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Blickwinkel: Mike LeBlanc

Im Snowboarden spielt Style seit jeher eine enorm wichtige Rolle. So ernst uns allen das Thema ist, so unterschiedlich sind die Definitionen, was guter Style eigentlich ist. Snowboarden ist heute auf einem extrem hohen Level angelangt, seien es Tricks, Vermarktung oder Medienpräsenz. Viele haben die Befürchtung, dass der Style dabei auf der Strecke bleibt. Tut er das wirklich? Mike LeBlanc ist seit einer gefühlten Ewigkeit Teil des Snowboardens und hat es auf eine eigene Weise geprägt. Von seinen berühmt-berüchtigten Bomb-Drops bis hin zu seinem eigenen Brand Holden, steht er für Individualität und einen ganz eigenen Stil. Mikes Blickwinkel zur aktuellen Diskussion, was ihn persönlich inspiriert und warum Snowboarden im Kern gleich geblieben ist und es immer bleiben wird, gibt es hier.

Mike, du bist seit einer gefühlten Ewigkeit Teil des Snowboardens. Welche Veränderungen hast du im Laufe der Zeit beobachtet?

Wenn wir den Kern des Snowboardens betrachten, hat es sich meiner Meinung nach überhaupt nichts verändert. Snowboarden macht heute genau so viel Spaß wie früher. Es ist interessant, dass wir heute im Snowboarden Technologien haben, die entweder extrem hoch entwickelt oder bewusst primitiv gehalten sind. Ich bin zum Beispiel die gesamte letzte Saison einfache und handgemachte Bretter gefahren, weil es mir so viel Spaß gemacht hat. Wenn wir vom professionellen Snowboarden sprechen, sehe ich eine natürliche Progression des Sports. Als ich Pro war, wollten wir Snowboarden pushen und weiterbringen, neue Tricks entwickeln. Das ist heute genauso. Mit dem Unterschied, dass es heute auf einem viel höheren Level stattfindet als zu meiner Zeit. Ich denke also, dass sich im Grunde genommen nicht wirklich etwas verändert hat. Es hat sich nur weiterentwickelt, wie es Snowboarden schon immer getan hat. Progression ist eine Art Naturgesetz im professionellen Sport und man wird immer weitergehen und Dinge ausprobieren, von denen die Leute dachten, sie wären unmöglich.

In den vergangenen Monaten wurde viel über Style diskutiert. Viele Leute sagen, dass mit der Etablierung von Doubles und Triples besonders bei Contests ein Style-Verlust einhergeht. Contest-Fahrern wird vorgeworfen, nur noch Tricks zu machen, die hohe Punktzahlen geben und nicht mehr darauf zu achten, ob sie stylisch sind. Was denkst darüber?

Ich denke, es stimmt, dass Contest-Kids bestimmte Tricks machen müssen, um gewinnen zu können, aber wenn ich mir Mark McMorris, Shaun White oder einen der anderen vielen Fahrer anschaue, dann hat jeder dieser Fahrer Style! Sie sind gezwungen, diese Tricks zu machen, weil sie gewinnen wollen. Warum würdest du an einem Contest teilnehmen, wenn du nicht auch gewinnen wolltest? Ansonsten würdest du doch eher im Backcountry abhängen. Sie haben verstanden, wie es funktioniert: „Wenn ich gewinnen will, muss ich diesen und jenen Trick machen. Ich kann keinen Method machen und erwarten, dass ich damit gewinne.“ Ich glaube, dass viele der Jungs lieber Methods machen würden als Triples, aber so funktioniert das System nicht. Vielleicht muss man mehr in die Richtung weitergehen, dass man gesonderte Contests und einzelne Runs auf Style ausrichtet, ansonsten müssen die Jungs aber nach dem Spin-to-win-Prinzip vorgehen. Es ist nicht ihr Fehler, sondern schlicht die Art und Weise, wie das Judging funktioniert.

Was bedeutet für dich Style?

Echten Style gibt es nur dann, wenn Menschen einzigartig sind und weitest- gehend unbeeinflusst. Ich liebe zum Beispiel dieses eine Foto von einem kleinen Jungen. Er macht einen Tindy, drückt ihn so weit hinaus und kümmert sich nicht darum, was cool ist und was nicht. Das ist Style. Menschen, die sich auf individuelle Weise ausdrücken, sei es über Kleidung oder über ihren Fahrstil. Sie kümmern sich einfach nicht darum, was andere denken. Das ist es. Style wird nicht darüber definiert, was die große Masse als cool betrachtet.

Ist es deiner Ansicht nach heute schwerer, erfolgreicher Pro zu sein als zu der Zeit, als du gestartet hast?

Als ich Pro wurde, habe ich mir die etablierten Fahrer angeschaut und gedacht: „Die stecke ich locker in die Tasche, ich fahre besser.“ Ich habe mir die Tricks angeschaut und war überzeugt, dass es nicht schwer ist, diese besser zu machen. Für die Kids heute ist das doch genauso. Sobald jemand einen neuen Trick macht und zeigt, dass mehr möglich ist, als man bisher dachte, ziehen die anderen nach. Ich denke nicht, dass es härter oder schwieriger ist, es war damals ein physische Herausforderung und ist es heute immer noch. Dafür bezahlt zu werden, das ist schwieriger geworden. Es gibt insgesamt weniger Brands, die wirklich finanzielle Unterstützung leisten können.

In welchem Bereich hast du dich als Pro selbst gesehen: Street, Backcountry oder Park?

Als ich Pro wurde, war ich der Überzeugung, dass es wichtig ist, gute Shots in allen Terrains zu haben. Mit der Zeit haben Pros angefangen, sich auf eine Sache zu spezialisieren und darin wirklich gut zu werden, aber ich wollte immer möglichst viele unterschiedliche Spots filmen. Ich habe Skateboarden schon immer geliebt, also wollte ich auch mit dem Snowboard Handrails fahren. Genauso habe ich aber auch schon immer Powder und Cliffs geliebt, also bin ich das auch gefahren. Ich mag alle Aspekte des Snowboardens und fahre auch heute noch alles, was nach Spaß aussieht.

Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, so massive Ollies ins Flat zu machen?

Als Pro habe ich mir zur Inspiration immer Skate-Videos angeschaut, niemals Snowboard-Videos. Beim Skateboarden gibt es viel mehr Wege, kreativ mit der Umgebung umzugehen. Ich war schon immer ein Fan von Jamie Thomas und als ich ihn diese riesigen Ollies machen sah, wusste ich, dass ich genau das auch mit dem Snowboard machen wollte. Als wir eines Tages in Brighton, Michigan waren und bei einem Guiness in einer Kneipe saßen, entdeckte ich diesen Spot, der für so einen Ollie ideal war. Die anderen hielten mich für verrückt [lacht], aber es hat einfach Spaß gemacht zu sehen, was dein Körper tun kann! Mit der Zeit habe ich es immer mehr ausgereizt und habe immer größere Ollies gemacht. Den Höhepunkt habe ich wohl mit dem letzten in Big Bear, Kalifornien erreicht. Es macht einfach Spaß, abzuheben und zu sagen: Scheiß drauf, ich versuch’s. Auch wenn es dich wirklich übel auf die Fresse legt. [lacht]

Du hast 2002 Holden gegründet und wenn man heute zurückblickt, fällt auf, dass sich der Style eurer Outerwear stark unterschied von den damaligen Trends. Während viele der Fahrer knallige Baggy-Klamotten trugen, hattet ihr eher unauffälligere und enger geschnittene Kleidung im Programm. Das hat sich heute weitestgehend durchgesetzt. Siehst du Holden als Pinoier dieser Entwicklung? 

Ich sehe uns nicht als Pioniere, wir haben schlichtweg den Stil unserer Streetwear aufs Snowboarden übertragen. Das, was wir auf der Straße trugen, haben wir mit der entsprechenden Technologie ausgestattet, um es in den Bergen tragen zu können. Viele Leute sagen deswegen, dass wir diesen Weg vorgegangen sind und das ist cool, aber wie gesagt, ich sehe es nicht so, dass wir diesen Style entwickelt haben, sondern nur gemacht haben, was schon lange hätte gemacht werden sollen! Ich habe meine Sponsoren gebeten etwas in dieser Richtung zu entwerfen, aber es ist nie passiert und ab einem gewissen Zeitpunkt weißt du, wenn etwas getan werden soll, musst du selbst aktiv werden.

Was war der Grund, warum ihr von Anfang an umweltfreundliche Kleidung entworfen habt?

Mein Partner [Scott Zergebel, Anm. d. Red.] und ich sind moderne Hippies und mit einem Bewusstsein für unsere Umwelt aufgewachsen. Meine Heimatstadt in Maine war schon vor 30 Jahren recht fortschrittlich eingestellt und jeder musste recyclen, das hat sich bei mir festgesetzt. Mit der Gründung von Holden war uns klar, dass wir diesen Weg weitergehen wollten. Auch heute verdienst du damit nicht die fette Kohle, aber es ist etwas, womit wir uns wohlfühlen und was uns wichtig ist.

Man hört, dass du heute Yoga und Zen praktizierst. Schaut man sich die alten Videos von dir an, würde man darauf nicht unbedingt schließen. Gibt es den alten Mike noch?

[lacht] Wir verändern uns nie grundlegend. Aber ich kann dir genau sagen, was es war, was mich damals so hat austicken lassen. Das war ich, wie ich meine Angst geleugnet habe. Ich hatte in diesen Situationen, in denen es zu solchen Ausbrüchen kam, eine scheiß Angst. Wenn ich einen Trick nicht landen konnte und wusste, ich muss es noch einmal machen. Es mag sein, dass die Spots heute nicht mehr hart aussehen, aber für mich hat es sich damsl so angefühlt, dass ich dabei draufgehen könnte. Jedes Mal. [lacht] Aber im Ernst: Ich kann nur jedem, der snowboardet, Yoga empfehlen. Snowboarden bringt deinen Körper in seltsame Situationen und Yoga bringt eine gewisse Balance zurück und stärkt dich außerdem enorm. Das hat mir geholfen, die Zeit als Pro physisch durchzustehen.

Uns ist zu Ohren gekommen, dass du mittlerweile auch unter die Schriftsteller gegangen bist? 

[lacht] Ja, ich arbeite an einer Reihe von Kinderbüchern. Ich praktiziere schon eine ganze Weile Zen und möchte diesen Ansatz auch Kids näherbringen. Es hat nichts mit Religion zu tun, sondern schlicht mit der Erkenntnis, dass wir alle eins sind. Daneben arbeite ich an einem anderen Projekt, dass wahrscheinlich ewig dauern wird. Es soll ein Buch werden, in dem ich über fünf Stadien im Leben einer Person schreibe, die im professionellen Sport tätig ist. Wo musst du durch, wenn du am Anfang stehst, was gibt es zu beachten und so weiter.

So wie sich Snowboarden entwickelt, glaubst du, dass es in Zukunft noch möglich ist, dass es den Bezug zu seinen Wurzeln beibehält? Dass es im Grunde immer noch um den Spaß an der ganzen Sache geht?

Es ist unmöglich, dass das nicht so sein wird. Wir haben alle einmal angefangen, haben uns verliebt, sind süchtig geworden. Egal, ob das Kids sind, die unglaublich viel Geld verdienen, jemand, der kaum einen vernünftigen Turn fahren kann oder ein Typ, der seit 20 Jahren auf dem Brett steht. Der Kern des Ganzen ist gleichgeblieben. Ob Snowboarden einmal einen Punkt erreicht, an dem es nur ums Geld geht, ist schwierig zu sagen. Da sehe ich zu einem großen Teil die Medien wie euch in der Verantwortung, in den Themen, die ihr behandelt.Wie auch immer es sich entwikkeln wird, ich bin überzeugt, dass es immer Kids geben wird, die in Minnesota einen 60 Meter langen Hügel herunterschlittern, Jungs, die einen Berg in Japan und Chile hinuntercruisen oder in Laax Park fahren, einfach weil sie es so sehr lieben. Es ist unmöglich, dass wir das verlieren werden.

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