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Fatbike Boarding: Mit dem Fahhrrad in die Berge

Wir saßen in einer im nordischen Stil gehaltenen Lodge am Fuße eines Vulkanes, unweit des Resorts Mt. Bachelor. An der South Sister, einem weiteren Vulkan in Oregon, wollten wir für vier Tage unsere Zelte aufschlagen. Josh Dirksen hatte diesen Trip ins Leben gerufen und uns den Mund mit dem Versprechen eines einzigartigen Geländes wässrig gemacht. „Auf uns wartet das Land der tausend Windlips “, schwärmte er. Zusammen mit Joshs Vater, Forrest Shearer, dem Künstler Adam Haynes und Filmer Chris Edmonds hatten wir Pläne geschmiedet und uns ausgemalt, welche Überraschungen Oregons Backcountry für uns bereithalten würde.

Wir sollten schon längst auf dem Weg sein. Der ursprüngliche Plan sah einen Aufbruch gegen halb neun Uhr morgens vor, tatsächlich starteten wir jedoch gute zwei Stunden später. Sechs oder sieben Kilometer Luftlinie Richtung Nordosten lag unser Ziel. Laut Wetterbericht keine große Sache, denn uns wurden gute Sicht- und Wetterverhältnisse prognostiziert. Ein wunderbar sonniger Frühlingstag. Wir hätten nicht auf den Forecast hören sollen. Mit ausreichend Tageslicht wäre ein verzögerter Start kein Anlass zur Sorge gewesen, doch vor uns im Dunst lag ein zehn Kilometer langer Sled-Trail, den wir nicht mit Sleds, sondern mit Fatbikes zurücklegen mussten. Das sind Fahrräder, die mit beinahe 13 Zentimeter breiten Reifen bestückt sind und sich mit sehr geringem Luftdruck fahren lassen. Weder Sand noch Dreck oder Schnee kann diese Bikes aufhalten. Allerdings lernten wir bald, dass es weit schwieriger war als gedacht, diese Räder über den Trail zu manövrieren. Es fühlte sich an, als ob wir ein Ruderboot durch einen See aus Pudding paddeln mussten. Bevor wir uns auf den Rhythmus unserer neuen Gefährte eingegroovt hatten, eierten wir wie Betrunkene auf geklauten Rennrädern über den Trail: Treten, treten, umkippen. Irgendwann bekamen wir aber den Dreh heraus und schafften es, uns in einer halbwegs aufrechten Position fortzubewegen. Beladen mit Splitboards, Camping-Ausrüstung und Verpflegung für vier Tage, mühten wir uns Meter für Meter ab. Wir zogen die fragenden Blicke der vorbeifahrenden Slednecks auf uns, aber auf dem festgetretenen Schnee kamen wir überraschend gut voran und konnten die Fahrt zwischenzeitlich sogar genießen. Allmählich löste sich der Nebel auf und machte der Frühlingssonne Platz. Unbarmherzig brannte sie auf uns und den Weg vor uns nieder und verwandelte die 45-minütige Spazierfahrt in einen zweistündigen Kraftakt. Doch wir kämpften und schafften es bis zu dem unscheinbaren Startpunkt unseres Aufstiegs. Wir versteckten die Fahrräder im Wald und bereiteten uns aufs Klettern vor. Verdammter Nieselregen! Alles, was wir in der Ferne über unseren Köpfen ausmachen konnten, war ein dichter Wald aus Douglasien, die mit strähnigem, bleichem Moos bedeckt waren. „Wir folgen dem Bachlauf bis hinauf zum Sattel“, erklärte Dirksen. „Ab dort wird es entspannter.“ Tiefe Treewells und vereinzelte besonders steile Passagen ga- ben den Ton auf den 800 Höhenmetern bis zum Grat an. Nach einer kurzen Mittags- pause überquerten wir ein Hochplateau und gelangten schließlich zu einer Bowl, die mit tiefen Mulden durchzogen war. Der Regen der vergangenen Woche hatte sie in die Landschaft gerissen. Für einen kurzen Augenblick riss der dichte Nebelvorhang auf und gewährte uns einen Blick auf den Gipfel. Ein massiver Krater, der von einem Felsband umzogen wurde. Eine markante Felsspitze und zwei Couloirs, die sich bis zur Baumgrenze hinabzogen. Und hier waren auch die von Dirksen versprochenen Windlips. Wechten häuften sich gen Süden auf und schufen mächtige, rechtsseitige Hips.

Bei Sonnenuntergang erreichten wir das Camp. Die Wolken sanken ins Tal hinab und gaben den Blick auf einen hellen und beinahe vollen Mond frei, der weiche, blaue Schatten von der Kante des Kraters auf die Landschaft warf. Die Temperatur fiel unter den Gefrierpunkt, doch von unseren wind- und wettererprobten Evergreens gut geschützt konnten wir den Anblick genießen. Wir hatten die South Sister für uns alleine. Camping hat etwas Beruhigendes an sich, das dich tief und fest schlafen lässt. Vielleicht liegt es an der sauberen Luft. Oder am vollständigen Fehlen von Straßenlärm, Sirenen, Internet und dem Rasenmäher deines Nachbarn. Oder es ist einfach nur die Erschöpfung. Was auch immer der Grund ist, wir konnten besser schlafen als in all den Monaten zuvor. Am nächsten Morgen wurden wir vom Sonnenaufgang geweckt, der unsere Zelte langsam erwärmte. Einer der schönsten Nebeneffekte von Frühlings-Splitboard-Trips: Keine alpinen Starts. Ein solcher Start beginnt mit dem Auf- wachen zu einer unmenschlichen Uhr- zeit, bevor die Sonne überhaupt nur den Anschein gemacht hat, die Nacht zu be- enden und den Tag zu beginnen. Diese Starts sind bei Missionen mitten im Winter unvermeidlich. Gute Lines erfordern lan- ge Anstiege. Damit werden alpine Starts aufgrund von Schneestabilität und nur wenigen Stunden Tageslicht zur Normali- tät. Eiskalte Boots, gefrorene Energie-Rie- gel zum Frühstück, gefrorenes Kame- ra-Equipment und Augenbrauen… keine besonders angenehme Angelegenheit. Während die Temperatur über Nacht unter den Gefrierpunkt gefallen war, begann sie langsam wieder über den Schmelzpunkt zu klettern, als wir gerade mit Kaffee- kochen beschäftigt waren und uns Ge- danken über den Tagesverlauf machten. „Schlagt diese Richtung ein“, meinte Josh und zeigte nach Westen. „Dort findet ihr Windlips.“

Ich habe auf diese Weise wahrscheinlich schon an die fünfzig Boards zerstört

Auf dem Raureif kamen wir gut voran und fünfzehn Minuten nach dem Start standen wir schon am Start unserer Warm-up-Line: Ein kurzer, schneller Run in eine mit Rinnen durchzogene Bowl. Gerade lange genug, um die Beine warmzufahren. Dachten wir. Dirksen droppte mit einem Ollie als erster in den Hang und traversierte auf der Fersenkante, als plötzlich sein Brett brach. Es stellte sich heraus, dass die Rinnen noch nicht genug angetaut und bockhart waren. Dazu kommt, dass Dirksen einen abnormal kraftvollen Heelside-Turn fährt. „Ich habe auf diese Weise wahrscheinlich schon an die fünfzig Boards zerstört“, meinte er achselzuckend.

So tief im Backcountry und dazu am ersten Tag des Trips, war das jedoch ein echtes Problem. Zurück zum Parkplatz, wo er in seinem Truck sicherheitshalber ein Ersatz-Board deponiert hatte, waren es gute 30 Kilometer. Wenigstens musste er keinen schweren Rucksack schleppen. Für Dirksen hieß es: Bestien-Modus anschalten und los. Er startete gegen elf Uhr und wollte gegen drei oder vier Uhr am Nachmittag zurück sein, um die Couloirs rund um das Camp noch mitfahren zu können. Aus seinem Mund klang das nach täglicher Routine. All die alpinen Starts und Klettertouren während der Dreharbeiten für Jeremy Jones Deeper/Further/Higher-Trilogie schienen sich auszuzahlen.

Die letzte Eruption liegt gerade mal 1.900 Jahre zurück

Wir richteten also unsere Aufmerksamkeit auf eine Corner, die man vom Camp aus gut sehen konnte und hatten nach einer Stunde Arbeit in der nun brütenden Sonne einen Spot, der uns einige Zeit lang beschäftigen konnte. Währenddessen fuhr Dirksen Senior hinunter zum Lavafeld des Rock Mesa Obsidian. Ein gewaltiges Plateau aus zerklüftetem schwarzen Fels, von dem es seinen Namen erhalten hatte. Überall konnte man klaffende Krater erkennen, die an den ersten Ausbruch der South Sister vor rund 50.000 Jahren erinnerten. Mit 3.159 Metern ist sie der jüngste und höchste Berg im vom Staat geschützten Wildnisgebiet der Three Sisters. Die Locals nennen sie Charity, die Mildtätige. Die letzte Eruption liegt gerade mal 1.900 Jahre zurück und mit magmatischen Aufquellungen und Erdbeben während des letzten Jahrzehnts bleibt sie nach wie vor eine unruhige Dame. Doch nur Charitys rumorendem Innenleben haben wir es zu verdanken, ein so einzigartiges Gelände zum Snowboarden vorzufinden.

Um halb vier Uhr am Nachmittag kehrte Josh tatsächlich zurück. Er schien von seinem Ausflug kaum ermüdet und machte sich über einige Packungen Reis mit Hühnchen her, bevor er sein Splitboard einsatzbereit machte. Das Ziel für den Nachmittag? Ein einstündiger Aufstieg zu den berühmten Zwillings-Couloirs, die den Gipfel bewachten.

Edmonds, bepackt mit schwerer Kamera-Ausrüstung, verließ als Erster das Camp. Sein Ziel war es, sich an der expositioniertesten Stelle des Faces zu platzieren: Auf einer Felsfinne, welche die zwei Lines genau in der Mitte teilte. Eine Stunde später droppten Dirksen, Shearer und Haynes nacheinander in den Run und arbeiteten sich die steilen Rinnen hinunter, die wie slushy Alaska-Spines aussahen. Wir trafen uns an einem Jump wieder, den Dirksen zuvor entdeckt hatte. Der Inrun verlangte uns einiges an Arbeit ab, denn er zog sich gut hundert Meter über die Rinnen hinweg und endete in der sechs Meter hohen Hip. Josh hatte trotz seines 30-Kilometer-Gewaltmarsches noch immer Benzin im Tank und katapultierte sich mit einem gewaltigen Method über den Kicker. Shearer und er hikten den Jump pflichtbewusst, bis sich die Sonne dem Horizont näherte und eine magentafarbene Decke über die Mondkrater des Rock Mesa legte.

Nachdem uns Haynes und Dirksen Senior am Morgen des dritten Tages verlassen hatten, verbrachten wir den letzten Nachmittag mit einer entspannten Session, fuhren einige Windlips und einen kleinen Step-up in einer Bowl oberhalb unseres Camps. Dieser gemütliche letzte Tag sollte uns wohl von den Strapazen der Rückfahrt des nächsten Morgens ablenken. In der Regel bleiben uns schlechte Runs nicht lange in Erinnerung, aber dieser sollte sich in unsere Köpfe brennen.

Es begann mit dem frühesten Aufbruch des gesamten Trips. Die Boots waren noch gefroren. Kein alpiner Start, aber dennoch früh genug, um uns daran zu erinnern, dass wir tatsächlich im Backcountry campten. Der Grund für den frühen Aufbruch war die begründete Furcht vor seifigem Schnee auf dem Rückweg per Fahrrad. Der Sled-Trail war auf dem Hinweg die meiste Zeit eben oder leicht bergab verlaufen, was bedeutete, dass wir schneller sein mussten als der Schnee schmelzen konnte oder mit den Konsequenzen zu leben hatten.

Es waren 45 Minuten erniedrigender Brutalität.

Wir fanden uns also am Start einer steilen und mit eisigen Rinnen durchzogenen Abfahrt wieder, beladen mit unseren schweren Rucksäcken. Wir schluckten unseren Stolz hinunter und begannen, auf den Fersenkanten den Hang hinabzurutschen. Das fiese Kratzen von Metall auf Eis durchbrach die morgendliche Stille. Ein weiterer kurzer Aufstieg und wir überquerten das Plateau in Richtung der Bäume. Oh, die Bäume. Sie hatten ihre Winterlast abgeworfen, die sich in brett-zerstörende, eisige Klumpen verwandelt hatten. Wir versuchten, Haynes Spuren vom Vortag zu folgen. Einer stürzte rückwärts in eine Kuhle unter einem Baum und kletterte wieder heraus. Ein anderer loggte sich in Haynes’ Spur ein, kam für ein paar Dutzend Sekunden gut voran, verkantete und grub sein Gesicht ins Eis. Es waren 45 Minuten erniedrigender Brutalität.

Rückblickend jedoch war es ein Run, der zu dem gesamten Trip passte und sogar ein wenig Spaß machte. Vielleicht war es die immense Herausforderung dieser Abfahrt, die bei anderen Bedingungen nicht erwähnenswert gewesen wäre. Diese Reise hatte unkonventionell begonnen, warum sollte sie also nicht mindestens genau so verrückt enden? Eine Line wie eine Ode an die vulkanische Unbeständigkeit. Auf Drahteseln in Richtung Freiheit.

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