich wollte mich erst darüber aufregen und darauf antworten, habe mich dann aber entschlossen, es sein zu lassen. Dennoch, ich musste mich schon erneut fragen, was mit gewissen Leuten abgeht…

Was ist nun aber mit dem „Green Mountain Project“? Produziert ihr in China?
Ja, natürlich. Wie sollte es auch anders sein, das Green Mountain Project steckt ja auch erst in den Kinderschuhen und ist noch alles andere als perfekt. Aber es ist gleichzeitig ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ich kam vor gut drei Jahren auf die Idee, etwas zu schaffen, was die Produkte von Burton nachhaltiger gestalten würde. Die Kleider der ersten „GMP“-Kollektion sind fast zu 100 Prozent aus PET-Flaschen. Dies löst das Problem natürlich nicht, sondern verlangsamt lediglich den Prozess. Perfekt wäre es, wenn gar keine PET-Flaschen da wären, die es zu recyclen gäbe. In der nächsten Linie werden die Teile aus Stoffen hergestellt, die beispielsweise zu 80 Prozent aus Hanf und zu 20 Prozent aus PET bestehen. Ich denke, das ist ein Anfang. Ich meine, wer hätte vor zwei Jahren schon gedacht, er würde mal eine Snowboard-Jacke tragen, die fast gänzlich aus PET besteht?

Wie kamst du überhaupt auf die Idee, so etwas wie das „Green Mountain Project“ zu starten?
Bei den Roundtables von Burton haben mir oftmals die Haare zu Berge gestanden, weil man beispiesweise stundenlang über den perfekten Beanie-Shape oder über die aktuelle Trendfarbe diskutieren konnte. Mir war dabei immer viel wichtiger, woraus die Produkte produziert werden. Dass die Materialen seit zehn Jahren dieselben sind, das hätte mich als Konsument viel mehr auf die Palme gebracht als die falsche Farbe oder die falsche Beanie-Form. Ich fragte mich also, wieso wir nicht darüber redeten, wie wir die Produktion nachhaltiger gestalten und ob wir Beanies aus Hanf oder Bambus herstellen könnten. So kam die Idee zum „Green Mountain Project“ auf. Denn nur Geld für Materialien aus zugeben, die unseren Lebensraum verschmutzen, das ist doch, wie sich ins eigene Wohnzimmer zu scheissen.

Verurteilst du Menschen, denen es egal ist, aus welchem Material ihr Beanie besteht?
Nein, überhaupt nicht! Es geht mir nicht um die anderen, sondern um mich und meinen Teil, den ich zum Ga zen – und meiner Meinung nach Richtigen – beitragen kann. Mit meinem Tun möchte ich den Menschen zeigen, was machbar wäre und wie viel bewusster wir leben könnten. Vielleicht leuchtet es einigen ein und sie denken selbst darüber nach, etwas an ihrem Konsumverhalten zu ändern.

Du bist zurzeit gerade in Brasilien. Dem Planeten gegenüber bewusster wäre es doch eigentlich, zum Surfen nach Frankreich zu fahren, anstatt um die halbe Welt zu fliegen…
Da hast du mich! Das Fliegen ist mein grosses Laster. Ich rechtfertige es damit, dass ich hier nicht nur surfe und Party mache, sondern auch ein Projekt unterstütze, dessen Stand ich mir gerne vor Ort anschaue. Seit ein paar Tagen ist www.atlanticrainforest.org online, ein Projekt, das mein Sponsor Sudden Rush ins Leben gerufen hat. Es ermöglicht einem, ein Stück Land des südamerikanischen Regenwalds zu kaufen und es somit vor der Abholzung zu bewahren. In meinem Namen wird dieses Stück Land zum Nationalpark deklariert und geschützt. Cool an diesem Projekt ist, dass Firmen oder Privatpersonen auf Google Earth ihr Logo auf das Landstück zeichnen lassen können. So können sie stets kontrollieren, ob ihr Geld auch wirklich zu dem Zweck genutzt wird, für den sie es investiert haben.

Wer hätte vor zwei Jahren schon gedacht, er würde mal eine Snowboard-Jacke tragen, die fast gänzlich aus PET besteht?

Zum bewussten Leben zählt für dich auch, dich vegetarisch zu ernähren. Aus einer bestimmten Überzeugung heraus?
Aus reiner Liebe und Achtung vor den Tieren und dem Planeten. Es macht für mich einfach keinen Sinn, Fleisch zu essen. Ich bin seit 18 Jahren Vegetarier, bin vielleicht dünner als andere, ansonsten geht es mir aber blendend. Und ich brauche kein schlechtes Gewissen zu haben. Ich finde es unglaublich pervers zu denken, dass zu jeder Mahlzeit ein Stück Fleisch gehört. Davon sind leider zu viele Menschen überzeugt. Mir fiel es einmal mehr auf der Burton-Movie-Tour für „It’s Always Snowing Somewhere“ durch die Staaten auf: Egal welches Menü du bestellst, du musst jedes Mal angeben, ob du da zu Rind oder Huhn willst. Das ist doch pervers! Da werden Tiere en masse gestopft, bloss weil wir unsere Essgewohnheiten mit der Lüge rechtfertigen, dass wir ohne Fleisch nicht leben können. Checkt www.spoonrevolution.com, da werdet ihr sehen, wie sinnlos und primitiv unser Fleischkonsum heute ist. Ich meine, erst wird in Südamerika Regenholz abgeholzt, darauf wird dann Soja angepflanzt, das wird nach Europa transportiert und stopft dort Mastvieh. Alles nur, damit irgendein dicker Europäer am Ende sein fettes Stück Fleisch auf dem Teller liegen hat und dazu eine dämliche Talkshow schaut? Das ist doch absurd!

Was sagst du zur Behauptung der Schulmedizin, dass der Mensch Fleisch für seinen Eisenhaushalt braucht?
Ich bin der lebende Beweis dafür, dass dies nicht so ist. Wie gesagt, ich bin seit 18 Jahren Vegetarier, ernähre mich aber sehr gesund und habe weder irgendwelche Mangelerscheinungen noch Allergien oder Krankheiten.

Apropos krank: Wenn es nach dir ginge, hättest du keine Krankenversicherung. Wieso nicht?
Die ganze Thematik der Krankenversicherungen ist für mich in erster Linie Angstmacherei. Nur schon das Wort „krank“ in „Krankenkasse“ zeigt, dass uns der Staat da vor allem im Krankenbett haben will. Ich bin der festen Überzeugung, dass es dafür andere Lösungen gibt. Und zwar nicht eine, die von der Pharmaindustrie gesteuert wird, die nur ihre Produkte an den kranken Mann bringen will. Das Versicherungssystem verdient Milliarden, indem es unsere Angst zu seinem Geschäft macht. Da will ich nicht mitmachen.

Und was ist für dich als Snowboarder mit Verletzungen?
Wieso sollten sie mich tangieren? Ich habe mein Bauchgefühl, das mir sagt, was ich tun und was ich besser lassen sollte. So komme ich nicht in Gefahr, mich zu verletzen. Ich lebe im Vertrauen darauf, dass ich erkenne, wann ich etwas besser lassen sollte. Hätte ich ständig Angst, würde ich mich verschliessen und könnte nicht spüren, was gut für mich ist und was nicht.

Trotzdem erkranken doch Menschen und sind dann auf Unterstützung angewiesen. Wie trittst du diesem Argument entgegen?
Mit einer „Gesundheitskasse“! Da ginge es nicht darum, nachträglich zu behandeln, sondern präventiv aufzuklären und zu schauen, dass die Leute erst gar nicht krank würden. Wenn den Leuten endlich jemand sagen würde, dass sie beispielsweise genügend Wasser trinken müssen, damit sie nicht übersäuern und damit auch nicht krank werden, bräuchten wir
die „Krankenkassen“ gar nicht mehr. Aber die wollen diese Aufklärung ja nicht, weil das für sie bedeuten würde, dass sie kein Geld mehr machten. Wie auch immer, ich glaube, dieses System wird bald zusammenbrechen, so kann es nicht weitergehen.

Barack Obama ist zum neuen amerikanischen Präsidenten gewählt worden – viele sprechen von „Wechsel“, du von „Zusammenbruch“…
Versteh mich nicht falsch. Dass das System zusammenbricht, bedeutet für uns nicht nur Schlechtes oder dass wir alles verlieren werden. Im Gegenteil, viele werden gewinnen können. Sicherlich aber werden jene verlieren, deren Erfüllung ausschliesslich im Besitz materieller Güter liegt.

Wo siehst du dich selbst in dieser Zukunft?
Ich werde das Geld, das ich jetzt noch auf der Seite habe, demnächst in ein Stück Land investieren, bevor es auch keinen Wert mehr hat. Schön wäre es, wenn das Land mit einer Quelle bestückt wäre und ich dort Gemüse anpflanzen könnte. Dazu vielleicht eine Ziege zum Melken, ein paar Hühner für die Eier… [lacht] Und alle Leute, die auch so leben möchten, sind herzlich willkommen, sich mir anzuschliessen.

Was ist mit Snowboarden? Es kursieren Gerüchte, nach denen du uns demnächst mit einem eigenen Filmprojekt beglücken wirst…
Ach ja, es gibt Gerüchte? Gut zu hören, dass die Leute schon davon reden! Was genau aus dem Filmprojekt wird, weiss ich selbst noch nicht. Ich möchte aber auf keinen Fall nur eine weitere Snowboard-Documentary hinklatschen. Ich möchte etwas Spezielles machen und dafür will ich mir Zeit lassen und mich nicht irgendwelchen Deadlines fügen müssen. Ich will mein Leben als Snowboarder zeigen, vielleicht nicht nur ganz abstrakt über die Plejadier reden, aber doch auch Einblicke in meine Gedankenwelt bieten. Ich habe bei meinem Besuch im Headquarter in Burlington mit den Leuten von Burton über das Projekt gesprochen. Sie sind sehr motiviert, mich in meinen Plänen zu unterstützen. Das Projekt ist gerade noch in der Entstehungsphase, aber es kommt bestimmt! Eine Art Lebenswerk für mich selbst zum Teilen mit allen, die sich dafür interessieren.

Ein Lebenswerk? Das klingt schon fast nach Karriereende.
Oh nein, auf keinen Fall. Das soll etwas Zeitloses werden.

Dann wirst du uns als Snowboarder also noch etwas erhalten bleiben?
Tut mir leid, aber ich befürchte, schon…

Gut, zum Abschluss wüssten wir noch gerne, wie dein Vorsatz für 2009 lautet!
Wow, da muss ich mir nun wohl Mühe geben nach all den gescheiten Dingen, die ich bis jetzt rausgelassen habe… [lacht] Um den Bogen zum Anfang wieder zu spannen, möchte ich vor allem versuchen, allem und jedem Liebe und Verständnis entgegenzubringen und meine Gefühlswelt mit Freude zu füllen.

Viel Erfolg dabei und danke für das Interview, Nicolas!

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