Outstanding: Eero Ettala im Interview
Zu einer Outstanding-Issue gehört natürlich auch ein outstanding Interviewpartner. Aber was bedeutet outstanding – also überdurchschnittlich und hervorragend – in Sachen Snowboarden bzw. wie wird man es? Indem man auf den wichtigsten Contests stets die ersten Plätze belegt? Indem man bei den größten Produktionen krasse Videoparts produziert, die man von Jahr zu Jahr noch einmal toppt? Indem man Auszeichnungen der Industrie einheimst? Oder indem man neue Tricks erfindet und so dem Snowboarden seinen Stempel draufdrückt? Einer, der all dies in den letzten Jahren von sich behaupten kann, ist Eero Ettala. Der 29-jährige Finne hat es in den letzten zwölf Jahren geschafft einer der kreativsten und vielseitigsten Snowboarder Europas zu werden und sein eigenes Level stetig zu pushen. Dafür benötigt er keine Triple Corks, sondern lediglich seine Kreativität und jede Menge Fastfood. Und obwohl Eero wirklich outstanding scheint, kocht er am Ende doch nur mit Gas, wie er seit zwei Jahren in seiner Webisode „Cooking with Gas“ beweist. Wir baten den Erfinder des Double Backside Rodeo zum Gespräch über seine Karriere, seine Heimat und die Veränderungen im Snowboardfilmbusiness.
Bist du noch hungrig?
Definitiv! Nach der Saison fühlt man sich zwar immer leer und over-it, aber sobald man die Videoparts von anderen Fahrern zu sehen bekommt, fängt man selbst auch wieder an darüber nachzudenken, was man für neue Tricks oder Spots machen könnte. So kommt bei mir die Motivation zurück und ich merke, dass ich mich doch noch verbessern will.
Und was ist mit deiner Aussage aus einem TV-Interview, dass du es den „Jungen und Hungrigen“ über- lässt?
Ich glaube, bei der Frage ging es um Slopestyle und die Olympischen Spiele. Da ich aber nicht mehr wirklich an Contests teilnehme, weiß ich, dass ich tricktechnisch mittlerweile etwas hinterher bin. Ich denke, dass ich absolut keine Chance hätte, bei den Spielen aufs Podium zu kommen. Es macht für mich keinen Sinn auf einen Contest zu gehen, wenn ich weiß, dass ich eh nur den zehnten oder 15. Platz belegen kann. Der Hunger auf Contests ist einfach nicht mehr da. Wenn ich nur noch für einen bestimmten Contest wie die Olympischen Spiele trainieren müsste, hätte ich ziemlich schnell einen Burnout. Ich bin an einem Punkt meiner Karriere, an dem ich endlich nur das mache, was ich immer wollte.
Ich wollte mich mit den anderen Fahrern auch mal über andere Dinge als Snowboarden unterhalten, was aber mit 17-jährigen Contestmaschinen gar nicht möglich ist.
Bist du happy darüber, dass du dich nicht mehr mit anderen messen musst?
Ich gehe schon noch gerne auf Big-Air Contests, zu denen ich eingeladen werde. Da ich aber über zehn Jahre auf Contests unterwegs war, ist es Zeit geworden, einen Schritt weiter zu gehen. Ich möchte einfach mehr Zeit und Freiheit haben, mei- ne Videoparts zu filmen. Beides ist heutzutage ver- dammt schwer unter einen Hut zu bringen.
Der letzte richtige Contest waren 2010 die X Games, bei denen du Gold im Slopestyle gewonnen hast. Dein Run damals beinhaltete Backside 1080° Double Cork, Double Backside Rodeo 1080° und Switch Double Backflip. Heute bräuchtest du mindestens einen Triple, um oben mit dabei zu sein.
Ich könnte schon Triple Corks machen, aber ich bräuchte die perfekten Bedingungen und den perfekten Jump und vor allem müsste ich in der richtigen Stimmung sein. Aber zum Glück bin ich nicht auf Triples angewiesen, da ich beim Street- und Powder-Filmen mehr Wert auf Style lege. Wenn sich aber der richtige Moment ergibt, werde ich auch mal Triples springen. Noch mal zu den Contests: Es hat eine lange Zeit richtig viel Spaß gemacht, aber irgendwann stellst du fest, dass all deine Freunde, mit denen du Contests gefahren bist, nicht mehr teilnehmen. Auf einmal stand ich bei Contests, alle anderen Fahrer waren gerade mal 17 oder 18 Jahre alt und sprangen den ganzen Tag Double und Triple Corks, da habe ich erst wirklich realisiert, dass es wichtigere Dinge im Snowboarden und im Leben gibt. Ich wollte mich mit den anderen Fahrern auch mal über andere Dinge als Snowboarden unterhalten, was aber mit 17-jährigen Contestmaschinen gar nicht möglich ist.
Was war der ausschlaggebende Punkt, dich nur noch aufs Filmen zu konzentrieren?
Nachdem ich mir das Kreuzband zweimal in aufeinanderfolgenden Saisons gerissen habe, musste ich feststellen, dass die Kids einfach an mir vorbeigezogen sind. Und so war dann das X Games-Gold ein guter Moment aufzuhören. Wenn ich nach den Verletzungen wieder richtig eingestiegen wäre und auf einmal nicht mehr vorne hätte mitfahren können, wäre das erstens für meinen Namen und zweitens für meine Psyche nicht gerade gut gewesen. Außerdem hatte ich keinen Bock mehr darauf, dass mir ein Dude am Startgate sagt, wann ich loszufahren habe aufgrund irgendwelcher scheiß TV-Zeiten. Ich will meine Entscheidungen selbst treffen.
Wenn du noch einmal am Anfang deiner Karriere stehen würdest und dich entscheiden müsstest, welche Richtung im Snowboarden du einschlägst, wohin würdest du gehen?
Ich würde mich wahrscheinlich komplett auf das Streetriding konzentrieren. Da Finnland so etwas wie das Mekka des Streetridings in Europa ist, wäre das am einfachsten. Außerdem ist die Zeit, in der wir Street filmen, der beste Teil meiner Saison. Man ist nachts um vier Uhr draußen mit seinen Freunden unterwegs und kann ungestört machen was man will. Außerdem kann man beim Urban-Snowboarding am kreativsten sein und die Progression des Sports pushen. Wenn man es mit Backcountry- oder Pipe-Riding vergleicht, sieht es fast so aus, als ob dort die Progression mittlerweile viel langsamer ist und teilweise sogar stillsteht. Auch beim Slopestyle hat man fertig gebaute Features und kann nur noch performen. Auf der Straße kann man fast alles in einen Spot verwandeln, man muss nur kreativ sein. Und mit der Winch eröffnen sich heutzutage endlose Möglichkeiten. Außerdem ist Streetriding greifbarer für die Zuschauer, sie könnten einfach auch dort hingehen und etwas bauen. Eine AK-Line ist nicht so einfach nachzumachen.
Gibt es Dinge in deiner Karriere, die du heute anders machen würdest?
Nicht wirklich. All die Verletzungen hätten nicht sein müssen und ich würde diese Tage gerne löschen. Aber insgesamt denke ich, dass ich bisher eine wirklich coole und erfolgreiche Karriere hatte und dadurch sehr viele neue Freunde gefunden habe. Ich bin sehr zufrieden mit dem was ich bis jetzt geschafft habe und wo ich stehe. Auch im Hinblick auf meine Sponsoren würde ich nichts anders machen. Ich bin ihnen gegenüber immer loyal geblieben und habe niemanden wegen eines besseren Angebots verlassen. Ich hatte genügend Angebote, wo ich vielleicht auch mehr Geld verdient hätte, aber ich bin treu geblieben und denke nun, dass es sich ausgezahlt hat und richtig war.
Bedeutet Progression für dich immer härtere Tricks zu machen oder immer kreativer zu werden?
Es ist ein Mix von beidem. Ich achte aber eher auf meinen ei- genen Fortschritt als auf die Overall-Progression im Snowboarden. Mir ist es wichtig, mich weiterzuentwickeln und Dinge zu tun, die ich vorher nicht gemacht habe. Kreativität ist das Wichtigste, härtere Tricks kommen dann mit der Zeit von allein.
In der Vergangenheit stand dein Name für Progression, immerhin steht auf dem Cover dieser Ausgabe „Der Erfinder des Double Backside Rodeo“.
[lacht] Wenn mich jemand fragt wer den Trick erfunden hat, dann sage ich schon, dass ich es war, zumindest den Double Backside Rodeo 1080°. Travis Rice hat einen Double Backflip late 180° gemacht, der ein bisschen anders ist. Travis hat den Double Backside Rodeo dann ein Jahr später gemacht und irgendwie denken alle, dass er der erste war. Onboard hatte mal eine Story über die besten je gezeigten Tricks und sogar da stand, dass Travis den Trick erfunden hat. Ich war der Erste, aber er bekommt den Ruhm. Aber was soll‘s!? Onboard hat sich danach sogar bei mir entschuldigt.
Ärgert dich so etwas?
Mir macht das nicht wirklich was aus. Ich weiß ja, dass ich der Erste war und am Ende macht es nicht wirklich einen Unterschied. Natürlich möchte jeder Fahrer der Geschichte des Snowboardens seinen Stempel aufdrücken. So kann man zeigen, dass man dem Snowboarden etwas zurückgegeben bzw. etwas Neues hinzugefügt hat und nicht nur davon genommen und profitiert hat.
Aber das hast du doch auf jeden Fall. Ich meine, du bist nicht einmal 30 Jahre alt und es fühlt sich an, als ob du schon immer ganz oben mit dabei gewesen bist.
Das stimmt schon. Mein diesjähriger Videopart ist mein 12. oder 13. Part in Folge. Das ist schon ganz schön verrückt, deshalb denken wahrscheinlich auch sehr viele Leute, dass ich schon Mitte 30 bin. Aber ehrlich gesagt muss ich zugeben, dass sich mein Körper morgens nach dem Aufstehen nicht immer wie 29 anfühlt. [lacht]
Du hast gerade schon einmal die Loyalität gegenüber deinen Sponsoren angesprochen. Solche langen Partnerschaften sind heutzutage sehr selten zu finden.
Ich bin sehr glücklich, dass ich schon sehr früh von Firmen wie Nitro und Oakley gesponsert wurde. Zwei Firmen, die seit jeher Snowboarden zu 100% unterstützen. Wie schon gesagt, am Ende zahlt sich die Loyalität aus. Ich hatte viele Gelegenheiten, diese Firmen zu verlassen und andere Verträge zu unterschreiben. Es hätte aber keinen Sinn gemacht zu gehen, da ich auch hinter den Philosophien meiner Sponsoren stehe und gut finde, was sie tun. Und andersherum ist es das Gleiche. Wenn ich ein oder zwei schlechte Jahre gehabt hätte, hätten sie mich aufgrund meiner Loyalität auch weiterhin unterstützt mich nach so langer Zeit in ihrem Team nicht sofort gekickt. Sie haben ja auch in mich investiert.
In den letzten Jahren hat es einige Fahrer getroffen, bei denen man nie gedacht hätte, dass sie gecuttet werden. Hast du Angst, dass dir so etwas auch passieren könnte?
Natürlich denkt man darüber nach, aber es bringt nichts, sich deswegen einen Kopf zu machen. Ich kann meinen Job nur so gut machen wie es geht und hoffen, dass es weiterhin anerkannt wird. Wenn mich trotzdem jemand feuern möchte, bitte schön! Das Leben würde dann auch weitergehen. Ich bin aber sehr dankbar, dass so etwas bisher nicht passiert ist und es mir ermöglicht wurde, auf so einem Level Snowboard zu fahren. Egal was noch passiert, es gibt keinen Grund, dass ich mal schlecht über Snowboarden oder die Industrie denke. Es hat mir in meinem Leben bisher schon viel mehr gegeben als ich je erwarten konnte. Es wäre natürlich cool, wenn meine bisher zwölfjährige Karriere noch etwas länger andauert.
Snowboarden ist mittlerweile ein Leistungssport geworden und sehr viele Rider reden nur davon wie gesund ihr Lebensstil ist und wie gesund sie essen. Es ist aber kein Geheimnis, dass du dich am liebsten nur von Burgern und Fastfood ernähren würdest.
[lacht] Vor dem Interview war ich noch bei McDonald‘s. Ich kam vom Berg, hatte Hunger und dann ist Fastfood echt easy und es schmeckt auch noch so gut. Solange ich genug Sport treibe, kann ich das Essen ausgleichen und fit bleiben. Es wäre aber wahrscheinlich schon besser nur Gemüse zu essen und Wasser zu trinken. Aber fuck it, ich will mein Leben genießen! Wenn man gesundes Essen auch so schnell wie Fastfood bekommen könnte oder wenn Einkaufen und Kochen nicht so viel Zeit in Anspruch nehmen würde, würde ich auch gesünder leben. Sogar mein erstes Pro-Model hatte einen Burger als Grafik.
Es gibt nicht mehr den absoluten Snowboardmovie-Superstar, da einfach jeder seine Tricks online stellen kann.
Die Grafik deines diesjährigen Boards dreht sich rund um Finnland.
Ich denke, dass eine Pro Model-Boardgrafik immer eine Story des Riders erzählen soll. Ich bin schon sehr patriotisch und liebe Finnland über alles. Es ist einfach der beste Platz der Welt. Wenn ich mein Board fahre, fühle ich mich mit der Heimat verbunden.
Was genau macht Finnland zum besten Ort der Welt?
Ist die Heimat nicht immer der beste Platz auf der Welt? Mir ist es wichtig, Freunde und Familie um mich herum zu haben.
Ist es aufgrund der Entfernung zu den Alpen und dem Rest des Snowboardzirkus nicht schwieriger, von dort oben seine Karriere zu managen?
Da ich die Hälfte meiner Videoparts sowieso in Finnland gedreht habe, wäre es ja doof gewesen, irgendwo anders zu leben. Vielleicht wäre es mit manchen Sponsoren einfacher gewesen, wenn ich in den Staaten leben würde, aber da Nitro aus Deutschland kommt und Oakley auch eine große Europazentrale hat, geht es so ganz gut. Sie unterstützen mich als finnischen Fahrer und wollen mich nicht zu einem Pseudo-Ami machen.
Finnen wirken immer sehr ruhig, fast schüchtern. Du bist aber das komplette Gegenteil.
Das ist einfach die Art der Finnen. Ich war am Anfang meiner Karriere auch sehr schüchtern und habe durch Reisen gelernt offener zu sein. Man hat ja keine andere Wahl, auf einem Trip mit Fremden muss man anfangen zu kommunizieren. Man wächst da mit der Zeit einfach hinein.
Der Spaß am Berg ist das Allerwichtigste, es geht nicht darum der nächste Shaun White oder Eero Ettala zu werden.
Du sagst, dass Kochen zu viel Zeit in Anspruch nimmt, aber nennst deine Webisode „Cooking with Gas“. Was steckt dahinter?
Ich bin der schlechteste Koch überhaupt! Aber erzähl das keinem! Nachdem wir schon drei Episoden im Kasten hatten und es nur noch zwei Wochen bis zur ersten Veröffentlichung war, brauchten wir unbedingt einen Namen. Heikki Sorsa, unser Filmer Jonas und ich saßen also zusammen und warfen Ideen in die Runde. Auf einmal sagte Heikki „Cooking with Gas“, was wir vor ca. fünf Jahren immer zum Spaß sagten, wenn einer einen guten Trick gestanden hat. Es bedeutet zwar nichts, aber wir fanden es lustig. Alle Sponsoren dachten am Anfang auch, dass es ein scheiß Name war, den man sich aber zumindest leicht merken konnte. Das Wichtigste ist doch, dass die Leute stoked sind, wenn sie es sehen und selbst shredden gehen wollen.
Nach deinem letzten Mack Dawg-Part hast du in einem Interview gesagt, dass du keinen Film ernst nehmen könntest, den es umsonst im Internet zum Download gibt.
Ganze Filme und Webisodes sind noch einmal ein Unterschied. Ich selbst hätte keine Lust, einen 30-minütigen Snowboardfilm komplett am Rechner zu schauen. Eine Webisode, die aber nie länger als zehn Minuten ist, kann man sich zwischendurch anschauen. Dazu kommt, dass die Verkaufszahlen von DVDs verdammt runtergegangen sind und alles über iTunes gekauft und angeschaut wird.
„Video killed the radiostar“ 2.0 quasi.
Ich habe mich vor kurzem mit David Benedek über das Thema unterhalten. Damals gab es vielleicht vier richtig große Videoproduktionen mit ca. zwölf Ridern pro Movie, also gab es aufgrund dieser Filme maximal 50 Pro Snowboarder auf der ganzen Welt, die sich aufs Filmen konzentrieren konnten. Alle anderen mussten Contests fahren. Mit dem Internet kann aber jeder seinen Part filmen, veröffentlichen und Aufmerksamkeit erzeugen. Es gibt nicht mehr den absoluten Snowboardmovie- Superstar, da jeder seine Tricks online stellen kann.
Was kann man Neues erwarten von der dritten Staffel „Cooking with Gas“?
Heikki, Lauri und ich werden wahrscheinlich noch andere Fahrer einbinden, je nachdem auf welchem Trip wir uns gerade befinden. Außerdem wollen wir mehr Einblicke hinter die Kulissen gewähren, um den Spaß noch besser rüberzubringen und zu zeigen, was es bedeutet so viel unterwegs zu sein. 50% Lifestyle, 50% Action!
Wir sind gespannt und freuen uns drauf. Willst du zum Schluss noch irgendetwas loswerden?
Wie, schon fertig? OK, hier eine Message an die Kids, die gerade anfangen zu snowboarden: Macht es, um Spaß zu haben, nicht um gesponsert zu werden. Das kommt, wenn es sein soll, von alleine.
Der Spaß am Berg ist das Allerwichtigste, es geht nicht darum der nächste Shaun White oder Eero Ettala zu werden. Der Spaß wird sich in eurem Riding zeigen und so kommt man vorwärts.